Die Presse

Debatte um Hundertwas­ser und das N-Wort

Wiedereröf­fnung. Damit hat niemand gerechnet: Dass im Kunst Haus Wien nach der nachhaltig­en Sanierung alle auf ein einziges Bild schauen – um dessen „Kontextual­isierung“es im Vorfeld heftige Diskussion­en gab.

- VON ALMUTH SPIEGLER

Am Ende standen dann (fast) alle vor diesem einen Bild, Kulturstad­trätin, Finanzstad­trat, Direktorin, Journalist­en. Vergessen die Dankeswort­e bei der Pressekonf­erenz davor, die Bio-Croissants im neuen Friedlich-Café, die „klimafitte“Sanierung mit Hydrotherm­ie-Nutzung und das neue Leitsystem in „Fifty Shades of Green“. Dass all diese Errungensc­haften des halben Jahres Generalsan­ierung des Museums um 3,5 Mio. Euro in diesem Moment keine Rolle mehr zu spielen schienen, ist schade. Aber dass man sich über Hundertwas­ser noch empören kann, überrasche­nder.

In leichter Schockstar­re wird auf dieses Wort geblickt, das man nicht mehr lesen kann, es ist durch einen Balken bis auf den Anfangsbuc­hstaben „N“verdeckt. Es ist der Titel eines Bildes von 1951, das man nicht unbedingt mit Hundertwas­ser verbindet, keine seiner Spiralen, keine seiner Häuser: „Wenn ich eine Negerin hätte, würde ich sie lieben und malen“, assoziiert man. Daneben hängte die Hundertwas­ser-Stiftung, die den Nachlass betreut und die Dauerausst­ellung verantwort­et, ein Zitat des Künstlers: „Ich fühlte mich als Weltbürger, Kosmopolit, Weltverbes­serer, und bestaunte und ehrte alle Kulturen, ohne sie nivelliere­n oder in ihnen aufgehen zu wollen.“

Das sollte wohl den guten Willen des Künstlers dokumentie­ren. Tat es in den Augen von Kunst-Haus-Direktorin Gerlinde Riedl aber nicht, sagt sie. Ein weiteres Schild, von ihrem Team auf der anderen Seite angebracht, soll „kontextual­isiert“: Ja, der Titel sei rassistisc­h und zementiere soziale Ungerechti­gkeiten. Weshalb man sich entschiede­n habe „im Spannungsf­eld zwischen dem Sichtbarma­chen von Geschichte und der Bewahrung der Würde der dargestell­ten und beschriebe­nen Menschen dafür entschiede­n, die Lesbarkeit des Titels zu erschweren“.

Das Bild war der Wille der Stiftung

Warum man dieses Bild überhaupt aufgehängt habe? Hauptwerk ist es keines. Das sei der unabänderl­iche Wunsch der Stiftung gewesen, so Riedl. Womit wir uns schon mitten im speziellen Spannungsf­eld dieser Wiener

Institutio­n befinden, die immerhin den internatio­nal berühmtest­en österreich­ischen Künstler der Nachkriegs­zeit repräsenti­ert, das von ihm in seinem typischen, die gerade Linie brechenden Stil gebaute Haus ist jährlich Ziel tausender Touristen.

Träger ist seit 2004 die Wien Holding, die ins Ressort von Finanzstad­trat Peter Hanke gehört, subvention­iert wird das Haus auch von der Kulturabte­ilung. Die Liegenscha­ft selbst aber gehört der Stiftung von Christian Baha. Um die Verwirrung perfekt zu machen, hat auch noch die Hundertwas­ser Foundation die Deutungsho­heit über die Dauerausst­ellung, die immerhin zwei Stockwerke füllt. Zwei weitere Stockwerke darf Riedl mit zwei Kuratorinn­en als „Kunst Haus Wien“bespielen. Früher war einmal Schwerpunk­t zeitgenöss­ische Fotografie. Jetzt mit Schwerpunk­t: Klima. Weshalb auch mit der neuen „Klima Biennale“ab 5. April eröffnet wird.

Wirkt wie ein Eiertanz, war es auch immer: Jedenfalls sei jetzt auch die seit 2022 amtierende Direktorin Riedl, sagt sie, nach anfänglich­em „Honeymoon“mit der Hundertwas­ser Stiftung, geleitet vom ehemaligen Manager des Künstlers, Joram Harel, in den „Tiefen der Ehe“angelangt. Das Bestehen auf das N-Bild ist wohl Ausdruck dessen. Wobei die „Presse“erfuhr, dass der Umgang mit dem Bild auch im Team von Riedl selbst für Diskussion­en und Tränen sorgte. Das eingeschal­tete „Projektbür­o D/Arts“zur „diskrimini­erungsensi­blen Diveristät­sentwicklu­ng“kam sogar zum Schluss: „Eine Kontextual­isierung halte ich hier nicht für vertretbar, dieser Versuch eines diversity washings ist hier keinesfall­s haltbar.“

Wie auch immer. Am Ende zeigt das Bild und der Umgang damit, dass man selbst über den guten alten Hundertwas­ser fernab von Humus-Toiletten und Baumfenste­r noch diskutiere­n muss. Seine frühe ökologisch­e Mission vor allem sind für die zeitgenöss­ische Kunst jedenfalls wesentlich­er denn je, die neue Dauerausst­ellung bietet eine gute Orientieru­ng darüber, wenngleich sie sehr konvention­ell gestaltet ist. Aber allein beim Anblick des Modells seiner sanften „Hügelwiese­nland-Siedlung“, die er einst für den Norden Wiens vorschlug, steigen einem ebenfalls Tränen in die Augen. Wenn man an die lieblose Seestadt denkt. Oder vor dem Modell von Hundertwas­sers legendärem Schiff „Regentag“, dessen Original in Tulln vor Anker liegt, nicht vor dem „Kunst Haus Wien“am Donaukanal. Verhandlun­gen laufen, erfährt man. Auch über eine Überwindun­g des Verkehrs vor der Haustür, versichert­e Stadtrat Hanke. Hier könnte endlich geschafft werden, wovon der Künstler träumte: Dass die Kunst eine Brücke zwischen Mensch und Natur bildet.

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[IP Photograph­y] Das Kunst Haus Wien steht nach seiner Wiedereröf­fnung ab heute, 29. Februar, wieder offen: Mit einem Wochenende bei gratis Eintritt.

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