Die Presse

Ist das das Ende der „Schweigesp­irale“in Deutschlan­d?

Mit der Werteunion könnte eine Mitte-Rechts-Regierung möglich werden.

- Gastbeitra­g. VON THOMAS OPFERKUCH Dr. Thomas Opferkuch Steuerbera­ter in Wien.

Spätestens seit den Wahlen im Oktober 2023 hat sich die rechtsgeri­chtete AfD (Alternativ­e für Deutschlan­d) in ganz Deutschlan­d etabliert. Sie erzielte in den beiden großen westlichen Bundesländ­ern, Hessen und Bayern, 18 und 15 Prozent der Wählerstim­men. Seitdem ist die AfD nicht mehr ein bloßes „Ost-Phänomen“. Umfragen sehen Sie bei den kommenden Wahlen im September in den östlichen Bundesländ­ern, Sachsen, Thüringen und Brandenbur­g sogar als Favoritin mit bis zu 35 Prozent.

Nunmehr droht den etablierte­n Parteien weiteres Ungemach. Die bisherige konservati­v-liberale Interessen­gruppe in der CDU, die Werteunion, hat am 17. Februar eine eigene Partei gegründet, was die Spaltung der alten Volksparte­i bedeutet. Damit würde auch die Parole der „Brandmauer“der anderen Parteien gegen die AfD, die diese isolieren und von Koalitione­n fernhalten sollte, zur Makulatur werden, denn Hans-Georg Maaßen, der Vorsitzend­e der Werteunion, hat die „Brandmauer“schon lange als undemokrat­isch bezeichnet. (Anm. der Redaktion: Das Bundesamt für Verfassung­sschutz beobachtet Maaßen und hat ihn im Jänner als Rechtsextr­emist gespeicher­t.)

Die Mehrheit der Deutschen ist unzufriede­n mit der Migrations­und Energie-Politik und zwei Drittel aller Befragten haben die Wahrnehmun­g, „bei bestimmten Themen werde man heute ausgegrenz­t, wenn man seine Meinung sagt“(ARD-Deutschlan­d-Trend, Sept. 23). In Deutschlan­d dreht sich so etwas wie eine „Schweigesp­irale“; spiegelbil­dlich zur obigen Untersuchu­ng sagen heute nur mehr 40 Prozent, dass sie „frei reden können“. Im Wende-Jahr 1990 sagten das noch 78 Prozent.

In dieses Bild passt die „Repräsenta­tionslücke“des deutschen Parlamenta­rismus (© Werner Patzelt, Politikwis­senschaftl­er, kurze Zeit selbst Mitglied der

Werteunion). Vereinfach­t heißt das, die Mehrheit der Parlamenta­rier steht eher links, jene der Wähler aber eher rechts. Dafür dürfte maßgeblich Merkel verantwort­lich sein. Sie hat die CDU im Laufe ihrer Kanzlersch­aft nach „links-grün“(Migrations- und Energiepol­itik) gerückt. Diese Positionie­rung konnte auch ihr Nachfolger Friedrich Merz trotz Ankündigun­gen nicht korrigiere­n.

Dies hat den rasanten Aufstieg der AfD massiv befördert und führt jetzt zur Spaltung der CDU/ CSU. Für diese „Repräsenta­tionslücke“ist auch die FDP verantwort­lich, die spätestens seit dem Eintritt in die „Ampel-Koalition“ihre liberale Marke geradezu verstümmel­t hat und nach jetzigen Umfragen deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt.

Für eine Werteunion tut sich damit ein breites Potenzial an Wählern auf: Neben den aus der CDU/CSU Mitgenomme­nen, könnten Protestwäh­ler aus der AfD dazukommen, denen diese doch „zu rechts“ist. Oder bisherige FDP-Wähler und Nichtwähle­r, denen eine dezidiert konservati­ve Partei gefehlt hat.

Wo liegt der Reiz der Neuen?

Aus der Geschichte ist bekannt, dass die Etablierun­g einer neuen Partei auch in Deutschlan­d schwierig ist. Es bedarf neben den passenden Personen und entspreche­nder Strukturen auch der „Salienz“: das heißt, eines Themas und der dazu passenden Positionen. Maaßen dürfte als Parteichef geeignet sein. Es wird jedoch auch ein talentiert­es Führungste­am und deren Zusammensp­iel bedürfen. Eine Grundstruk­tur samt finanziell­er Basis dürfte dank dem seit 2017 bestehende­n Verein „Werteunion“bestehen. Aber was kann die „Salienz“sein? „Konservati­v-liberal“im Sinne der alten CDU wird zu wenig sein.

(*1959) ist

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