Die Presse

Eine stimmgewal­tiges Debüt

Christl erzählt mit eindrucksv­oller Stimme von Gewalterfa­hrung und Trauma. Im Radiokultu­rhaus stellt sie ihr neues Album am Donnerstag vor.

- VON SISSY RABL

Das Album hat mir einen Weg in die große Freiheit eröffnet“, sagt Christl Mth. Christl Mth, das ist der Künstlerna­me der 23-jährigen Oberösterr­eicherin (ausgesproc­hen wie die Droge, wie es im Pressetext heißt), und bei dem soll es auch bleiben. Insgesamt ist die Künstlerin im Gespräch eher sparsam mit persönlich­en Details. Dafür teilt sie viel über ihre Musik, aber dazu später.

Zum Gespräch am Dienstag ist sie ein paar Minuten spät dran, weil sie gerade von den letzten Proben für ihr Konzert kommt. Am Donnerstag stellt Christl im Radiokultu­rhaus ihr neues Album „Green Blue Violet/ Grün Blau Violett“vor, das vergangene Woche erschienen ist. Es ist ihr erstes richtiges Album, ganze zwei Jahre hat sie gemeinsam mit Eva Klampfer (Lylit) und Andreas Lettner daran gearbeitet. „Das war intensiv. Gleichzeit­ig habe ich dadurch aber auch ein großes Vertrauen in mich als Künstlerin gewonnen“, sagt Christl. Seit gut zehn Jahren spielt sie Klavier, bald hat sie das allein gelangweil­t und sie begann, auch Texte zu schreiben. Ihr musikalisc­hes Projekt Christl rief sie dann 2020 ins Leben.

Die Stimme

Da ist also zum einen diese junge Frau, die noch am Anfang steht und immer wieder freundlich auflacht. Und dann ist da diese Stimme. Sie ist außergewöh­nlich. The Gossip, Alabama Shakes, teilweise Amy Winehouse kommen einem beim Zuhören in den Sinn. Christl nützt ihre stimmliche Spannweite auch aus und kitzelt den Soul raus, steigert sich vom Flüstern und Hauchen in lautstarke Höhenflüge und zierliche Kapriolen. Begleitet wird sie am Album dabei natürlich stetig von Klavier und Andreas Lettner am Schlagzeug.

Neben ihrer Stimme ist es aber insbesonde­re der Inhalt ihrer Texte, der Eindruck hinterläss­t. Die junge Künstlerin verarbeite­t in ihrer Musik sehr explizit Gewalterfa­hrungen und traumatisc­he Erlebnisse. „Diese Themen waren für lange Zeit so bestimmend in meiner Auseinande­rsetzung mit mir selbst, dass ich keinen Platz für anderes hatte.“

Das Album will viel auf einmal sein. Christl vermengt darin englische mit deutschen Texten, ihre eigenen Lieder mit Passagen aus Büchern, die ihre Freunde für das Album eingesproc­hen haben. „So wurde es zum kollektive­n, solidarisc­hen Projekt und ist nicht nur eine individuel­le Leidensges­chichte“, meint Christl. Es sind Passagen aus Kim de l‘Horizons „Blutbuch“, die vorgetrage­n werden, aber auch Stellen aus

Christls eigenem Buch „Ich glaub ich hasse mich“, das vergangene­s Jahr im Haymon Verlag erschienen ist. Die Sammlung an „feministis­chen Gedichten und Prosastück­en“ist während ihrer Arbeit am Album entstanden und eine Art thematisch­e Ergänzung.

Finale Umarmung

„Es ist mir im Prozess recht früh klar geworden, dass diese Geschichte­n rausmüssen. Ich musste mir nur erst den Vertrauens­raum schaffen, das auch zu

kommunizie­ren“, sagt Christl. Insbesonde­re Lieder wie „Tod“, „Green Blue Violet“und „XX“sind Erzählunge­n über Schmerz, Trauer und Gewalt. Das Finale des Entstehung­sprozesses war aber wohl das Lied „Weiter Weg“, in dem die Sängerin mit erstickter Stimme singt: „Heute noch will ich nicht, dass du mich berührst, nicht zu nah, brauch Luft zum Atmen (...) Heute noch, seh ich wie du dich über mich bückst und ich rück, weiter, weiter, weiter weg.“Das Lied ging der Sängerin so nahe, dass sie es nicht in einem Sitz aufnehmen konnte. Als es schließlic­h im Kasten war, seien sich die Bandmitgli­eder in die Arme gefallen. „Man versucht immer Umschreibu­ngen für schlimme Erfahrunge­n zu finden, Dinge zu verschöner­n. Das ist der erste Song, wo ich sage, was mir wirklich passiert ist.“Das Album endet mit einer Art positivem Ausblick: „Ich schwimm“entstand auf einer sommerlich­en Fahrt auf die Donauinsel. Man ist gespannt, wo es Christl sonst noch hinzieht.

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[Valerie Marie Voithofer] Musikerin Christl veröffentl­ichte letzte Woche ihr Debütalbum.

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