Finanzwissen gibt ein gutes Gefühl von Sicherheit
Um den Umgang der Bevölkerung mit Geld zu erleichtern, läuteten die „Presse“und die Finanzdienstleister der Wirtschaftskammer Wien die Eventserie „F+ Geld verstehen, Chancen nutzen“ein.
Gerade in Zeiten der Inflation ist ein Grundverständnis für Finanzen vonnöten, um erfolgreich über die Runden zu kommen. Leider zählt Finanzbildung nicht zu den größten Stärken der Österreicherinnen und Österreicher. Zahlreiche Studien belegen starken Nachholbedarf beim Finanzwissen. „Die Presse“und die Finanzdienstleister der Wirtschaftskammer Wien möchten mit gutem Beispiel vorangehen und starteten die Eventreihe „F+ Geld verstehen, Chancen nutzen“. In der Auftaktveranstaltung wurde besprochen, wie sich das Haushaltsbudget optimieren lässt, wie man beim Anlegen das Risiko-RenditeVerhältnis versteht und wie man eine finanzielle Zukunft strategisch plant. Dazu begrüßte Eva Komarek, General Editor for Trend Topics (Styria Media Group), im „Presse“Studio Karin Meier-Martetschläger, Geschäftsführerin der Pfandleihanstalt Martetschläger, Eric Samuiloff, Fachgruppenobmann Finanzdienstleister der Wirtschaftskammer Wien, sowie Goran Maric, Geschäftsführer des Social Business Three Coins. Die Vorträge und Diskussionen wurden via Livestream übertragen. Für das Publikum vor Ort gab es nach dem Livestream bei der sogenannten „Ask me anything“-Session die Gelegenheit, sich von Finanzexperten persönlich beraten zu lassen. Finanzberaterin Dora Mikulai stand für das Thema strategische Lebensfinanzplanung zur Verfügung. „Bei der Finanzplanung sollte man auch unvorhergesehene Situationen einberechnen, wie etwa Krankheiten oder Unfälle, um auch finanziell abgesichert zu sein, wenn man (vorübergehend) arbeitsunfähig ist. Für einen Vermögensaufbau braucht es genaue Ziele, um die richtigen Schritte zu setzen und die passenden Finanzprodukte zu wählen.“
Johanna Eisenberger, Expertin für strategischen Vermögensaufbau, beantwortete Fragen rund um Kredite, Zinsen und Inflation. „Die selbstgenutzte Immobilie ist ein essenzieller Beitrag, um die Pensionslücke zu schließen, denn die Einkommen von Beschäftigten sinken zum Pensionsantritt um bis zu 60 Prozent, während die Mieten weiter steigen. Man sollte darauf achten, dass über die Zeit die Miete in selbstgenutzte Immobilien investiert wird, um den Lebensstandard halten zu können.“
Vermögensberater Sascha Dastl, Obmannstellvertreter der Fachgruppe Finanzdienstleister der Wirtschaftskammer Wien, beantwortete Fragen zum Thema Budgetplanung. „Großes Interesse bestand darin, wie man Kindern und Jugendlichen den richtigen Umgang mit Geld beibringt. Da sich Einkaufsverhalten und Bedürfnisse verändern, ist das eine große Herausforderung. Ebenso muss man neue Ansätze finden, um die Altersvorsorge für Jugendliche attraktiver zu machen. Da könnten schon Namensänderungen helfen, etwa ‚Zukunftsvorsorge‘ statt ‚Pensionsvorsorge‘.“
Christian Schuller, Geschäftsführer einer Wertpapierfirma und ebenfalls Obmann-stv. der Fachgruppe Finanzdienstleister der WKW, behandelte das Thema Risiko-Rendite-Verhältnis. „Als Anleger muss man sein Investitionsziel kennen und wissen, mit welchen
Mitteln man diese Ziele am besten erreicht. Mit Aktien hat man ein hohes Risiko, aber auch eine hohe Ertragschance. Das Risiko steckt in der Schwankungsbreite. Theoretisch können Kurse in den Keller fallen. Hat man genug Geld auf der Seite, kann man diese Krisen aussitzen und sogar davon profitieren, wenn man günstig nachkauft.“
Keine Raketenwissenschaft
Geld ist im deutschsprachigen Raum leider noch immer ein Tabuthema, obwohl wir nahezu täglich mit Geld zu tun haben. „Umso wichtiger ist es, dass wir über Geld sprechen“, sagte Goran Maric. Three Coins hat es sich zur Aufgabe gemacht, Finanzkompetenz zu vermitteln. In seinem Vortrag sprach Maric über die Grundlagen der finanziellen Verwaltung und zeigte auf, wie man leichtfüßiger durchs Leben kommt. „Finanzkompetenz ist keine Raketenwissenschaft, sondern für jeden erlernbar. Unsere Welt befindet sich in Veränderung und wir müssen neue Kompetenzen entwickeln. Finanzkompetenz kommt hier eine wesentliche Rolle zu.“Ein Schwerpunkt dabei: Das Haushaltsbudget stets im Überblick zu behalten. Das ist herausfordernd, weil unsere Welt voller Verhaltensmuster, Werte, Prioritäten und Persönlichkeiten ist. „Menschen agieren bei Geldentscheidungen nicht immer rational, sondern lassen sich von ihrer Umwelt beeinflussen.“Hinter jeder Geldentscheidung stecken auch psychologische Mechanismen und die sind teilweise vielschichtiger, als man annehmen würde. „Mitunter, weil Geld zum Spiegel der Gesellschaft geworden ist“, sagte Maric und gab einige Beispiele, welche Faktoren auf den Menschen einwirken können, die den richtigen Umgang mit Geld erschweren. Etwa unsere Sehnsucht nach Belohnung. Mit Konsum kann man sich Glückshormone verschaffen. Hinzu kommen Marketingbotschaften. Ständig prasseln Informationen auf uns ein. Auch diese Einflüsse verleiten uns zum Konsum. Maric erinnerte an typische Gewohnheiten. „Zum Beispiel der tägliche Coffee-to-go. Häufig tätigen wir Ausgaben, die uns nicht auffallen, aber auf Dauer das Budget belasten.“Viele dieser unbewussten Ausgaben geschehen im digitalen Raum. Per Klick ist die Kreditkarte belastet.
Schulden vermeiden
Eine kontinuierliche EinnahmenAusgaben-Rechnung kann helfen, unnötige Ausgaben sichtbar zu machen. „Es ist wichtig, Herr über sein Budget zu bleiben. Man fühlt sich sicherer, wenn man genau weiß, wie viel man einnimmt und wie viel man ausgibt.“Bei den Ausgaben muss man zwischen jenen unterscheiden, die notwendig sind und jenen, die Wünsche befriedigen. Zu den notwendigen Ausgaben zählt alles, was man zum Leben benötigt, wie etwa Essen, Strom, Gas, Miete. Maric rät zur Inventur des eigenen Geldlebens, bei der man nicht nur betrachtet, wofür man Geld ausgibt, sondern auch eine Optimierung der Ausgaben anstrebt. Eine Daumenregel ist die sogenannte 50/ 30/20-Regel: 50 Prozent des Budgets entfallen auf notwendige Ausgaben, 30 Prozent auf Ausgaben, die das Wollen befriedigen, 20 Prozent sollten in Sparen & Vorsorge fließen. In der anschließenden Diskussionsrunde wurde das Thema weiter erörtert. „Entscheidend ist bei der Einnahmen-AusgabenRechnung, dass man sich nicht selbst belügt“, sagte Eric Samuiloff. „Zudem sollte man diese Rechnung regelmäßig wiederholen. So lassen sich Ausgaben ausfindig machen, die man nicht auf dem Schirm hat.“Als Kind der 1960er-Jahre empfahl Karin Meier-Martetschläger, dass man Kindern und Jugendlichen wieder den Umgang mit Bargeld näherbringt. „Haptisches Geld ist wichtig, um den Umgang mit Geld zu erlernen. Kinder müssen zuerst einmal Geld begreifen und fühlen.“Das unterstrich Goran Maric doppelt: „Es gibt Studien, die belegen, dass der ‚Verlustschmerz‘ größer ist, wenn man Einkäufe bar bezahlt als mit Kreditkarte.“Ohne Geldbewusstsein steigt die Gefahr, Schulden zu machen. Ein wichtiges Thema bei der Diskussion betraf den Überziehungsrahmen. Ein Überziehungsrahmen hilft, kurzfristig liquid zu sein, aber die Zinsen sind hoch. „Entscheidend ist, dass solche Methoden nur kurzfristig zum Einsatz kommen und nicht zur Dauerlösung werden“, sagte Samuiloff. „Man muss sich die Zinsabschlüsse genau ansehen.“Wichtig ist, im Vorfeld über eventuelle Optimierungen mit der Bank zu verhandeln und nicht zu warten, bis das Konto überzogen ist. „Den Überziehungsrahmen zu nutzen ist jedoch besser, als es auf Mahnklagen mit Gerichtskosten und Verzugszinsen ankommen zu lassen“, fügte Meier-Martetschläger hinzu. „Weil es geordnete Schulden sind, hingegen eine Warenklage einen Rattenschwanz an Kosten mit sich führt.“
Letztlich sind Schulden nicht gleich Schulden. In eine Wohnung zu investieren und einen Kredit abzuzahlen kann als „gute“Schulden bezeichnet werden, weil es ein werterhaltendes Kreditinstrument ist, während man beim Kredit auf Produkte wie PC, Auto, TV usw. umgehend einen Wertverlust hat.