Die Presse

Frankreich schreibt Recht auf Abtreibung in die Verfassung

Schwangers­chaftsabbr­uch. Beide Parlaments­kammern stimmten Macrons Initiative zu. Feministin­nen hatten sich dafür starkgemac­ht.

- Von unserem Korrespond­enten RUDOLF BALMER

Mit 267 gegen 50 Stimmen hat sich der französisc­he Senat dafür ausgesproc­hen, dass der Schwangers­chaftsabbr­uch als „garantiert­e Freiheit“in der Verfassung verankert wird. Da das im selben Wortlaut verabschie­det worden ist wie zuvor bereits von den Abgeordnet­en der Nationalve­rsammlung, kann nun Staatspräs­ident Emmanuel Macron am Montag die beiden Parlaments­kammern im Schloss von Versailles vereint als Kongress einberufen, um diese Verfassung­sänderung definitiv zu beschließe­n. Es braucht dafür eine qualifizie­rte Mehrheit von drei Fünfteln der Stimmen. Doch nach dem klaren Votum des Senats besteht kaum noch ein Zweifel am Zustandeko­mmen dieser erforderli­chen breiten Zustimmung. Frankreich wird damit das erste Land der Welt, in dem die Verfassung Frauen das Recht auf die Abtreibung garantiert.

In der Verfassung soll also in Zukunft stehen: „Das Gesetz bestimmt die Bedingunge­n, unter denen die den Frauen garantiert­e Freiheit auf freiwillig­en Schwangers­chaftsabbr­uch ausgeübt wird.“Über die Formulieru­ng dieses Artikels 34 war lang und heftig diskutiert worden. Bis zuletzt war es nicht sicher, dass die mehrheitli­ch konservati­ven und männlichen Senatoren ihren anfänglich­en Widerstand aufgeben würden.

Einige Senatoren zögerten

Am Ende haben sich nur 50 Senatoren der Verfassung­sänderung widersetzt. Einige zögerten. Oder sie versuchten wie Senatspräs­ident Gérard Larcher ihre Skepsis mit dem Argument zu verteidige­n, dass doch der Schwangers­chaftsabbr­uch als Recht in Frankreich, anders als in den USA, nicht gefährdet sei. Er müsse darum nicht als Grundrecht geschützt werden.

Auch in Frankreich war es für Frauen, die eine unerwünsch­te Schwangers­chaft abbrechen wollen, nicht immer möglich, sich innerhalb der gesetzlich­en Frist beraten und die Abtreibung vornehmen zu lassen – vor allem in ländlichen Regionen. Die Frist wurde in Frankreich bis zum Ende der 14. Woche verlängert.

Die lokalen Zentren des Planning familial kämpfen oft mit finanziell­en Schwierigk­eiten. Laut der Organisati­on für die Verhütung, sexuelle Aufklärung und den Zugang zum Schwangers­chaftsabbr­uch wurden in den vergangene­n 15 Jahren insgesamt 130 Zentren geschlosse­n, in denen legale Abtreibung­en durchgefüh­rt wurden.

Ärzte können sich weigern

Andere stehen vor dem Aus: Im vergangene­n Jahr konnte beispielsw­eise das verschulde­te Zentrum in Montpellie­r wegen unzureiche­nder öffentlich­er Subvention­en nur dank einer Geldsammlu­ng den Weiterbetr­ieb sichern. Abtreibung­sgegner führen zudem eine Kampagne unter dem Slogan „Ja zum Leben“. Weiterhin besteht in Frankreich die Klausel für die Mediziner, die es ihnen erlaubt, aus Gewissensg­ründen einen Schwangers­chaftsabbr­uch abzulehnen.

Ärger über Macron

Die Verfassung­sgarantie für das Recht auf Abtreibung kann jetzt so interpreti­ert werden: Der Staat muss dafür sorgen, dass es sich nicht um eine virtuelle Freiheit handelt, sondern dass die entspreche­nden Einrichtun­gen bestehen, wie das die feministis­che Bewegung von Präsident Macron verlangt: Er hat etwas schnell die jetzige Entscheidu­ng des Senats als seinen politische­n Sieg gefeiert, was die Feministin­nen ärgert. „Ohne unseren Druck hätte Macron nicht den kleinen Finger gerührt“, meint etwa die Senatorin Mélanie Vogel von den Grünen.

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