Österreichs primitivstes Stadiongeheul
Homophobie und Beschimpfungen: Die Derby-Entgleisungen bei Rapid zeichnen ein hässliches Bild, das jede Freude am Fußball nimmt.
Im Triumph zeigen Sieger, behauptet eine alte Weisheit, ihr wahres Gesicht. Auch Betrunkene würden eher mit der Wahrheit herausrücken. Was geschieht dann (nicht nur im österreichischen) Fußball, mit siegestrunkenen Derbysiegern? Die Emotion hat nach Abpfiff freien Lauf, was zuvor stundenlang mit Schlachtgesängen von den Tribünen geheult wurde, kann Profis dann dazu verführen, ihre Vorbildrollen über Bord zu werfen, sich vollkommen daneben zu benehmen und keinesfalls zu tolerierende Schmähungen zu äußern. Das ist dann, immer wieder, unsere primitive Fußball-Kultur.
„Arschlöcher“, wie Rapids Geschäftsführer Steffen Hofmann auf einem Video über Austrianer urteilte, mag für viele gar harmlos klingen, weil dieses Wort in Wien und seinem Dialekt durchaus Charmantes transportieren kann. Auch hört man oft die als Erklärung strapazierte Verharmlosung, dass Fußball „eben so ist“, es trotz des Gesanges „kein Musikverein“wäre und ohnehin bloß gelebte Verklärung sei, die eben in 90 Minuten fröhliche Urständ‘ feiert. In Hofmanns Fall ist es jedoch kapitales Fehlverhalten eines Klub-Idols in „offizieller Funktion“. Die Suche nach dem „Verräter“, der dieses Video postete, ist bloß die nächste plumpe Ausrede.
Stimmen dann noch Co-Trainer und Star-Spieler im Rahmen von Feierlichkeiten homophobe Gesänge an, der genaue Wortlaut ist nicht druckreif, dreht es sich keinesfalls mehr um Rituale, in Stadien Gehörtes oder Folge von Euphorie. Dann müssen sich Arbeitgeber, Spieler und Mensch kritischen Fragen zu Vernunft, sozialer Kompetenz und Strafen stellen. Dieses Handeln kann, nur entschuldigt, nicht toleriert werden.
Dass es auch dazu ein Video gibt, mag Grün-Weiß doppelt irritieren. Social Media, Voyeurismus und Gier nach Aufmerksamkeit kennen allerdings keine Klubtreue. Aber, vielleicht kommt dadurch ja jetzt, weil Liga (Anzeige beim Senat 1 gegen Hofmann und fünf Spieler) sowie der ÖFB Reaktionen einverlangen, auch landesweit eine vernünftige Diskussion in Gang, die eine Wiederholung unterbindet. Rapid verurteilte die Vorfälle jedenfalls scharf, eine interne Untersuchung folgt.
Affenlaute sind aus Österreichs Stadien verschwunden, NS-Rhetorik ebenso. Über Ausländer, „Hurenkinder“und „schwulen“Gegner singt manch Fangruppe weiterhin. Der Blick in ein Fußballstadion liefert Soziologen ein gesellschaftlich-groteskes Spektrum. Sein, Schein, jede Menge Schwein und daneben glückliche Familien: die Tribüne bietet alles. Wo aber endet eine Kabinenparty? Warum müssen Sieger gegen Homosexuelle anstimmen? Was, wenn der beste Kicker im eigenen Verein schwul ist? Rein statistisch gesehen – und mit jedem Recht dieser Welt – geht sich das in allen Klubs aus. Auch in Hütteldorf.
Der Homophobie-Eklat nach dem 342. Wiener Derby muss von Rapid intern, mit allen Konsequenzen, aufgearbeitet werden.