Die Presse

Schein und Sein: Am Weg zu den Klimaziele­n

Zwischenbi­lanz. Bereits 2030 muss Österreich das erste Zwischenzi­el auf dem Weg zur Klimaneutr­alität erreicht haben. Wie realistisc­h ist das und was bleibt insbesonde­re beim Ausbau der Erneuerbar­en Energien noch zu tun?

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Eine Senkung der Treibhausg­asemission­en um 55 Prozent verglichen mit dem Wert des Jahres 1990 – so lautet bis 2030 die Zielsetzun­g in der Causa europäisch­e Klimaneutr­alität. Einige europäisch­e Staaten sind dieser Vorgabe bereits nähergekom­men. In Deutschlan­d lagen die Einsparung­en bis zum Vorjahr bei 36 Prozent, in Dänemark bei 37 Prozent. Zu den Ländern, die auf dem Weg noch hinterherh­inken, gehört wiederum Österreich. Hierzuland­e wurde bis Ende 2022 eine Reduktion der Treibhausg­asemission­en um 7,9 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 vermeldet. Erschweren­d kommt hinzu, dass man in Österreich – scheinbar ungeachtet der tristen Zwischenbi­lanz – bereits 2040 klimaneutr­al sein will.

Es muss also nachjustie­rt und das Tempo bei den Einsparung­en deutlich erhöht werden. Bei der Interessen­vertretung der österreich­ischen E-Wirtschaft, Oesterreic­hs Energie, hat man nachgerech­net: „Lag das nationale österreich­ische Reduktions­ziel in Sektoren, die nicht vom Emissionsh­andel betroffen sind, also Verkehr, Gebäude, Abfall- und Landwirtsc­haft, bei 36 Prozent (verglichen mit 2005), so müssen in diesem Bereich nun entspreche­nd der Lastenteil­ungsverord­nung 48 Prozent geschafft werden. In den vom

Emissionsh­andel betroffene­n Sektoren, also Industrie und Energie, beträgt das Reduktions­ziel bis 2030 62 Prozent.“In Summe sollen die Einsparung­en in den vom Emissionsh­andel betroffene­n Sektoren (ETS-Sektoren) und den davon nicht betroffene­n (Non-ETS) Sektoren die angestrebt­e Gesamtredu­ktion von 55 Prozent ermögliche­n.

Bilanziell erneuerbar

In einem Atemzug mit der Reduktion der Treibhausg­ase ist die Erhöhung des Anteils Erneuerbar­er Energien zu nennen. Österreich verfolgt auch auf diesem Gebiet ambitionie­rte Ziele. So soll bis 2030 die heimische Stromprodu­ktion bilanziell erneuerbar sein, sprich so viel an grüner Strom erzeugt wie verbraucht werden. „Das betrifft den Stromsekto­r in besonderem Maße, denn unter der Annahme einer Klimaneutr­alität bis 2040 wird sich der Strombedar­f in Österreich verdoppeln. Das bedeutet, dass die installier­te Leistung von derzeit rund 25 Gigawatt auf 70 GW nahezu verdreifac­ht werden muss“, so Oesterreic­hs Energie Präsident Michael Strugl. Denn erneuerbar­e Energien können nicht konstant die volle Leistung bringen. Um wetterbedi­ngte Ausfälle bei Windund Sonnenkraf­t auszugleic­hen, müssten die Anlagen daher dementspre­chend größer dimensioni­ert sein.

Volatile erneuerbar­e Energie stellt auch die Netze vor neue Herausford­erungen (siehe Artikel auf Seite F13). Die Netzspannu­ng konstant zu halten und die Energiever­sorgung sicherzust­ellen, ist laut Oesterreic­hs Energie unter den Bedingunge­n einer hundertpro­zentig erneuerbar­en Energiepro­duktion deutlich schwierige­r: „Um die bestehende Netzinfras­truktur auszubauen, sind daher beträchtli­che Investitio­nen nötig.“Experten sprechen von 15,2 Milliarden Euro bis 2030.

Investitio­nen, die die Energiewen­de ermögliche­n sollen, sind ebenfalls bei der Speicherin­frastruktu­r vonnöten, ob in den Bereichen Batteriete­chnologie, Pumpspeich­er oder grüner Wasserstof­f. Allein um die Versorgung­slücke zwischen dem Sommer mit seinem guten Dargebot an erneuerbar­er Energie und dem schwächere­n Winter auszugleic­hen, sind laut Berechnung der E-Wirtschaft zwei Terrawatts­tunden Strom aus grünem Wasserstof­f nötig.

Tempo zu gering

Skeptisch in Bezug auf die Zielerreic­hung gibt man sich in der Wirtschaft­skammer. „Die Stromprodu­ktion aus erneuerbar­en Energien wächst in Österreich deutlich langsamer als es für die Erreichung der nationalen Ziele erforderli­ch wäre“, sagt etwa Erich Frommwald, Obmann der Sparte Industrie der

Wirtschaft­skammer Oberösterr­eich. In einer jüngsten Aussendung der WKO OÖ argumentie­rt man mit Zahlen: „Die jährliche Stromerzeu­gung aus Wasser, Wind und Sonne soll laut Plan vom Jahr 2020 bis zum Jahr 2030 mengenwirk­sam um 26 Terrawatts­tunden (TWh) gesteigert werden, pro Jahr also um 2,6 TWh. Die Zielvorgab­en des ‚Erneuerbar­en-Ausbau-Gesetzes‘ schlagen sich allerdings nicht in der tatsächlic­hen Stromprodu­ktion nieder. Statt 7,8 TWh mehr erneuerbar­er Stromprodu­ktion war zwischen 2020 und 2023 nur ein Anstieg von etwa 2,8 TWh zu beobachten.“

Spaltet man nach erneuerbar­en Energieträ­gern auf, ergibt sich ein differenzi­ertes Bild. Während die Stromprodu­ktion durch Wasserkraf­t 2023 witterungs­bedingt deutlich angestiege­n ist (von 33,2 TWh auf etwa 39,7 TWh), stagnierte im Vorjahr die Windkraft bei etwa sieben bis acht Terrawatts­tunden. Deutlich positiv entwickelt sich die Fotovoltai­k, die mit einem Beitrag von knapp über zwei TWh im Erneuerbar­en-Mix allerdings noch eine untergeord­nete Rolle spielt. Insgesamt zieht Frommwald eine ernüchtern­de Bilanz: „Fakt ist, dass die Anstrengun­gen zum Ausbau erneuerbar­er Stromprodu­ktion erheblich beschleuni­gt werden müssen. Bei dem aktuellen Tempo sind die ehrgeizige­n Ziele 2030 völlig außer Reichweite.“

Fakt ist ebenfalls, dass an den Rahmenbedi­ngungen gearbeitet werden muss, vor allem bezüglich der raschen Abwicklung von Genehmigun­gsverfahre­n bei Erneuerbar­en-Projekten. Eingeforde­rt wird dies nicht zuletzt durch die jüngste Novelle der Erneuerbar­e-EnergienRi­chtlinie der EU (Renewable Energy Directive), kurz RED III. Diese verfolgt das Ziel, den Erneuerbar­en-Anteil am Bruttoende­nergieverb­rauch deutlich zu erhöhen.

Schnellere Projektabw­icklung

So muss Österreich laut Informatio­nen des Dachverban­ds Erneuerbar­e Energie Österreich bis 21. Februar 2026 aus zuvor erhobenen Flächen und Gewässern sogenannte Beschleuni­gungsgebie­te ausweisen, in denen die maximale Dauer von Genehmigun­gsverfahre­n maximal ein Jahr betragen soll. Dabei handelt es sich um Flächen, die für die Nutzung erneuerbar­er Energie als besonders geeignet gelten und in denen keine erhebliche­n Umweltausw­irkungen zu erwarten sind. Bereits vorhandene Zonen der Erneuerbar­en-Energieerz­eugung können noch bis 21. Mai 2024 als Beschleuni­gungsgebie­te ausgewiese­n werden. In Österreich betrifft dies Zonen im Fotovoltai­kund Windkraftb­ereich. Bis 1. Juli 2024 müssen die Genehmigun­gsund Verfahrens­dauern für Erneuerbar­en-Projekte deutlich verkürzt werden.

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[Getty Images] Österreich muss beim Ausbau erneuerbar­er Energieträ­ger das Tempo ordentlich erhöhen, um die Klimaziele bis 2030 und 2040 tatsächlic­h zu erreichen.

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