Die SPÖ weiß nicht, was sie will. Kein Parteichef ist der richtige
Endlich bewiesen: Die Genossen haben kein Problem mit Frauen. Andreas Babler wird das Leben genauso schwer gemacht wie seiner Vorgängerin.
Für potenzielle Wähler der SPÖ ist das Angebot zuletzt etwas unübersichtlich geworden. Deshalb eine kurze Zusammenfassung der von sozialdemokratischen Fachkräften geäußerten Pläne – etwa zum Themenkomplex Regierungsbildung: Peter Kaiser, Landeshauptmann von Kärnten, wünscht sich nach der Wahl eine Koalition mit der ÖVP. Sein burgenländischer Amtskollege, Hans Peter Doskozil, sieht das anders; er will nicht den „Steigbügelhalter“für die Volkspartei abgeben. Eine Zusammenarbeit mit der FPÖ möchte Doskozil dagegen „nicht per se“ausschließen. Der niederösterreichische Landesgeschäftsführer Wolfgang Zwander hat überhaupt keine Berührungsängste und möchte die Hände „in alle Richtungen“ausstrecken. Und was sagt der Parteichef? Er will weder mit der ÖVP noch mit der FPÖ regieren, aber das interessiert in der SPÖ derzeit niemanden so richtig.
Ähnliches gilt für die Asylpolitik. Andreas Babler war nie ein Vertreter einer harten Linie und würde jetzt am liebsten gar nicht mehr über illegale Migration reden. Dummerweise gibt es in seiner Partei trotzdem Diskussionsbedarf. Hans Peter Doskozil hat eine Obergrenze von zehntausend Asylanträgen pro Jahr ins Spiel gebracht. Mehr sei nicht zu bewältigen, meint er. Dem Tiroler SPÖ-Chef, Georg Dornauer, ist das nicht streng genug: „Mit mir kann man sogar diskutieren, ob die Asylobergrenze für die kommenden Jahre nicht null sein sollte in Österreich“, erklärte er vor ein paar Tagen im „Standard“.
Darf der Parteichef wenigstens in Wirtschaftsfragen den Kurs vorgeben? Ja klar, es folgen ihm bloß nicht alle. Der mächtige Gewerkschafter Josef Muchitsch ließ jüngst in der „Kleinen Zeitung“durchblicken, dass er sich weder für die 32-Stunden-Woche noch für das Herzensprojekt des Vorsitzenden, die Vermögensteuer, vor einen Zug werfen würde. Auch der von Babler ausgerufene Kampf gegen die Armut geht Muchitsch schon erkennbar auf die Nerven: „Ich mag keine Neiddebatten. Wer ist reich?
Wer ist arm? Niemand will arm genannt werden.“
Die Kakofonie tut der Sozialdemokratie nicht gut, da sind sich alle Experten einig. Tatsächlich liegen die Genossen ja nicht bloß bei Details auseinander, sondern können sich in wesentlichen Sachfragen nicht einigen. Es ist also nicht klar, welche SPÖ in diesem Wahljahr um Stimmen wirbt. Die von Andreas Babler? Oder irgendeine andere Neigungsgruppe?
Aber vielleicht sollte man das Durcheinander nicht ausschließlich negativ bewerten. Den Quälgeistern in der SPÖ ist in den vergangenen Monaten auch etwas gelungen. Mit vereinten Kräften wurde ein Vorwurf entkräftet, der links der Mitte besonders schwer wiegt – jener der Frauenfeindlichkeit: Die ehemalige Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner sei vor allem daran gescheitert, dass die Machos in der SPÖ eine Frau an der Spitze einfach nicht respektieren konnten, hieß es sowohl in als auch außerhalb der Partei. Wann immer die üblichen Verdächtigen an Rendi-Wagners Programm oder ihren Auftritten herumnörgelten, kam dieses Argument. Die Parteichefin hat es irgendwann sogar selbst geglaubt.
Ein bisschen billig hat diese Erklärung schon immer gewirkt. Und jetzt zeigt sich, wie falsch sie war. Andreas Babler – ohne Zweifel ein Mann – wird das Leben mindestens genauso schwer gemacht wie einst seiner Vorgängerin. Die Genossen haben also kein Problem mit Frauen, sie haben nur eins mit ihren Parteivorsitzenden.
Ohne den Umweg über das feministische Schmollwinkerl wäre wohl früher klar geworden, wie tief die Brüche in der SPÖ gehen. Pamela Rendi-Wagner war keine Idealbesetzung, Andreas Babler ist es wahrlich auch nicht. Doch für eine Partei, die nicht weiß, was sie wollen soll, gibt es keine perfekte Nummer eins. Bei Gelegenheit wird die SPÖ klären müssen, wofür sie steht. Sonst ist Andreas Babler nicht der letzte Chef, dem alle dreinreden.
Darf der Parteichef in Wirtschaftsfragen den Kurs vorgeben? Ja klar, es folgen ihm bloß nicht alle.