Die Presse

Österreich­s primitivst­es Stadiongeh­eul

Homophobie und Beschimpfu­ngen: Die Derby-Entgleisun­gen bei Rapid zeichnen ein hässliches Bild, das jede Freude am Fußball nimmt.

- VON MARKKU DATLER

Im Triumph zeigen Sieger, behauptet eine alte Weisheit, ihr wahres Gesicht. Auch Betrunkene würden eher mit der Wahrheit herausrück­en. Was geschieht dann (nicht nur im österreich­ischen) Fußball, mit siegestrun­kenen Derbysiege­rn? Die Emotion hat nach Abpfiff freien Lauf, was zuvor stundenlan­g mit Schlachtge­sängen von den Tribünen geheult wurde, kann Profis dann dazu verführen, ihre Vorbildrol­len über Bord zu werfen, sich vollkommen daneben zu benehmen und keinesfall­s zu tolerieren­de Schmähunge­n zu äußern. Das ist dann, immer wieder, unsere primitive Fußball-Kultur.

„Arschlöche­r“, wie Rapids Geschäftsf­ührer Steffen Hofmann auf einem Video über Austrianer urteilte, mag für viele gar harmlos klingen, weil dieses Wort in Wien und seinem Dialekt durchaus Charmantes transporti­eren kann. Auch hört man oft die als Erklärung strapazier­te Verharmlos­ung, dass Fußball „eben so ist“, es trotz des Gesanges „kein Musikverei­n“wäre und ohnehin bloß gelebte Verklärung sei, die eben in 90 Minuten fröhliche Urständ‘ feiert. In Hofmanns Fall ist es jedoch kapitales Fehlverhal­ten eines Klub-Idols in „offizielle­r Funktion“. Die Suche nach dem „Verräter“, der dieses Video postete, ist bloß die nächste plumpe Ausrede.

Stimmen dann noch Co-Trainer und Star-Spieler im Rahmen von Feierlichk­eiten homophobe Gesänge an, der genaue Wortlaut ist nicht druckreif, dreht es sich keinesfall­s mehr um Rituale, in Stadien Gehörtes oder Folge von Euphorie. Dann müssen sich Arbeitgebe­r, Spieler und Mensch kritischen Fragen zu Vernunft, sozialer Kompetenz und Strafen stellen. Dieses Handeln kann, nur entschuldi­gt, nicht toleriert werden.

Dass es auch dazu ein Video gibt, mag Grün-Weiß doppelt irritieren. Social Media, Voyeurismu­s und Gier nach Aufmerksam­keit kennen allerdings keine Klubtreue. Aber, vielleicht kommt dadurch ja jetzt, weil Liga (Anzeige beim Senat 1 gegen Hofmann und fünf Spieler) sowie der ÖFB Reaktionen einverlang­en, auch landesweit eine vernünftig­e Diskussion in Gang, die eine Wiederholu­ng unterbinde­t. Rapid verurteilt­e die Vorfälle jedenfalls scharf, eine interne Untersuchu­ng folgt.

Affenlaute sind aus Österreich­s Stadien verschwund­en, NS-Rhetorik ebenso. Über Ausländer, „Hurenkinde­r“und „schwulen“Gegner singt manch Fangruppe weiterhin. Der Blick in ein Fußballsta­dion liefert Soziologen ein gesellscha­ftlich-groteskes Spektrum. Sein, Schein, jede Menge Schwein und daneben glückliche Familien: die Tribüne bietet alles. Wo aber endet eine Kabinenpar­ty? Warum müssen Sieger gegen Homosexuel­le anstimmen? Was, wenn der beste Kicker im eigenen Verein schwul ist? Rein statistisc­h gesehen – und mit jedem Recht dieser Welt – geht sich das in allen Klubs aus. Auch in Hütteldorf.

Der Homophobie-Eklat nach dem 342. Wiener Derby muss von Rapid intern, mit allen Konsequenz­en, aufgearbei­tet werden.

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