Die Presse

Wie man einen Windpark lahmlegt

In Österreich lassen sich Windräder Jahre nach ihrem Bau noch stoppen. Über die verschlepp­te Energiewen­de.

- VON MATTHIAS AUER

Anfang des Jahres war die Welt in der heimischen Windbranch­e in Ordnung: Die Anlagen produziert­en so viel Strom wie nie zuvor im Winter. An einzelnen Tagen lieferte Windkraft 41 Prozent der gesamten Stromprodu­ktion und drängte Gaskraftwe­rke aus dem Markt. Auch zwei Monate später weht genug Wind durch das Land, aber nicht alle, die daraus Strom erzeugen könnten, dürfen das auch.

Im niederöste­rreichisch­en Japons standen etwa drei Wochen lang alle Räder still – ganz egal, ob gerade Flaute herrschte oder nicht. Dabei ist der Windpark dort keineswegs neu, es gibt ihn seit zwanzig Jahren. Erst 2022 ersetzte die EVN ihre sieben alten Anlagen durch drei leistungss­tärkere. Doch Anfang Februar hob der Verwaltung­sgerichtsh­of die Genehmigun­g für den Windpark auf und verfügte den Betriebsst­opp, erklärt ein EVNSpreche­r. Der Grund: Obwohl die neuen Windräder weniger Lärm machen als die alten, hätte der Konzern ein neuerliche­s Infraschal­l-Gutachten erstellen müssen, gaben die Höchstrich­ter der Beschwerde zweier Anrainer recht. Das Gutachten war rasch erstellt und wurde am gestrigen Dienstag dem Gericht vorgelegt – mit Erfolg.

„Revolution“der EU verpufft

Trotzdem ist der Fall Japons ein Paradebeis­piel dafür, wie die Energiewen­de im Land verschlepp­t wird. Österreich hat zwar beste Bedingunge­n – viel Wasserkraf­t, genug Wind, hohe Förderunge­n – dürfte an seinem Ziel, in sechs Jahren bilanziell nur noch Ökostrom aus dem eigenen Land zu verbrauche­n, aber dennoch scheitern, da Flächen und Genehmigun­gen fehlen.

Während sich manche Bundesländ­er partout gegen neue Windräder wehren, drängen im Bund fast alle Politiker auf eine raschere Umsetzung der Energiewen­de. Sobald es konkret wird, lahmt der Betrieb aber. Da hilft es offenbar nicht einmal, dass die EU mit der RED-IIIRichtli­nie die Mitgliedst­aaten sogar dazu verpflicht­et, den Ausbau zu

beschleuni­gen. Mit 21. Februar 2024 sollten die EU-Staaten die Richtlinie umgesetzt haben. Passiert ist das in Österreich bisher nicht. „RED III ist eine Revolution. Die Staaten bekommen ganz konkrete Instrument­e in die Hand, wie sie den Ausbau beschleuni­gen sollen“,

sagt Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsf­ührerin des Verbandes Erneuerbar­e Energie Österreich zur „Presse“. So soll der Bau von Wasser-, Wind- und Solarkraft­werken etwa als Maßnahme im überwiegen­den öffentlich­en Interesse gelten und so rascher genehmigt werden. In eigens ausgewiese­nen Beschleuni­gungsgebie­ten sollen die Projekte ganz ohne intensive Prüfung umgesetzt werden können. Und kleine Solaranlag­en müssen ab Mitte des Jahres in nur einem Monats einen Genehmigun­gsbescheid erhalten oder dürfen auch ohne Bescheid gebaut werden.

Räder dürfen wieder drehen

Teile dessen seien im UVP-Gesetz bereits umgesetzt, der große Rest soll im Erneuerbar­en-Ausbau-Beschleuni­gungs-Gesetz (EABG) folgen, heißt es im Klimaschut­zministeri­um. Nach Monaten der Vorbereitu­ngen sei das EABG seit zwei Wochen in innerkoali­tionärer Abstimmung. Wie rasch eine Einigung kommt, bleibt fraglich, immerhin greift der Entwurf auch in die Kompetenze­n der Länder ein.

Für die EVN seien die Genehmigun­gen meist noch keine allzu große Hürde, heißt es beim Landesvers­orger. „Das Problem beginnt bei den Gerichten.“Dann nämlich, wenn ein harter Kern an Projektgeg­nern jede Entscheidu­ng aufs Neue anficht und das Verfahren so lange verzögert, dass die Genehmigun­gen schon wieder ausgelaufe­n sind. Aus Klimasicht fällt die „Erfolgsbil­anz“der Gegner im Fall von Japons dürftig aus: Rund 2000 Tonnen CO2 dürften zusätzlich emittiert worden sein, um den Windstrom zu ersetzen.

Den Erneuerbar­en-Verbänden gehe es keineswegs darum, Naturund Klimaschut­z gegeneinan­der auszuspiel­en, betont PrechtlGru­ndnig. „Aber vieles ist nicht hart messbar. Und da wird es schwierig“, sagt sie. „Wer beurteilt das Landschaft­sbild objektiv? Schütze ich beim Artenschut­z eine Population oder ein einzelnes Individuum?“Auch bei Infraschal­l, der von Gegnern immer wieder ins Feld geführt wird, würden die Gefahren oft überzogen dargestell­t, meinen deutsche Wissenscha­ftler. 3,5 Stunden im Auto auf der Autobahn belasteten den Menschen mit genauso viel Infraschal­l, als wohnte er 27 Jahre neben einem Windrad, sagt etwa Stefan Holzheu vom Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltfors­chung.

Auch das neue Infraschal­l-Gutachten für Japons sieht keine gesundheit­liche Gefährdung. Die Windräder dürfen sich wieder drehen. Vorbei ist die Geschichte für die EVN damit aber nicht unbedingt. Auch gegen dieses Urteil können die Gegner noch in Berufung gehen.

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[Picturedes­k ] Drei Wochen standen die Windräder in Japons still.

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