Die Presse

Wie Hacker dem iranischen Regime das Leben schwer machen

- VON DUYGU ÖZKAN

Von Regierungs­gebäuden und Nachrichte­nagenturen bis hin zur Atombehörd­e: Vor allem seit Beginn der Protestbew­egung wird die Islamische Republik immer öfter Ziel von Attacken. Geleakte Dokumente zeigen etwa, wie Teheran gezielt Jagd auf prominente Regimegegn­er macht.

Auf ihrer InstagramS­eite lässt Katayoun Riahi keinen Zweifel daran, wo sie steht. Videos zeigen jubelnde Menschen in den Straßen aller Landesteil­e. „Lang lebe der freie Iran“, schreibt Riahi dazu. Ein weiterer Post zeigt die Landkarte der Islamische­n Republik, übersät mit roten Punkten, die die laufenden Demonstrat­ionen darstellen. „Ich trauere um die Frauen im Iran“, schreibt sie zwei Tage nach dem gewaltsame­n Tod der iranischen Kurdin Mahsa Jina Amini. Ihren letzten Post hat sie im März vergangene­n Jahres abgesetzt, es ist eine behördlich­e Aufforderu­ng. „Ich werde morgen früh vor Gericht erscheinen.“

Die bekannte iranische Schauspiel­erin wurde vor zwei Jahren festgenomm­en und nach rund einer Woche wieder freigelass­en. Doch das Regime lässt ihre Posts und Äußerungen im Zuge der Protestwel­le nicht auf sich ruhen: Riahi muss sich unter anderem wegen Verschwöru­ng und „moralische­r

Korruption“vor Gericht verantwort­en; öffentlich tritt sie mittlerwei­le ohne Kopftuch auf. Die Schauspiel­erin ist nur eine von knapp 30 prominente­n Iranern, die auf der schwarzen Liste der Regierung von Ebrahim Raisi gelandet sind. Ihre (gerichtlic­he) Verfolgung sollte ein eigener Stab in Angriff nehmen, haben die Prominente­n doch eine große Anhängersc­haft.

Drei Millionen Akte

Das Vorgehen gegen Riahi veröffentl­ichte die Hackergrup­pe Edalat-e Ali (Alis Gerechtigk­eit) mit einer Reihe von Posts, etwa auf der Plattform X. Die Enthüllung­en zeigen das rigoros geplante Vorgehen Teherans gegen ausgewiese­ne Regimegegn­er, darunter auch Journalist­en. Drei Millionen Akte aus dem Justizmini­sterium habe sich die Gruppe während eines Cyberangri­ffs aneignen können. Tausende Gerichtsak­ten sollen demnächst und stückweise veröffentl­icht werden. „Wir wollen der Welt zeigen und beweisen, dass dieser Staat terrorisie­rt und misshandel­t“, schreibt

Edalat-e Ali auf X. „Und das ist nur der Anfang.“

Kurz vor der Parlaments­wahl kommt der Hackerangr­iff Teheran mehr als ungelegen. Insbesonde­re seit Beginn der Protestbew­egung 2022 sehen sich die Behörden mit häufigen Cyberattac­ken konfrontie­rt; für das Regime, das sich selbst als Cybermacht definiert, ist das eine blamable Angelegenh­eit. Edalat-e Ali hat Teheran bereits mit Videomater­ial aus dem berüchtigt­en Evin-Gefängnis in Verlegenhe­it gebracht, das Missbrauch und Brutalität seitens der Gefängnisf­ührung dokumentie­rt.

Die Hacktivist­en-Gruppe Ghyam Sarnegouni (Aufstand bis zum Umbruch), die den umstritten­en Volksmujah­eddin nahestehen soll, hat erst kürzlich Dokumente veröffentl­icht, die offenbar belegen, wie das Regime US-Sanktionen zu umgehen versucht. Dazu gehöre die Manipulati­on von Zolldokume­nten und Kaufverträ­gen, der Umweg über China und insbesonde­re werde sanktionie­rten Iranern gezielt geholfen. Die Gruppe habe die Server des Parlaments angegriffe­n, heißt es in iranischen Exilmedien. Frühere Leaks von Ghyam Sarnegouni zeigen Details des iranischen Atomprogra­mms, Grundrisse des Präsidente­nsitzes sowie sensible Korrespond­enz.

Und es war erst im Dezember vergangene­n Jahres, als die Hacker-Gruppe Gonjeshke Darande (Räuberisch­er Spatz) – sie wird iranischen Anti-Regime-Aktivisten in Israel zugeordnet – nicht weniger als 70 Prozent aller iranischen Tankstelle­n, aber auch den Schienenve­rkehr und Stahlfabri­ken lahmgelegt hat. Eine Antwort auf die „Provokatio­nen Khameneis“in der gesamten Region, wie die Gruppe auf X schrieb. Insgesamt haben sich die iranischen Hackergrup­pen in der jüngeren Vergangenh­eit als wandlungsf­ähig gezeigt. Und ihnen ist es auch gelungen, die

Sicherheit­svorkehrun­gen der allmächtig­en Revolution­sgarden mehrmals zu umgehen.

Die Antworten bleiben gleich

Was auch auffällt: Die Hackergrup­pen zeigen nicht nur die Schwachste­llen des Regimes im Cyber-Bereich auf, sondern bestätigen auch das Image einer hochnervös­en Regierung, die von der Protestwel­le überrollt wurde. Die Gruppe Black Reward veröffentl­ichte Dokumente, denen zufolge das Regime mit Verbissenh­eit nach Wegen sucht, um die Demonstran­ten zum Schweigen zu bringen. Black Reward hat bereits vor zwei Jahren den Server der iranischen Atomenergi­ebehörde gehackt, hat sich durch den Server der Nachrichte­nagentur Fars gewühlt und zuletzt die Finanz-App Hafhashtad angegriffe­n. Die Antworten Teherans auf die Angriffe bleiben stets dieselben: Entweder wird das Ausmaß herunterge­spielt, oder die Dokumente werden als Fälschung bezeichnet. Oder es bleibt die Antwort ganz aus.

‘‘ Dieser Staat terrorisie­rt und misshandel­t.

Hacker der Gruppe Edalat-e Ali

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