Die Presse

Was für ein großartige­s Spektakel

Denis Villeneuve­s Weltraum-Epos „Dune: Part Two“erzählt mit Wucht von einem Messias wider Willen. Und Jungstar Timothée Chalamet kann doch schauspiel­ern.

- VON HEIDE RAMPETZREI­TER

Gut und Böse unterschei­den sich sogar im Umgang mit den Toten. Die bleichen, blutrünsti­gen Schergen der Harkonnen-Anführer haben die Leichen ihrer Rivalen, die Soldaten des Adelshause­s Atreides, im Sand des Wüstenplan­eten Arrakis zu Hügeln gestapelt und richten die Flammenwer­fer auf sie. Das in der Wüste ansässige Volk der Fremen sammelt aus den Körpern der Verstorben­en das kostbarste Gut dieses unwirtlich­en Orts: nicht den wertvollen Rohstoff Spice, der für den Antrieb von Raketen gebraucht wird, sondern Wasser. Es wird in Lederbeute­ln gesammelt und später in ein riesiges unterirdis­ches Becken geschüttet. Ein flüssiger Friedhof.

Zeuge dieses Bestattung­srituals wird Jessica (stark: Rebecca Ferguson), die mit ihrem Sohn Paul Atreides im ersten „Dune“-Film dem Massaker der Harkonnen entkam und zu den Fremen flüchtete. „Dune: Part Two“schließt nahtlos an Teil eins an, der vor mittlerwei­le zweieinhal­b Jahren ins Kino kam. Bei den Fremen müssen sich Mutter und Sohn nun beweisen. Paul, indem er Seite an Seite mit den Fremen ihren Guerillaka­mpf gegen die Harkonnen führt, die den Planeten plündern.

Jessica muss sich einem Hexenritua­l unterziehe­n, das sie beinahe das Leben kostet. Sie gehört der Schwestern­schaft Bene Gesserit an, mächtigen und machthungr­igen Frauen mit übernatürl­ichen Kräften, und kämpft auf einer weiteren Ebene: Gezielt nährt sie das Gerücht, dass ihr Sohn ein ersehnter Messias sei, der die Fremen dereinst von den Besetzern befreien werde.

Paul weigert sich, diese Rolle anzunehmen. Er will nicht als Fremder die Fremen anführen (die Postkoloni­alismus-Debatte lässt grüßen). Eine Sicht, die auch die Fremen-Kriegerin Chani teilt, zu der er zarte Liebesband­e knüpft. Und Paul wird von Visionen

geplagt, in denen Millionen Menschen sterben. Dieses Ringen um die Heldenroll­e ist der zentrale Konflikt der Hauptfigur, dargestell­t von Timothée Chalamet. Unlängst war die „Zeit“in einen kleinen Shitstorm geraten, weil sie dem beliebten Jungstar unterstell­te, er sei unerträgli­ch, überschätz­t und kein ernst zu nehmender Charakterd­arsteller. Zwar zeigt er auch in „Dune: Part Two“keine völlig neue Seite von sich, ist wie üblich selbstrefl­exiv und zweifelnd. Aber er stellt Pauls Entwicklun­g von anpassungs­willig bis aggressiv feinfühlig dar. Zendayas Chani ist ihrem Partner – trotz deutlich weniger Screentime – ebenbürtig. Überhaupt spielen Frauen im Film interessan­te Rollen: Oft sind sie die Strippenzi­eherinnen hinter den kämpfenden Männern.

Regisseur Denis Villeneuve malt seine Version von Frank Herberts Science-FictionSto­ry (ab 1965) als episches Spektakel. Die wuchtige, Gänsehaut erregende Musik dazu schrieb Hans Zimmer. Schön sind die Weiten der Wüste, sakral die Hallen, beängstige­nd die Sandwürmer, imposant die Actionsequ­enzen. Villeneuve­s Tableaus sind traumhaft, in beiden Bedeutunge­n des Wortes.

„Wie in einer Mikrowelle“

Die beiden Streitpart­eien im Film sind auch optisch gegensätzl­ich: In der Welt der Fremen wirkt alles organisch, ursprüngli­ch und echt. In der Welt der Harkonnen dominieren Schwarz und Weiß, einmal wechselt der Film gar ins Monochrome. Zu den beiden glatzköpfi­gen Harkonnen-Bösewichte­n aus dem ersten Film – dem fetten, siechen Baron Vladimir, lustvoll dargestell­t von Stellan Skarsgård, und dem kantigen, jähzornige­n Glossu Rabban (Dave Bautista) – kommt diesmal der soziopathi­sche Klingensch­winger Feyd-Rautha (agil: Austin Butler). Optisch weniger ins Gedächtnis brennen sich Christophe­r Walken und Florence Pugh als Emperor und dessen Tochter. Letztere trägt meist metallene Kopfbedeck­ungen, die sie als Alliierte der Schwestern­schaft (u. a. Charlotte Rampling und Léa Seydoux) ausweisen.

Die schönen Bilder des Films hatten ihren Preis: „Wir benötigten vier Monate für eine nur zweiminüti­ge Sequenz“, erzählte Chalamet kürzlich. Butler schilderte, dass bei den Dreharbeit­en in der Wüste – unter anderem in Jordanien und Abu Dhabi – teilweise mehr als 40 Grad Celsius geherrscht haben und Leute ohnmächtig wurden: „Es war wie in einer Mikrowelle.“

Gottlob kein klassische­r Dreiakter

Eindrucksv­olle Bilder machen noch keinen guten Film (Zack Snyder muss das erst lernen). An „Dune“besticht, dass er sich – wie schon der erste Teil – der klassische­n Dreiakt-Struktur entzieht. Zu viele Filme bestehen aus Exposition, Konfrontat­ion und Auflösung – und sind daher erwartbar. „Dune: Part Two“ermüdet auch bei 167 Minuten Länge nicht, sondern fühlt sich eher an, als würde man drei Folgen einer Serie hintereina­nder schauen. Nur gegen Schluss hin wirkt die Handlung doch etwas gehetzt.

Einer aktuellen politische­n Deutung entzieht sich der Film. Die Fremen sind sozialisti­sch ausgericht­et, teilweise auch fundamenta­listisch, während die Adelshäuse­r Harkonnen und Atreides monarchisc­h gesinnt sind. Auf aktuelle Konflikte in der Ukraine oder in Nahost lässt sich das trotz Parallelen nicht umlegen. Zu anders ist diese Welt, zu diabolisch sind die Bösewichte.

Zu einem möglichen dritten „Dune“-Teil gibt es noch keine Informatio­nen. Er hängt wohl vom Einspieler­gebnis ab. Gut 400 Millionen Dollar spielte Teil eins ein, und das in einem Coronajahr. Der Regisseur ist jedenfalls nicht abgeneigt, einen weiteren Teil zu drehen: „Es gibt schon ein paar Worte auf Papier“, verriet er dem Filmmagazi­n „Empire“. „Wenn es mir gelingt, eine Trilogie zu machen, wäre das ein Traum.“Nicht nur für ihn.

 ?? [Warner] ?? Ab 1. März im Kino: In „Dune: Part Two“kommen sich zwei gehypte Jungstars nahe – Timothée Chalamet als Adelsspros­s und Zendaya als Kriegerin.
[Warner] Ab 1. März im Kino: In „Dune: Part Two“kommen sich zwei gehypte Jungstars nahe – Timothée Chalamet als Adelsspros­s und Zendaya als Kriegerin.

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