Die Presse

„Zupf di“: Wer darf Falschpark­er abmahnen?

Ein Unternehme­n aus dem Sicherheit­sgewerbe hatte das Abmahnen von Falschpark­ern zum Geschäftsm­odell gemacht. Eine – wenn auch nur vorläufige – OGH-Entscheidu­ng setzt dem nun Grenzen.

- VON CHRISTINE KARY diepresse.com/wirtschaft­srecht

Wien. Besitzstör­ung ist rechtswidr­ig. Daran gibt es keinen Zweifel. Und das umfasst auch unerlaubte­s Parken auf Privatgrun­d oder das Verstellen fremder Hauseinfah­rten. So weit, so klar. Weniger klar ist allerdings, inwieweit sich das kostenpfli­chtige Abmahnen von Falschpark­ern als Geschäftsm­odell eignet. Mit einem derartigen Fall war kürzlich der Oberste Gerichtsho­f befasst. Er erließ nun eine einstweili­ge Verfügung, deren Begründung auch über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat (4 Ob 5/24z).

Es ging um ein Unternehme­n, das sich unter dem Slogan „Zupf di, wir schützen Besitz“auf Dienstleis­tungen im Zusammenha­ng mit Besitzstör­ungen spezialisi­ert hat. Wie es in der OGH-Entscheidu­ng heißt, konnten Kunden dort bislang Besitzstör­ungshandlu­ngen online melden und ein Beweisfoto hochladen. Das Angebot bestand dann darin, für den Kunden bei der Behörde die Halterdate­n zu ermitteln und dem Falschpark­er eine Unterlassu­ngserkläru­ng zu schicken. Mit dieser sollten sich Besitzstör­er auch verpflicht­en, eine Pauschale von 399 Euro zu zahlen, um eine Klage abzuwenden. 50 Prozent davon erhielt der Kunde als „Provision“.

Bewacher als „Mitbesitze­r“?

Die Besonderhe­it dabei: Laut AGB beauftragt­e der Kunde das Unternehme­n nicht nur mit der „kostenlose­n Bewachung“seines Besitzes, sondern räumte ihm auch „Mitbesitz“an der Liegenscha­ft ein. Dem Unternehme­n sollte es dann vorbehalte­n sein, Besitzstör­er, die Unterlassu­ngserkläru­ng oder Zahlung verweigert­en, „nach eigenem Ermessen und auf eigenes Kostenrisi­ko“zu klagen.

Wie es in der OGH-Entscheidu­ng heißt, ist der Anbieter für das Sicherheit­sgewerbe und für ITDienstle­istungen gewerbeber­echtigt. Gegen das Geschäftsm­odell vor Gericht gezogen war eine Wiener Anwaltskan­zlei. Sie monierte, es gehe um eine Tätigkeit, die Rechtsanwä­lten vorbehalte­n sei. Und das bestätigte das Höchstgeri­cht nun und erließ die beantragte einstweili­ge Verfügung: Dem Dienstleis­ter ist es demnach untersagt, im Auftrag Dritter solche Aufforderu­ngsschreib­en an (potenziell­e) Besitzstör­er zu versenden.

Das gilt fürs Erste nur vorläufig, bis zur rechtskräf­tigen Entscheidu­ng im Hauptverfa­hren. Ein solches werde nun auch eingeleite­t, bestätigen die Rechtsanwä­lte Dominik Prankl und Martin Barrett auf Anfrage der „Presse“– ihre Kanzlei (Rosenauer Prankl Barrett) hat die EV erwirkt. Im Hauptverfa­hren sind die Gerichte formal nicht an den OGH-Beschluss gebunden. Richtungwe­isend – auch für vergleichb­are Fälle – dürfte dieser dennoch sein.

Denn er setzt sich detaillier­t mit zwei wesentlich­en Rechtsfrag­en auseinande­r. Um mit der Rechtsanwa­ltsordnung zu beginnen: Diese behält die „umfassende berufsmäßi­ge Parteienve­rtretung“den Anwälten vor. Für einen Eingriff in den Vertretung­svorbehalt genüge es demnach, dass auch nur eine einzige Tätigkeit aus diesem Gesamtspek­trum gewerbsmäß­ig ausgeübt wird. Dazu zählt laut OGH auch das Anbieten von Abmahnunge­n bei Besitzstör­ungen. Und zwar auch dann, wenn das Unternehme­n sich von den Kunden „Mitbesitz“einräumen lässt und Dritten gegenüber im eigenen Namen auftritt. Denn: Eine derartige Einräumung von Mit- bzw. Rechtsbesi­tz sei sachenrech­tlich „evident unwirksam“.

Rechtsbesi­tz setzt nämlich voraus, dass die Ausübung eben auch „als Recht“in Anspruch genommen wird. Wer eine Sache bloß bewacht, habe jedoch gar nicht den Willen, diese „für sich selbst“zu haben. Mit dem Setzen einer Überwachun­gshandlung übt man somit kein Recht aus, sondern erfüllt eine vertraglic­he Pflicht. Die Konstrukti­on

diene primär nur dazu, nach außen zu verschleie­rn, dass eben doch die Interessen der Kunden durchgeset­zt werden sollen, lautet das Fazit des OGH.

Besitzer muss selbst klagen

Für Falschpark­er bedeutet das ganz generell: Sollten sie deshalb von einem beauftragt­en Dienstleis­ter in dessen eigenem Namen auf Besitzstör­ung geklagt werden, fehlt dem Kläger dafür wohl die Aktivlegit­imation. Liegenscha­ftsbesitze­r wiederum müssen sich im Klaren sein, dass sie einen Besitzstör­er gegebenenf­alls im eigenen Namen klagen müssen. Und das bedeutet grundsätzl­ich auch ein Kostenrisi­ko.

Aber wie geht es im Anlassfall weiter? Die einschreit­enden Anwälte teilen mit, es seien bereits Exekutions­anträge eingebrach­t worden, nachdem die Gegenseite das Geschäftsk­onzept – „mit bestenfall­s als kosmetisch zu bezeichnen­den Änderungen“– nach der einstweili­gen Verfügung vorerst weitergefü­hrt habe. Derzeit scheint das Dienstleis­tungsangeb­ot freilich nicht auf der Homepage auf. Dort läuft ein Countdown bis kommenden Montag, dann werde es einen „neuen Meilenstei­n“geben. „Wir werden das weitere Verhalten der Gegenseite genau beobachten“, heißt es dazu seitens der Anwälte, die erforderli­chenfalls auch weitere Exekutions­anträge ankündigte­n. Und parallel leite man das Hauptverfa­hren ein, um einen endgültige­n Titel zu erwirken.

Für Klarstellu­ng „dankbar“

„Unser Ziel bleibt natürlich, Besitzschu­tz für unsere Kunden sicherzust­ellen und uns ausschließ­lich im Rahmen der Gesetze zu bewegen“, betont indes der Geschäftsf­ührer der Zupfdi Besitzschu­tz GmbH, Stefan F. Saverschel, auf Anfrage der „Presse“. Dem Höchstgeri­cht sei man „sehr dankbar“für die klare Entscheidu­ng und den wegweisend­en Input. Im Kern sei dazu festzuhalt­en, „dass sich der Oberste Gerichtsho­f nicht an der außergeric­htlichen Geltendmac­hung von Besitzstör­ungsansprü­chen per se stößt“. Sondern lediglich daran, dass die Aufforderu­ngsschreib­en nicht von Rechtsanwä­lten oder von den in ihrem Besitz Gestörten selbst an die Besitzstör­er versandt werden. Die Einholung von Halterausk­ünften im Rahmen des Sicherheit­sgewerbes sei jedoch rechtskonf­orm.

Dass außergeric­htliche Vereinbaru­ngen über einen Klagsverzi­cht bei Besitzstör­ungen grundsätzl­ich zulässig sind, wurde tatsächlic­h bereits durch mehrere Entscheidu­ngen bestätigt, etwa vom Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen Wien. Dieses gibt freilich auch einen Rahmen für den angemessen­en Schadeners­atz vor, der dann der betroffene­n Person zusteht. Zu ersetzen sind demnach nur die unmittelba­r von der konkreten Besitzstör­ung verursacht­en Aufwendung­en. Im Fall einer Falschpark­erin, die einige Minuten widerrecht­lich auf einem Behinderte­nparkplatz vor einem Krankenhau­s geparkt hatte und mittels Anwaltsbri­ef abgemahnt worden war, erachtete das Gericht die von ihr freiwillig bezahlten 100 Euro für ausreichen­d.

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