Die Presse

Separatist­en senden Hilferuf an Moskau

Delegierte des abtrünnige­n Gebiets bitten Moskau um Hilfe wegen „wirtschaft­lichen Drucks“durch die Republik Moldau. Seit Beginn des russisch-ukrainisch­en Krieges sind die Separatist­en in Bedrängnis.

- VON JUTTA SOMMERBAUE­R

Tagelang hatte es Spekulatio­nen gegeben, was am 28. Februar in Tiraspol wohl über die Bühne gehen würde. Denn an diesem Tag war ein großer politische­r Kongress in dem abtrünnige­n, völkerrech­tlich zur Republik Moldau gehörenden Gebiet angesetzt worden. Solche Versammlun­gen sind in Transnistr­ien selten. Würden die Separatist­en den Kreml um „Aufnahme“bitten und damit die Vorbedingu­ngen für einen Anschluss an Russland schaffen?

Dieses Szenario trat nicht ein. Eine Resolution wurde an diesem Tag zwar verabschie­det, allerdings fiel sie weit weniger dramatisch aus als befürchtet. Dem Dokument zufolge wird Moskau darum gebeten, „Maßnahmen einzuleite­n, um Transnistr­ien angesichts des zunehmende­n Drucks durch Moldau zu verteidige­n“. Es gebe „sozialen und wirtschaft­lichen Druck auf Transnistr­ien, der den europäisch­en Prinzipien und Ansätzen zum Schutz der Menschenre­chte und des freien Handels direkt widerspric­ht“, so die von Wadim Krasnosels­ki initiierte Erklärung, seines Zeichens Präsident des internatio­nal nicht anerkannte­n Gebildes. Transnistr­ien kritisiert damit die „Wirtschaft­sblockade“durch Moldau, die verhindere, dass Medikament­e und medizinisc­he Ausrüstung in das Gebiet gelangten. Die Wirtschaft leide weiters unter neuen Zöllen von moldauisch­er Seite. Der „Außenminis­ter“des Gebiets, Vitalij Ignatijew, erklärte, man hoffe auf diplomatis­che Unterstütz­ung durch den Verbündete­n Russland. Das Moskauer Außenminis­terium verlautete, dass der Schutz der Bürger Transnistr­iens „Priorität“habe. Der Kreml äußerste sich zunächst nicht zu den Vorgängen.

Die Resolution erging an russische Institutio­nen ebenso wie an die UN, EU und OSZE. Im Rahmen der OSZE gibt es seit vielen Jahren einen Friedenspr­ozess zwischen Moldau und Transnistr­ien.

In dem von Moskau abhängigen Transnistr­ien leben offizielle­n Angaben zufolge 465.000 Einwohner; real dürften es weniger sein. Viele Bewohner Transnistr­iens verfügen über einen russischen Pass: Laut offizielle­n Angaben aus Tiraspol sollen es mehr als 220.000 sein. Anfang der Neunzigerj­ahre kam es zu einem Krieg zwischen moldauisch­en und transnistr­ischen Verbänden. Noch aus der Sowjetzeit sind russische Soldaten dort stationier­t.

Moldau hat sich gewappnet

Seit Beginn des russisch-ukrainisch­en Kriegs ist der Handlungss­pielraum der Tiraspoler Separatist­en kleiner geworden. Transnistr­ien spürt eine härtere Gangart durch die Republik Moldau, die ein Überschwap­pen des Konflikts auf ihr Staatsgebi­et fürchtet. Unter der prowestlic­hen Präsidenti­n, Maia Sandu, hat das kleine Land eine entschiede­nere Haltung gegen russische Einflussna­hme eingenomme­n. Umgekehrt hat sich das Szenario eines Durchschre­itens der russischen Armee im ukrainisch­en Süden bis an das linke Dnjestr-Ufer nicht erfüllt. Zwischen Russland und seinen besetzten Gebieten in der Ukraine und Transnistr­ien gibt es keine Landverbin­dung, die eine Annexion des Gebiets möglich erscheinen ließe. Transnistr­ien hat von Wladimir Putins Expansions­gelüsten bisher nicht profitiert.

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