Land der Presslufthämmer: Die Renaissance der Betonschädel
Die Vorschläge für einen „kraftvollen Eigenheim-Bonus“zeigen, wie gestrig die Sozialpartnerschaft denkt – und dass es eine Ökosozialpartnerschaft braucht.
Es klang wie ein übler Scherz aus den 1980er-Jahren, war aber wohl ernst gemeint. Getarnt als sogenannte Sozialpartner und vertreten vom Präsidenten der Wirtschaftskammer (ÖVP) sowie dem Vertreter der Bau-HolzGewerkschaft (SPÖ), appellierten vor ein paar Tagen die Lobbyisten der Bauwirtschaft an die Regierung, diese möge der Branche einen „kraftvollen EigenheimBonus“spendieren. Maximal 100.000 Euro solle die Allgemeinheit künftig jedem Bürger, jeder Bürgerin für die erste Wohnung oder den Hausbau zur Verfügung stellen. Bei angekurbelter Nachfrage, so der gut gemeinte Ansatz, steige mit dem Angebot auch die Bautätigkeit. Das bringe Beschäftigung, beschere Kauflaune – und wenn sie nicht gestorben sind, so dreht sich die Betonmischmaschine noch heute.
Auch wenn der Appell verhallte und im milliardenschweren schwarz-grünen Wohnbaupaket nun zum Glück unberücksichtigt blieb: Das Ansinnen vermittelt eine Ahnung davon, wie sehr uns eine sozialpartnerschaftlich fundierte „Große Koalition“in die Steinzeit zurückzuversetzen droht. Zumal kurz darauf der designierte neue Gemeindebundpräsident (ÖVP) bekannte, „besser gleich zu Beginn ehrlich“zu sein, und das von der Bundesregierung festgelegte Ziel, den täglichen Bodenverbrauch auf 2,5 Hektar zu senken, als „nicht realistisch“bezeichnete. 2022 wurden tatsächlich täglich zwölf Hektar verbraucht, mehr als die Hälfte der Fläche davon völlig versiegelt, also asphaltiert und zubetoniert. Wenn allerdings immer wieder schulterzuckend so getan wird, als wäre die planlose Zersiedelung (die immer neue Straßen benötigt und die nötige Mobilitätswende erschwert) gleichsam ein Naturgesetz und als handle es sich bei der diesbezüglich angestrebten Trendwende bloß um einen Spleen der grünen Klimaschutzministerin (den man halt aussitzen muss, bis die Grünen nicht mehr in der Regierung sind), dann ist das eine politische Bankrotterklärung.
Was der Bodenverbrauch für die Lebensmittelproduktion bedeutet, wie er unsere Versorgungssicherheit bedroht, darauf weisen seit Jahren neben UmweltNGOs auch Vertreter der Landwirtschaft oder die Hagelversicherung hin. Unter Asphalt oder Beton verliert jeder versiegelte Hektar mehr nicht nur seine Fruchtbarkeit und sein Bodenleben, sondern auch genau jene Eigenschaften, die wir im Klimawandel immer öfter brauchen werden: seine Kühlfunktion und seine Fähigkeit, Regenwasser aufzunehmen. Im Zuge nötiger Klimawandelanpassungen setzen auch hierzulande Städte von Wien über St. Pölten bis Waidhofen an der Ybbs auf das sogenannte Schwammstadt-Prinzip. Es sieht Begrünung, das teilweise Entsiegeln und das Beseitigen von Hitzeinseln vor. Durchlässige Böden sind an Hitzetagen um bis zu 25 Grad kühler als versiegelte. In Wien werden auf dem Zentralfriedhof deshalb Nebenwege entsiegelt. Sie bleiben trotzdem befahrbar, barrierefrei – nehmen aber Wasser auf, verbessern das Mikroklima und dienen sogar bodenbrütenden Wildbienen wieder als Lebensraum.
Jeder versiegelte Hektar verliert genau jene Eigenschaften, die wir im Klimawandel brauchen werden.
In der Schweiz sorgen gegenwärtig die „Asphaltknackerinnen“für Aufsehen. Zwei Unternehmerinnen brechen in Zürich und Umgebung Betonflächen, Innenhöfe und asphaltierte Parkplätze auf – natürlich in Zusammenarbeit mit den Eigentümern – und ersetzen sie durch Rasengittersteine oder natürliche Beläge aus Sand, Schotter und Split. Parkplätze bleiben erhalten, werden aber klimaangepasst, lassen Regen versickern und bieten auch anpassungsfähigen Pflanzen Platz. Hier könnte sich der Gemeindebund ein Vorbild nehmen und „realistische“Good-Practice-Beispiele und Inspiration in allernächster Nähe schaffen: auf den Flächen vor Schulen, Gemeindeämtern, Supermärkten. Um die Sache im großen Stil anzugehen, ließen sich die Beschäftigten der Bauwirtschaft und ihre Presslufthämmer zur Konjunkturbelebung auch in einer großen Entsiegelungsund Entsorgungsoffensive einsetzen. Für solche Perspektiven brauchte es aber eine Ökosozialpartnerschaft.