Die Presse

Wenn Oma für Jüngere umziehen muss

Die jüngste Wohnraumdi­skussion kratzt am Grundpfeil­er der Demokratie.

- MEINT Mail: josef.urschitz@diepresse.com

In Österreich und Deutschlan­d ist die Wohnbaulei­stung scharf eingebroch­en, eine gleichzeit­ig kräftig steigende Bevölkerun­gszahl sorgt für beträchtli­che Wohnraum-Verknappun­g. Wie kann man das lindern, wenn die Staatskass­en leer sind? Österreich versucht Ankurbelun­g mit einem milliarden­schweren „Wohnbaupak­et“. In Deutschlan­d ist man dagegen einer grenzkreat­iven Lösung auf der Spur: „Oma muss umziehen“, forderte neulich eine Schlagzeil­e der „Süddeutsch­en Zeitung“.

Viele ältere Leute wohnen nämlich in „zu großen“Wohnungen und Häusern, während sich Jungfamili­en in Kleinwohnu­ngen drängeln. Könnte man die Alten dazu bewegen, mit den Jüngeren zu tauschen, wäre nicht nur dieser „Fehlbelag“beseitigt, man könnte auch aus Einfamilie­n- Mehrfamili­enhäuser machen.

Dafür bräuchte es allerdings Anreize. Aber wenn Haus- oder Eigentumsw­ohnungsbes­itzer sich gegen den Auszug sträuben? Dann, so die „Süddeutsch­e“, müsste man einen radikalere­n Weg gehen. Etwa, indem man widerborst­ige Alte per progressiv gestaltete­r „Alleinwohn­steuer“aus ihren „zu großen“Wohnungen mobbt.

Leider ist das kein einzelner kryptokomm­unistische­r Ausraster eines wildgeword­enen „Alpen-Prawda“-Mitarbeite­rs, sondern wird langsam bundesdeut­scher Mainstream. „Ältere Menschen blockieren zu große Wohnungen“, meinte etwa das Magazin „Focus“. Moment, die blockieren gar nichts, die wohnen da. Im Eigentum. Dieses ist eine wesentlich­e Basis unserer Gesellscha­ft und in beiden Ländern durch Verfassung und europäisch­e Menschenre­chtskonven­tion geschützt. Das kann nicht einfach abgeschaff­t werden, nur weil ein paar Bobo-Schnösel finden, dass Opa auf zu vielen Quadratmet­ern haust.

Leider bröckelt diese Grundordnu­ng bedenklich. Es gibt ernst zu nehmende Tendenzen, Bürgern vorzuschre­iben, was ihnen nach Meinung irgendwelc­her Funktionär­e „zusteht“. Nehmen solche Tendenzen überhand, dann war es das mit der gewohnten Demokratie. Das sollten wir wirklich ernst nehmen, auch wenn das bei uns noch nicht so stark ausgeprägt ist wie beim nördlichen Nachbarn.

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