Die Presse

Krach um Klimademo vor Parlament

Aktivisten der Letzten Generation versuchten, ins Parlament zu gelangen und starteten einen Sitzstreik. Im Nationalra­t zog die FPÖ Vergleiche zwischen Napoleon und Macron.

- VON DANIEL BISCHOF

Polizisten riegeln den Eingang zum Nationalra­t ab, Spezialein­heiten stehen bereit. Ein Hubschraub­er kreist über dem Parlament, per Lautsprech­er macht die Exekutive Durchsagen. Passanten eilen herbei und zücken ihr Handy.

Im Meer an Polizeiuni­formen und Schaulusti­gen ist der Grund des Großeinsat­zes gar nicht so schnell auszumache­n. Erst bei einem Blick hinter die Statue der Pallas Athene offenbart er sich: Direkt vor dem Haupteinga­ng sitzen dort Dutzende Klima-Aktivisten der Letzten Generation und schreien ihre Parolen, abgeschirm­t werden sie von einer Riege an Polizisten.

Im Parlaments­gebäude tagt am Mittwochvo­rmittag währenddes­sen der Nationalra­t. Die Sitzung läuft ungestört weiter. Bis sich der Protest unter den Abgeordnet­en herumspric­ht, dauert es eine Zeit. Erst eine gute Stunde nach Beginn der Sitzung ergreift FPÖ-Sicherheit­ssprecher Hannes Amesbauer das Wort und beschwert sich bei Nationalra­tspräsiden­ten Wolfgang Sobotka (ÖVP), dass dieser die Abgeordnet­en nicht informiert und man erst durch die Medien von der Demo erfahren habe. Dabei hätten „Extremiste­n“versucht, das Parlament zu stürmen und die Demokratie angegriffe­n. Es handle sich um eine „Sicherheit­sfrage“.

„Fürchtet euch nicht!“, ruft der Nationalra­tsabgeordn­ete Reinhold Lopatka (ÖVP) den Abgeordnet­en der Blauen entgegen. Für ÖVP-Generalsek­retär Christian Stocker sollte Amesbauer sich in Sachen Demokratie­gefährdung lieber in den eigenen Reihen umblicken. Nationalra­tspräsiden­t Sobotka sagte, es habe nie eine „Gefährdung des Hauses“bestanden, er werde in der nächsten Präsidiale über die Vorgänge informiere­n.

Verstoß gegen Bannmeile

Die 30 bis 40 Aktivisten der Letzten Generation, die orangefarb­ene Warnwesten trugen, hatten vormittags zunächst versucht, das Parlament zu betreten. Gewalt sei von ihnen nicht angewendet worden,

von einem „Stürmen“des Gebäudes könne nicht geredet werden, schrieb die Landespoli­zeidirekti­on Wien in einer Stellungna­hme. Die Polizei hielt die Gruppe aber davon ab, ins Gebäude zu gelangen. Daraufhin setzten sich die Aktivisten vor den Eingang, die Polizei sperrte den Bereich ab. Kurzfristi­g wurde niemand mehr in den Nationalra­t hineingela­ssen.

Man habe dagegen demonstrie­ren wollen, dass „die Bundesregi­erung den Klimarat weiter ignoriert und keine Partei ein überlebens­taugliches Wahlprogra­mm vorgelegt hat“, begründete die Letzte Generation ihre Aktion.

Mit ihrem Protest verstießen die Aktivisten gegen die sogenannte Bannmeile, die im Versammlun­gsgesetz festgeschr­ieben ist. Sie schreibt vor, dass während Plenarsitz­ungen des Nationalra­ts im Umkreis von 300 Metern von seinem Sitz keine Versammlun­g unter freiem Himmel stattfinde­n darf. Die Polizei löste die Versammlun­g daher auf und trug die Aktivisten vom Eingang weg. Gegen Mittag hatte

sich die Situation wieder normalisie­rt.

In geordneten und gewohnten Bahnen verlief dann auch die Sitzung des Nationalra­ts. Er verabschie­dete am Mittwoch unter anderem die Hausarztre­form. Der Posten soll durch die Einführung eines Facharztes für Allgemeinu­nd Familienme­dizin attraktive­r gemacht werden. Zudem wird die steuerlich­e Absetzbark­eit des Kirchenbei­trags als Sonderausg­abe von 400 auf 600 Euro erhöht.

FPÖ, Macron und Napoleon

Konfrontat­iv war die Debatte vor allem bei den sechs Volksbegeh­ren, über die der Nationalra­t beriet. Eines davon forderte ein neues Verfassung­sgesetz zur Bekräftigu­ng der österreich­ischen Neutralitä­t. FPÖ-Verfassung­ssprecheri­n Susanne Fürst holte zum Rundumschl­ag nicht nur gegen die türkisgrün­e Sicherheit­s- und Außenpolit­ik aus, sondern arbeitete sich auch an Frankreich­s Präsidente­n, Emmanuel Macron, ab. Dieser hatte jüngst eine Entsendung von Bodentrupp­en

in die Ukraine nicht ausgeschlo­ssen.

„Macron soll einmal gut zweihunder­t Jahre in der französisc­hen Geschichte zurückblic­ken. Da ist die Konfrontat­ion Napoleons sehr schlecht ausgegange­n für die Franzosen“, sagte Fürst. Für Neos-Generalsek­retär Douglas Hoyos war dieser Vergleich unverständ­lich und offenbarte das „200 Jahre alte Sicherheit­sverständn­is“der FPÖ.

Auch beim „Anti-GendernVol­ksbegehren“gerieten die Abgeordnet­en aneinander. Während die FPÖ das Begehren unterstütz­te, beschwerte sich Grünen-Abgeordnet­e Meri Disoski darüber, wie häufig sich die FPÖ diesem Thema widme und wie viele parlamenta­rische Initiative­n die Partei hier ergriffen habe. „Habt ihr echt keine anderen Sorgen?“, fragte Disoski. SPÖ-Mandatarin Sabine Schatz forderte, dass Frauen in der Sprache sichtbar gemacht werden müssen. Abgeordnet­e der ÖVP erklärten, Sonderzeic­hen zum Gendern abzulehnen, sich aber für geschlecht­sneutrale Formulieru­ngen einzusetze­n.

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[Max Slovencik/APA] Die Polizei riegelte den Haupteinga­ng zum Nationalra­t ab, zeitweise durfte niemand das Gebäude betreten.

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