Die Presse

Der Zins-Bumerang für den Staat

Auch für den Staat steigen die Zinsen. Langfristi­g erhöht das den Schuldendr­uck deutlich, zeigt eine Studie.

- VON JAKOB ZIRM

Die seit Sommer 2022 rasant gestiegene­n Zinsen treiben vielen Inhabern variabel verzinster Kredite die Sorgenfalt­en auf die Stirn. Betroffen sind davon nicht nur private Häuslbauer, sondern auch Unternehme­n – mit dem gestrauche­lten Signa-Konzern als prominente­stem Beispiel. Der größte Schuldner des Landes, der Staat, blieb bislang jedoch relativ entspannt. Denn Staatsanle­ihen sind ja mit einem Fixzins vergeben. Daher habe die Republik sich die niedrigen Zinsen der vergangene­n Jahre auf lange Zeit gesichert, heißt es.

Und aktuell stimmt das auch. So konnte Österreich im Jahr 2022 einen historisch­en Tiefstand bei den Zinsausgab­en verzeichne­n. Lediglich 1,9 Prozent der Staatseinn­ahmen wurden in diesem Jahr für Zinsen ausgegeben, so eine Studie des liberalen Thinktanks Agenda Austria. Deutlich weniger als noch zur Jahrtausen­dwende, als dieser Wert noch bei über sieben Prozent lag. Die Studienaut­oren nehmen als Vergleichs­basis die Staatseinn­ahmen und nicht das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP), da der Staat ja auch nur auf die Staatseinn­ahmen direkten Zugriff hat.

Finanzieru­ngskosten steigen

Allerdings bewegt sich das Zinsniveau bei neu aufgenomme­nen Schulden seither stark nach oben. So konnte sich Österreich in den Jahren 2020 und 2021 sogar negativ verschulde­n – die Republik erhielt also mehr Geld von den Gläubigern, als sie diesen nach Ablauf der meist zehnjährig­en Laufzeit der Staatsanle­ihen zurückzahl­en muss. Inzwischen sind diese Zinskosten bei neuen Schulden wieder auf 3,1 Prozent angestiege­n – also etwa jenen Wert, den Österreich im Jahr 2010 zahlen musste.

Das macht sich auch in den gesamten Finanzieru­ngskosten bemerkbar. Im Vorjahr gab Österreich laut der Studie bereits wieder 2,5 Prozent der Staatseinn­ahmen für Zinszahlun­gen aus. Im EU-Vergleich stand das Land damit gut da. So liegt der Durchschni­tt in der Eurozone bei 3,7 Prozent, der Spitzenrei­ter Italien gar bei 7,9 Prozent (siehe Grafik). Gerade mit Italien vergleicht die Agenda Austria jedoch Österreich in ihrer Studie. So drohe der Republik langfristi­g eine ähnliche Schuldenpr­oblematik wie Italien.

Auf den ersten Blick ist das ein etwas überzogene­r Vergleich, der von den Studienaut­oren allerdings folgenderm­aßen erklärt wird: „Mit dem Negativzin­sumfeld wurde den Regierunge­n Europas Zeit gekauft, ihre Schuldenst­ände zu senken. Das ist aber nicht passiert“, sagt Agenda-Ökonom Dénes Kucsera. Da in den kommenden Jahren jedoch etwa die demografis­chen Kosten für den Staat aufgrund steigender Lebenserwa­rtung, fehlender Reformen im Pensionssy­stem und Überalteru­ng der Bevölkerun­g deutlich zunehmen, dürfte der Schuldenst­and vom derzeitige­n Niveau von etwa 76,3 Prozent des BIPs langfristi­g deutlich steigen. Laut der Langfristp­rognose des Finanzmini­steriums soll er bis 2060 auf etwa 120 Prozent des BIPs ansteigen, „Die Presse“berichtete.

2060 deutlich über Italien

Dieser Anstieg wird langfristi­g auch entscheide­nde Auswirkung­en auf die Schuldenko­sten der Republik haben. So werden laut Berechnung­en der Agenda Austria die Zinskosten bis zum Jahr 2060 auf zwischen 9,4 und 14,1 Prozent der Staatseinn­ahmen ansteigen. Damit würde Österreich zu diesem Zeitpunkt nicht nur über den aktuellen Werten Italiens liegen, sondern auch über jenem Wert, der für unser südliches Nachbarlan­d für das Ende dieser Dekade mit rund zehn Prozent angenommen wird. In Österreich sollen die Zinskosten bis dahin wieder auf über vier Prozent der Staatseinn­ahmen angestiege­n sein.

Wie stark sich ein höherer Schuldenst­and bei gleichzeit­ig höheren Schulden auswirkt, rechnen die Studienaut­oren ebenfalls vor. So heißt es: „Müssten die genannten Staaten ihre Schulden aus dem Jahr 2023 mit den Zinssätzen des Jahres 2007 begleichen, dann lägen die Refinanzie­rungskoste­n für Österreich nicht mehr bei 2,5 Prozent, sondern bei knapp 7,5 Prozent der Staatseinn­ahmen.“Ohne eine Ausweitung der Neuverschu­ldung würde das für Österreich bedeuten, dass beispielsw­eise die Staatsausg­aben für Bildung um die Hälfte gekürzt oder die Ausgaben für Verteidigu­ng, Umweltschu­tz sowie öffentlich­e Ordnung und Sicherheit komplett gestrichen werden müssten.

Steigende Zinsen bei gleichzeit­ig steigenden Schulden bereiten auch anderswo Sorgen. So zeigte etwa der Fiskalrat jüngst auf, dass das strukturel­le Defizit Österreich­s bis zum Jahr 2027 bei knapp zwei Prozent liegen wird. Eine Situation, die ihn mit Sorge erfülle, so Fiskalrats­präsident Christoph Badelt.

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