Der Zins-Bumerang für den Staat
Auch für den Staat steigen die Zinsen. Langfristig erhöht das den Schuldendruck deutlich, zeigt eine Studie.
Die seit Sommer 2022 rasant gestiegenen Zinsen treiben vielen Inhabern variabel verzinster Kredite die Sorgenfalten auf die Stirn. Betroffen sind davon nicht nur private Häuslbauer, sondern auch Unternehmen – mit dem gestrauchelten Signa-Konzern als prominentestem Beispiel. Der größte Schuldner des Landes, der Staat, blieb bislang jedoch relativ entspannt. Denn Staatsanleihen sind ja mit einem Fixzins vergeben. Daher habe die Republik sich die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre auf lange Zeit gesichert, heißt es.
Und aktuell stimmt das auch. So konnte Österreich im Jahr 2022 einen historischen Tiefstand bei den Zinsausgaben verzeichnen. Lediglich 1,9 Prozent der Staatseinnahmen wurden in diesem Jahr für Zinsen ausgegeben, so eine Studie des liberalen Thinktanks Agenda Austria. Deutlich weniger als noch zur Jahrtausendwende, als dieser Wert noch bei über sieben Prozent lag. Die Studienautoren nehmen als Vergleichsbasis die Staatseinnahmen und nicht das Bruttoinlandsprodukt (BIP), da der Staat ja auch nur auf die Staatseinnahmen direkten Zugriff hat.
Finanzierungskosten steigen
Allerdings bewegt sich das Zinsniveau bei neu aufgenommenen Schulden seither stark nach oben. So konnte sich Österreich in den Jahren 2020 und 2021 sogar negativ verschulden – die Republik erhielt also mehr Geld von den Gläubigern, als sie diesen nach Ablauf der meist zehnjährigen Laufzeit der Staatsanleihen zurückzahlen muss. Inzwischen sind diese Zinskosten bei neuen Schulden wieder auf 3,1 Prozent angestiegen – also etwa jenen Wert, den Österreich im Jahr 2010 zahlen musste.
Das macht sich auch in den gesamten Finanzierungskosten bemerkbar. Im Vorjahr gab Österreich laut der Studie bereits wieder 2,5 Prozent der Staatseinnahmen für Zinszahlungen aus. Im EU-Vergleich stand das Land damit gut da. So liegt der Durchschnitt in der Eurozone bei 3,7 Prozent, der Spitzenreiter Italien gar bei 7,9 Prozent (siehe Grafik). Gerade mit Italien vergleicht die Agenda Austria jedoch Österreich in ihrer Studie. So drohe der Republik langfristig eine ähnliche Schuldenproblematik wie Italien.
Auf den ersten Blick ist das ein etwas überzogener Vergleich, der von den Studienautoren allerdings folgendermaßen erklärt wird: „Mit dem Negativzinsumfeld wurde den Regierungen Europas Zeit gekauft, ihre Schuldenstände zu senken. Das ist aber nicht passiert“, sagt Agenda-Ökonom Dénes Kucsera. Da in den kommenden Jahren jedoch etwa die demografischen Kosten für den Staat aufgrund steigender Lebenserwartung, fehlender Reformen im Pensionssystem und Überalterung der Bevölkerung deutlich zunehmen, dürfte der Schuldenstand vom derzeitigen Niveau von etwa 76,3 Prozent des BIPs langfristig deutlich steigen. Laut der Langfristprognose des Finanzministeriums soll er bis 2060 auf etwa 120 Prozent des BIPs ansteigen, „Die Presse“berichtete.
2060 deutlich über Italien
Dieser Anstieg wird langfristig auch entscheidende Auswirkungen auf die Schuldenkosten der Republik haben. So werden laut Berechnungen der Agenda Austria die Zinskosten bis zum Jahr 2060 auf zwischen 9,4 und 14,1 Prozent der Staatseinnahmen ansteigen. Damit würde Österreich zu diesem Zeitpunkt nicht nur über den aktuellen Werten Italiens liegen, sondern auch über jenem Wert, der für unser südliches Nachbarland für das Ende dieser Dekade mit rund zehn Prozent angenommen wird. In Österreich sollen die Zinskosten bis dahin wieder auf über vier Prozent der Staatseinnahmen angestiegen sein.
Wie stark sich ein höherer Schuldenstand bei gleichzeitig höheren Schulden auswirkt, rechnen die Studienautoren ebenfalls vor. So heißt es: „Müssten die genannten Staaten ihre Schulden aus dem Jahr 2023 mit den Zinssätzen des Jahres 2007 begleichen, dann lägen die Refinanzierungskosten für Österreich nicht mehr bei 2,5 Prozent, sondern bei knapp 7,5 Prozent der Staatseinnahmen.“Ohne eine Ausweitung der Neuverschuldung würde das für Österreich bedeuten, dass beispielsweise die Staatsausgaben für Bildung um die Hälfte gekürzt oder die Ausgaben für Verteidigung, Umweltschutz sowie öffentliche Ordnung und Sicherheit komplett gestrichen werden müssten.
Steigende Zinsen bei gleichzeitig steigenden Schulden bereiten auch anderswo Sorgen. So zeigte etwa der Fiskalrat jüngst auf, dass das strukturelle Defizit Österreichs bis zum Jahr 2027 bei knapp zwei Prozent liegen wird. Eine Situation, die ihn mit Sorge erfülle, so Fiskalratspräsident Christoph Badelt.