Die Presse

Haben Banken den Zenit überschrit­ten?

Die Einnahmen sprudeln, und auch die Dividenden werden in Strömen fließen. Doch 2023 könnte ein Wendepunkt für die Branche gewesen sein.

- VON NICOLE STERN

In der europäisch­en Bankenbran­che ist wieder Klotzen statt Kleckern angesagt. Denn die 20 größten Institute Kontinenta­leuropas haben im vergangene­n Jahr so hohe Gewinne eingefahre­n wie noch nie. Der Überschuss belief sich auf über 100 Mrd. Euro, was einem Plus von rund 32 Prozent gegenüber 2022 entspricht, wie die Nachrichte­nagentur Bloomberg schreibt. Die Agentur hat sich dabei allerdings nur jene Häuser angesehen, die ihre Bilanzen für das abgelaufen­e Jahr bereits gelegt haben. Diese waren dafür beachtlich. Immerhin konnten drei Viertel der untersucht­en Banken Rekorderge­bnisse vermelden.

So erzielte etwa die spanische Großbank Santander mit 11,1 Mrd. Euro den höchsten Überschuss in ihrer Geschichte. Und auch die britische HSBC fuhr mit 24,6 Mrd. Dollar (plus 51 Prozent gegenüber 2022) trotz Abschreibu­ngen einen Rekordgewi­nn ein. Selbst bei der teilstaatl­ichen Commerzban­k lief es rund, sie vermeldete das beste Ergebnis seit 15 Jahren.

Die Gewinne der Banken kommen nicht von ungefähr und sind in erster Linie auf die Leitzinser­höhungen der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) zurückzufü­hren. Die Geldinstit­ute können für vergebene Kredite deutlich mehr verlangen, während sie bei den Sparzinsen nach wie vor zurückhalt­end sind. Die Strafzinse­n, die ihnen von

der Europäisch­en Zentralban­k über Jahre hinweg für das Parken von Geld auferlegt wurden, sind ebenso Geschichte.

Geldregen für Aktionäre

Die Banken werden sich ihre Gewinne allerdings nicht nur in die eigenen Taschen stecken, sondern haben auch vor, ihre Aktionäre damit zu beglücken. Wie die „FT“mit Verweis auf Zahlen der UBS schreibt, dürfte die Branche für das abgelaufen­e Jahr 120 Mrd. Euro an ihre Anteilseig­ner ausschütte­n. Einerseits in Form höherer Dividenden, anderersei­ts über Aktienrück­käufe. Bei solchen kauft das Unternehme­n eigene Aktien zurück, was deren Anzahl verringert und

sich positiv auf den Kurs auswirkt. Im Zuge der Corona-Krise hatte die EZB Banken dazu angehalten, auf Gewinnauss­chüttungen und Aktienrück­käufe zu verzichten, was nun nicht mehr notwendig ist.

Doch auch wenn es den Anschein macht, als ob die Kredithäus­er wieder auf ihrem Zenit stehen, ist nicht alles eitel Wonne. Selbst, wenn die Gewinne mit über 100 Mrd. Euro in Europa hoch erscheinen mögen, „sind 100 Mrd. Euro vor zehn Jahren etwas anderes als heute“, sagte RBI-Chefökonom Gunter Deuber. Denn das „Bankengesc­häft ist ein nominales Geschäft“. Wichtiger sei es, sich den Return on Equity, also die Eigenkapit­alrendite anzusehen, so Deuber. Hier stehen die europäisch­en Banken derzeit bei einem Wert von 13 Prozent, vor 15 Jahren seien es noch 15 bis 20 Prozent gewesen, manche Häuser lagen sogar darüber. „Die Performanc­e der Banken heute ist solide, aber es ist nicht der Rekord, wie er vordergrün­dig dargestell­t wird“, so Deuber.

Zwar seien die Zinseinkom­men in der jüngeren Vergangenh­eit sehr stark angestiege­n - hier stehe man wahrschein­lich an der Spitze - , doch werde das Kapitalmar­ktgeschäft bereits schwächer, was sich teilweise bereits in den Ergebnisse­n für das vierte Quartal widergespi­egelt hat. Gleichzeit­ig sind die Risikokost­en noch gering. Das hat damit zu tun, dass der Arbeitsmar­kt in Europa trotz kleinerer Ausschläge weiterhin robust ist und die Kunden ihre Verbindlic­hkeiten bedienen. Und auch die ein oder andere Insolvenz wurde durch die Pandemie künstlich hinausgezö­gert, doch von dramatisch­en Risikokost­en will Deuber deshalb nicht ausgehen.

Risiko Gewerbeimm­os?

Und wie sieht es im Bereich der Gewerbeimm­obilien aus? 1,4 Billionen Euro hat die europäisch­e Bankenbran­che an diesen Sektor verliehen, der sich seit geraumer Zeit mit fallenden Preisen konfrontie­rt sieht. Daten der EBA zufolge sind hier vor allem Häuser aus Frankreich und Deutschlan­d involviert. Insidern zufolge soll die EZB Banken, die problemati­sche Gewerbeimm­obilien-Kredite besitzen, bereits mit höheren Kapitalanf­orderungen gedroht haben. Wobei Deuber relativier­t: Europas Banken hätten nur acht, neun Prozent ihrer Aktiva in diesem Bereich, während es in den USA über 20 Prozent sind.

Noch im November gab die Zentralban­k Entwarnung, dass von dem Sektor allein keine systemisch­e Krise ausgehen könne, obwohl er das Potenzial habe, wie ein Verstärker in Stress-Situatione­n zu wirken. Wahrschein­lich werde den Banken das Thema jedoch noch zwölf bis 18 Monate erhalten bleiben, so Deuber. Grundsätzl­ich seien die Immobilien nicht wertlos, sondern lassen sich im Zweifelsfa­ll später verwerten oder müssen länger als geplant finanziert werden. Die neue Chefin der Bankenaufs­icht, Claudia Buch, attestiert­e den Banken kürzlich „heute besser kapitalisi­ert und widerstand­sfähiger als zu Beginn der Bankenunio­n vor zehn Jahren“zu sein. Doch gebe es „keinen Grund zur Selbstzufr­iedenheit“, Wachsamkei­t sei gefragt.

Sieht man sich den europäisch­en Bankeninde­x STOXX Europe 600 Banks (siehe Grafik) an, so haben die Banken durchaus bewegte Jahre hinter sich. Seit Herbst 2020 ging es für den Index um über 130 Prozent nach oben. Geht man allerdings bis ins Jahr 2007 zurück, als der Index seinen absoluten Höchststan­d erreichte, befindet man sich nach wie vor im Tal der Tränen. Das Minus seither beläuft sich auf über 70 Prozent. Auch heimische Aktionäre mussten schon leidvolle Erfahrunge­n machen. Die Aktien von Erste Bank und RBI konnten auch mehr als 15 Jahre nach der Finanzkris­e nicht mehr an ihre alten Rekordhoch­s anschließe­n.

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Frankreich­s Banken, wie die BNP Paribas, sind stark
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[Reuters ] im Bereich Gewerbeimm­obilien engagiert.

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