Warum Apple das „iCar“aufgibt
Kann Apple kein Elektroauto bauen? Waren die Erwartungen zu hoch? Die weltweite Absatzkrise hat Apple den Schritt, die Vision vom E-Auto aufzugeben, jedenfalls erleichtert.
Für ein Unternehmen wie Apple ist die Fallhöhe tief. Zehn Jahre hat der iPhone-Konzern unter Ausschluss der Öffentlichkeit an einem eigenen Elektroauto getüftelt. Das „iCar“war als „Next Big Thing“zuletzt für 2028 angekündigt worden und sollte den Automarkt revolutionieren, wie es das iPhone bei den Mobilfunkgeräten getan hat. Einfach nur ein weiteres Elektroauto auf die Straße zu bringen wäre für Apple-Gründer Steve Jobs nicht genug gewesen – und wohl auch nicht für Tim Cook, der das Unternehmen heute führt.
Seit Dienstagnacht ist klar: Auf diese Revolution muss die Welt nicht mehr warten. Apple zieht die Notbremse und verwirft seine Pläne. Die technischen Rückschläge, die das Unternehmen in der letzten Dekade erleben musste, sind nur ein Grund dafür. Auch die heikle Lage auf dem Elektroautomarkt machte Apple die Entscheidung letztlich leicht.
Zu teuer für den Massenmarkt
Denn während Apple seit 2014 unter dem Codenamen „Project Titan“im Verborgenen an seinem EAuto tüftelte, wagte sich neben Tesla und den etablierten Autobauern auch eine Armada an jungen E-Auto-Start-ups ins Geschäft mit den Stromboliden. Sie alle versprachen viel, fanden große Investoren wie etwa Amazon, die hohe Summen in Entwicklung und Produktion pumpten. Etliche gingen mit Pomp und Gloria an die Börse – und stehen jetzt vor dem Dilemma, dass niemand ihre Autos kaufen will.
Steigende Zinsen und die hohe Inflation haben das explosionsartige Wachstum der Branche vor al
lem in den USA jäh gestoppt. Im Herbst warnte E-Auto-Pionier Tesla vor turbulenten Zeiten. „Wir müssen unsere Autos billiger machen“, ließ Firmengründer Elon Musk die eigene Belegschaft, aber auch die Konkurrenz wissen. Tesla kappte seine Preise um 30 Prozent und hielt die Verkäufe so über Wasser, brachte die jungen Mitbewerber damit aber in ernste Schwierigkeiten.
Hoffnungsträger wie Rivian Automotive (mit Amazon im Hintergrund) und Lucid (mehrheitlich im Besitz des saudischen Staatsfonds) mussten ihre Wachstumspläne eindampfen und Mitarbeiter entlassen, ihr Firmenwert schwindet rapide. Vielen etablierten Automobilkonzernen geht es nicht besser: Ford verbrennt mit Elektroautos weiterhin Geld, General Motors, aber auch Tesla mussten ihre geplanten Expansionen bremsen, in Europa sieht es für Firmen wie Mercedes und Volvo nicht besser aus.
Schreckgespenst Trump
Dabei ist es keineswegs so, dass niemand mehr Elektroautos kaufen würde. Die Nachfrage steigt nach wie vor. Nur eben nicht mehr im zweistelligen Prozentbereich, wie es bis vor Kurzem üblich war – und viele Investoren weiter erwartet hatten. Die Aussicht auf einen möglichen US-Präsidenten Donald Trump erhöht die Unsicherheit gerade unter den amerikanischen Herstellern zusätzlich. Es ist also kein schlechter Moment für Apple, um sich aus diesem Markt zurückzuziehen.
Apple will KI statt Autos
Das gilt umso mehr, als das „Titan“Team von Beginn an mit technischen Problemen bei der Umsetzung der Visionen des Konzerns zu kämpfen hatte. Ursprünglich wollte Apple ein komplett autonom fahrendes Auto ohne Lenkrad und Pedale auf den Markt bringen. Davon verabschiedete sich das Unternehmen spätestens im Jahr 2016. Kurze Zeit sah es sogar danach aus, als würde Apple das Projekt gleich begraben.
Doch stattdessen adaptierte man das Ziel und arbeitete nur noch an einem „teilautonomen“Fahrzeug. Dass Apple nun auch diesen Plan aufgegeben hat, sorgt bei den Konkurrenten, aber auch bei manchen Aktionären des USKonzerns für Erleichterung. Verglichen mit anderen Zukunftsplänen des Unternehmens sei der Einstieg ins Autogeschäft immer „besonders weit hergeholt“gewesen, sagt Dan Morgan vom Apple-Aktionär Synovus Trust zum „Wall Street Journal“. „Das ist einfach nicht ihr Ding.“
Medienberichten zufolge soll ein Großteil der 2000 Apple-Mitarbeiter, die an „Titan“gearbeitet haben, nun in Projekten rund um künstliche Intelligenz eingesetzt werden.