Im größten Wirtschaftssektor gibt es keinen Lohn
Nach über einem Jahrzehnt gibt es neue Daten über die volkswirtschaftliche Relevanz unbezahlter Arbeit.
Frauen arbeiten mehr als Männer: Diese Aussage stimmt sobald man einen weiteren Blickwinkel als aktuelle Arbeitsmarktdaten oder die immer wieder aufflackernde Debatte über zu vielen Frauen in Teilzeitbeschäftigungen wählt. Dann nämlich, wenn man neben allen bezahlten vor allem auch alle unbezahlten Arbeitsstunden in der Volkswirtschaft betrachtet.
Diese Daten wurden in 2021/ 2022 erstmals seit 13 Jahren von der Statistik Austria neu erhoben und jetzt von der Arbeitsgruppe „Caring Economy Jetzt“ehrenamtlich ausgewertet. Denn anders als in der Schweiz oder Deutschland gibt es in Österreich keine regelmäßigen staatlichen Erhebungen in diesem Bereich. „Rund 57 Prozent aller geleisteten Arbeitsstunden pro Jahr sind unbezahlt und 62 Prozent dieser werden von Frauen geleistet“, sagt die Leiterin und Initiatorin Elisabeth Sechser. Aus dieser Perspektive sei unbezahlte Arbeit der größte Wirtschaftssektor. Anders ausgedrückt betrug der Wert der Arbeit ohne Entgelt im Jahr 2022 rund 195 Milliarden Euro, oder 44 Prozent des BIP, das bei rund 447 Milliarden Euro lag.
Zu diesen unbezahlten Tätigkeiten zählen wesentliche Bereiche für das Funktionieren unserer Gesellschaft wie Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Hausarbeit,
Gartenarbeit sowie alle Arten von freiwilligen oder ehrenamtlichen Tätigkeiten. Von Seiten der Initiatoren wird gefordert, dass es zu einer regelmäßigen statistischen Erfassung dieser Daten komme, damit dieser Teil unserer Volkswirtschaft sichtbar werde. Denn nur so können wirtschaftspolitische Maßnahmen für die Bekämpfung von zum Beispiel Altersarmut bei Frauen oder für mehr Gleichberechtigung getroffen werden.
Politik tut zu wenig
„Es zeigt sich, dass sich seit der letzten Erhebung vor mehr als zehn Jahren leider nicht viel verändert hat“, sagt Sechser. Hausarbeit werde noch immer zu zwei Drittel von Frauen übernommen. Wie Arbeit betrachtet wird, was unter Arbeit fällt, sei laut der Initiatorin nicht mehr zeitgemäß. Denn „auch wenn viele Frauen in Teilzeit arbeiten, arbeiten sie in Summe doch noch immer mehr, nur meist ohne Bezahlung.“Ihr fehlen die politischen Anreize, um diese Situation zu verändern. So wurden kaum Maßnahmen gesetzt, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen wie Männer zu erleichtern. „Ich denke, dass die Bedingungen im Allgemeinen schlechter wurden. Das Gleiche gilt für pflegende Angehörige oder die geteilte Karenz“, sagt die Initiatorin. (jup)