„Zupf di“: Wer darf Falschparker abmahnen?
Ein Unternehmen aus dem Sicherheitsgewerbe hatte das Abmahnen von Falschparkern zum Geschäftsmodell gemacht. Eine – wenn auch nur vorläufige – OGH-Entscheidung setzt dem nun Grenzen.
Wien. Besitzstörung ist rechtswidrig. Daran gibt es keinen Zweifel. Und das umfasst auch unerlaubtes Parken auf Privatgrund oder das Verstellen fremder Hauseinfahrten. So weit, so klar. Weniger klar ist allerdings, inwieweit sich das kostenpflichtige Abmahnen von Falschparkern als Geschäftsmodell eignet. Mit einem derartigen Fall war kürzlich der Oberste Gerichtshof befasst. Er erließ nun eine einstweilige Verfügung, deren Begründung auch über den Einzelfall hinaus Bedeutung hat (4 Ob 5/24z).
Es ging um ein Unternehmen, das sich unter dem Slogan „Zupf di, wir schützen Besitz“auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit Besitzstörungen spezialisiert hat. Wie es in der OGH-Entscheidung heißt, konnten Kunden dort bislang Besitzstörungshandlungen online melden und ein Beweisfoto hochladen. Das Angebot bestand dann darin, für den Kunden bei der Behörde die Halterdaten zu ermitteln und dem Falschparker eine Unterlassungserklärung zu schicken. Mit dieser sollten sich Besitzstörer auch verpflichten, eine Pauschale von 399 Euro zu zahlen, um eine Klage abzuwenden. 50 Prozent davon erhielt der Kunde als „Provision“.
Bewacher als „Mitbesitzer“?
Die Besonderheit dabei: Laut AGB beauftragte der Kunde das Unternehmen nicht nur mit der „kostenlosen Bewachung“seines Besitzes, sondern räumte ihm auch „Mitbesitz“an der Liegenschaft ein. Dem Unternehmen sollte es dann vorbehalten sein, Besitzstörer, die Unterlassungserklärung oder Zahlung verweigerten, „nach eigenem Ermessen und auf eigenes Kostenrisiko“zu klagen.
Wie es in der OGH-Entscheidung heißt, ist der Anbieter für das Sicherheitsgewerbe und für ITDienstleistungen gewerbeberechtigt. Gegen das Geschäftsmodell vor Gericht gezogen war eine Wiener Anwaltskanzlei. Sie monierte, es gehe um eine Tätigkeit, die Rechtsanwälten vorbehalten sei. Und das bestätigte das Höchstgericht nun und erließ die beantragte einstweilige Verfügung: Dem Dienstleister ist es demnach untersagt, im Auftrag Dritter solche Aufforderungsschreiben an (potenzielle) Besitzstörer zu versenden.
Das gilt fürs Erste nur vorläufig, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren. Ein solches werde nun auch eingeleitet, bestätigen die Rechtsanwälte Dominik Prankl und Martin Barrett auf Anfrage der „Presse“– ihre Kanzlei (Rosenauer Prankl Barrett) hat die EV erwirkt. Im Hauptverfahren sind die Gerichte formal nicht an den OGH-Beschluss gebunden. Richtungweisend – auch für vergleichbare Fälle – dürfte dieser dennoch sein.
Denn er setzt sich detailliert mit zwei wesentlichen Rechtsfragen auseinander. Um mit der Rechtsanwaltsordnung zu beginnen: Diese behält die „umfassende berufsmäßige Parteienvertretung“den Anwälten vor. Für einen Eingriff in den Vertretungsvorbehalt genüge es demnach, dass auch nur eine einzige Tätigkeit aus diesem Gesamtspektrum gewerbsmäßig ausgeübt wird. Dazu zählt laut OGH auch das Anbieten von Abmahnungen bei Besitzstörungen. Und zwar auch dann, wenn das Unternehmen sich von den Kunden „Mitbesitz“einräumen lässt und Dritten gegenüber im eigenen Namen auftritt. Denn: Eine derartige Einräumung von Mit- bzw. Rechtsbesitz sei sachenrechtlich „evident unwirksam“.
Rechtsbesitz setzt nämlich voraus, dass die Ausübung eben auch „als Recht“in Anspruch genommen wird. Wer eine Sache bloß bewacht, habe jedoch gar nicht den Willen, diese „für sich selbst“zu haben. Mit dem Setzen einer Überwachungshandlung übt man somit kein Recht aus, sondern erfüllt eine vertragliche Pflicht. Die Konstruktion
diene primär nur dazu, nach außen zu verschleiern, dass eben doch die Interessen der Kunden durchgesetzt werden sollen, lautet das Fazit des OGH.
Besitzer muss selbst klagen
Für Falschparker bedeutet das ganz generell: Sollten sie deshalb von einem beauftragten Dienstleister in dessen eigenem Namen auf Besitzstörung geklagt werden, fehlt dem Kläger dafür wohl die Aktivlegitimation. Liegenschaftsbesitzer wiederum müssen sich im Klaren sein, dass sie einen Besitzstörer gegebenenfalls im eigenen Namen klagen müssen. Und das bedeutet grundsätzlich auch ein Kostenrisiko.
Aber wie geht es im Anlassfall weiter? Die einschreitenden Anwälte teilen mit, es seien bereits Exekutionsanträge eingebracht worden, nachdem die Gegenseite das Geschäftskonzept – „mit bestenfalls als kosmetisch zu bezeichnenden Änderungen“– nach der einstweiligen Verfügung vorerst weitergeführt habe. Derzeit scheint das Dienstleistungsangebot freilich nicht auf der Homepage auf. Dort läuft ein Countdown bis kommenden Montag, dann werde es einen „neuen Meilenstein“geben. „Wir werden das weitere Verhalten der Gegenseite genau beobachten“, heißt es dazu seitens der Anwälte, die erforderlichenfalls auch weitere Exekutionsanträge ankündigten. Und parallel leite man das Hauptverfahren ein, um einen endgültigen Titel zu erwirken.
Für Klarstellung „dankbar“
„Unser Ziel bleibt natürlich, Besitzschutz für unsere Kunden sicherzustellen und uns ausschließlich im Rahmen der Gesetze zu bewegen“, betont indes der Geschäftsführer der Zupfdi Besitzschutz GmbH, Stefan F. Saverschel, auf Anfrage der „Presse“. Dem Höchstgericht sei man „sehr dankbar“für die klare Entscheidung und den wegweisenden Input. Im Kern sei dazu festzuhalten, „dass sich der Oberste Gerichtshof nicht an der außergerichtlichen Geltendmachung von Besitzstörungsansprüchen per se stößt“. Sondern lediglich daran, dass die Aufforderungsschreiben nicht von Rechtsanwälten oder von den in ihrem Besitz Gestörten selbst an die Besitzstörer versandt werden. Die Einholung von Halterauskünften im Rahmen des Sicherheitsgewerbes sei jedoch rechtskonform.
Dass außergerichtliche Vereinbarungen über einen Klagsverzicht bei Besitzstörungen grundsätzlich zulässig sind, wurde tatsächlich bereits durch mehrere Entscheidungen bestätigt, etwa vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. Dieses gibt freilich auch einen Rahmen für den angemessenen Schadenersatz vor, der dann der betroffenen Person zusteht. Zu ersetzen sind demnach nur die unmittelbar von der konkreten Besitzstörung verursachten Aufwendungen. Im Fall einer Falschparkerin, die einige Minuten widerrechtlich auf einem Behindertenparkplatz vor einem Krankenhaus geparkt hatte und mittels Anwaltsbrief abgemahnt worden war, erachtete das Gericht die von ihr freiwillig bezahlten 100 Euro für ausreichend.