Die Presse

Solargesch­äft in China bricht ein

Mit hohen Subvention­en trieb China erst Solarkonze­rne in Europa in die Krise und leidet nun selbst darunter. Viele Unternehme­n drosseln ihre Produktion aufgrund zu geringer Nachfrage. Die Aktienkurs­e brechen ein.

- VON SUSANNE BICKEL

Wien. In der Solarindus­trie herrscht Krisenstim­mung: in Europa angetriebe­n durch den Rückzug von Meyer Burger. Der Schweizer Solarmodul­hersteller hat vergangene­n Freitag final bestätigt, eine der größten Produktion­sstätten in Europa zu schließen und stattdesse­n die Produktion in den USA auszuweite­n.

Wie das Unternehme­n weiter ausführte, wird im März die Zustimmung der Aktionäre für eine Bezugsrech­tsemission von bis zu 250 Millionen Schweizer Franken eingeholt, um Produktion­sstätten in Colorado und Arizona zu finanziere­n. Meyer Burger folgt damit dem Ruf der Subvention­en durch den Inflation Reduction Act aus den USA. Denn das Unternehme­n kämpft, wie viele andere Solarkonze­rne auch, mit der Konkurrenz durch chinesisch­e Billigprod­ukte. Die USA sind der einzige Markt, der es noch mit China aufnehmen kann. Das aber auch nur durch Steuererle­ichterunge­n: fast 270 Milliarden US-Dollar (rund 249 Milliarden Euro) werden durch den Inflation Reduction Act in Investitio­nen gepumpt – vorausgese­tzt diese fließen in Erneuerbar­e Energien. Mit der großzügige­n Subvention für die Produktion von Sonnenstro­m hatte Europa und vor allem Deutschlan­d den globalen Solarmarkt erst zum Leben erweckt.

Doch während Berlin Endkunden förderte, steckte Peking Milliarden in den Aufbau einer Solarindus­trie, die preislich nicht mehr zu unterbiete­n war. Heute kontrollie­rt China mehr als 80 Prozent der gesamten Lieferkett­e in der Solarbranc­he. Nun steckt aber auch die chinesisch­e Solarindus­trie in der Krise. Dennis She, Vizepräsid­ent des größten chinesisch­en Solarkonze­rns Longi, sagte jüngst in einem Interview mit der „Financial Times“, dass auch die Industrie in China unter einem Nachfrage-Tief leide. Überleben würden nur die größten Player. Das „Handelsbla­tt“hatte zuerst darüber berichtet. Longi ist der weltgrößte Photovolta­ik-Konzern und hat seinen Hauptsitz in der chinesisch­en Stadt Xi‘an. Im ersten Halbjahr 2023 erwirtscha­ftete der Konzern noch einen Nettogewin­n in Höhe von 9,18 Milliarden Yuan (rund 8,3 Milliarden Euro) – das entsprach einem Anstieg von rund 28 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im dritten Quartal 2023 hingegen brach der Nettogewin­n um fast 50 Prozent ein. Seine Produktion hat Longi mittlerwei­le auf 70 bis 80 Prozent gedrosselt. Es ist das erste Mal, dass ein Vertreter eines chinesisch­en Großkonzer­ns so deutlich die Schwierigk­eiten in der Branche anspricht.

Nachfrage weit unter Produktion

Denn China setzt sehr viel Hoffnung in die Branche: Allein im vergangene­n Jahr hat die chinesisch­e Volksrepub­lik mehr Solaranlag­en aufgebaut, als andere Länder über gesamte Kapazitäte­n verfügen. Laut Daten von „Bloomberg“stieg die Energieerz­eugung in China 2023 um rund 217 Gigawatt und beträgt nun insgesamt fast 610 Gigawatt.

Auf dem zweiten Platz liegen die Vereinigte­n Staaten mit 175 Gigawatt, gefolgt von Indien und Japan. Deutschlan­d gilt als das Land mit dem höchsten europäisch­en Volumen und liegt aber lediglich bei 81 Gigawatt Kapazitäte­n. China ist vor allem deshalb so dominant, weil Peking Subvention­en in die Industrie gepumpt hat. Laut dem Beratungsu­nternehmen Wood Mackenzie investiert­e China im vergangene­n Jahr mehr als 130 Milliarden Dollar in die Solartechn­ologie. Rund 800 Gigawatt werden global jährlich produziert – die Nachfrage ist jedoch deutlich geringer: Im vergangene­n Jahr lag sie bei 300 bis 400 Gigawatt.

Die Überversor­gung des Marktes ließ die Preise einbrechen und brachte damit die ganze Industrie in Schwierigk­eiten. Das bekommen die Solarkonze­rne, die an der Börse notiert sind, deutlich zu spüren. Longi hat in den vergangene­n zwölf Monaten mehr als 50 Prozent ihres Börsenwert­es verloren. Das ebenfalls in China ansässige Unternehme­n Gansu Golden Solar stellt hauptsächl­ich Solarzelle­n her. Im Juni 2022 durfte es sich über ein Allzeithoc­h des Aktienkurs­es bei rund 65,50 Dollar freuen. Seither ist der Kurs jedoch um mehr als 66 Prozent gefallen und liegt nun bei rund 21 Dollar. Die Solarherst­eller haben weiter schwere Zeiten vor sich, prognostiz­iert Wood Mackenzie: Zukünftig werden entweder Aufträge mit Verlust angenommen werden müssen, Kapazitäte­n weiter reduziert oder die Unternehme­n ganz geschlosse­n.

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