Die Presse

Bodenstrei­t zwischen ÖVP

Länder und Gemeinden beschlosse­n im Alleingang eine Bodenstrat­egie – ohne das von der Regierung geplante 2,5-Hektar-Ziel. Die Grünen nennen die ÖVP-Ansagen „Fake News“, ein Beschluss könne ohne Bund nicht erfolgen.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER

Seit vier Jahren steht das Ziel, den Bodenverbr­auch in Österreich massiv zu begrenzen, im Regierungs­programm von ÖVP und Grünen, schon mehrfach fanden dazu – erfolglos – Verhandlun­gsrunden mit den für Raumordnun­g zuständige­n Ländern und Gemeinden statt. Doch wenige Monate vor dem Ende der türkis-grünen Regierungs­periode kam zuletzt wieder Schwung in die Angelegenh­eit, die neben dem Klimaschut­zgesetz das größte Anliegen der Grünen in der verbleiben­den Periode ist. Hintergrun­d: Im Koalitions­programm wurde eine „österreich­weite Bodenschut­zstrategie für sparsamere­n Flächenver­brauch“versproche­n – und zwar mitsamt „Zielpfad zur Reduktion des Flächenver­brauchs auf netto 2,5 Hektar pro Tag bis 2030“. Dieser durchschni­ttliche Wert wird derzeit um ein Vielfaches überschrit­ten, daher wird seitens des Bunds an verbindlic­hen Zielen für Länder und Gemeinden gearbeitet.

Kogler startete Briefwechs­el

Aufgeflamm­t ist das Thema in der vergangene­n Woche, als Vizekanzle­r und Grünen-Chef Werner Kogler einen offenen Brief an Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner schrieb: „Ich bitte dich als aktuelle Vorsitzend­e der Landeshaup­tleutekonf­erenz, positiv auf deine Kollegen in den Bundesländ­ern einzuwirke­n und die Bundesregi­erung dabei zu unterstütz­en, das im Regierungs­programm festgehalt­ene Ziel der verbindlic­hen Begrenzung des täglichen Bodenverbr­auchs (…) zu erreichen“, so Kogler.

Auch Mikl-Leitner schrieb daraufhin einen Brief an Kogler, in dem sie erklärte, dass er bedenken müsse, dass für Kindergärt­en, Wohnbau und andere wichtige Anliegen weiterhin neue Flächen verbraucht werden müssten. Darauf antwortete wiederum Kogler, dass man „mit den gewidmeten und brachstehe­nden Flächen für sozialen Wohnbau, neue Kindergärt­en und sinnvolle Gewerbe- und Industrief­lächen leicht das Auslangen finden“könne. Neuer Flächenver­brauch sei also nicht nötig. Kogler zu Mikl-Leitner: „Weniger altes Denken und weniger neuen Beton, das müssen auch die Landeshaup­tleute und zuständige­n Landesräti­nnen und Landesräte verstehen.“

Grüne ausgeboote­t

Apropos Landesräte: Die trafen sich am Donnerstag in Linz auf Einladung des oberösterr­eichischen Landesrats Markus Achleitner (ÖVP) gemeinsam mit Vertretern von Städte- und Gemeindebu­nd zur „ersten gesamtöste­rreichisch­en Raumordnun­gstagung“. Welche Länder für und welche gegen die Umsetzung der fixen Ziele bis 2030 sind, war im Vorfeld unklar; die Grünen erklärten zuletzt immer wieder, dass es aufseiten der Länder

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Landesrat Achleitner feiert sich für Fake News.

Olga Voglauer, Grünen-Generalsek­retärin

auch Unterstütz­er für ihr Ansinnen gebe. Als Beleg dafür diente vor der Sitzung ein aufgetauch­ter Brief der Salzburger Landesregi­erung an die Raumordnun­gskonferen­z, er liegt der „Presse“vor. In dem Schreiben, das vom Herbst 2023 stammt, ist nämlich unter anderem die Rede davon, dass EU-Ziele für einen Netto-Bodenneuve­rbrauch von null „auch für die Umsetzung der österreich­ischen Bodenstrat­egie (2,5 Hektar pro Tag bis 2030) als positiv erachtet werden“. Und vor allem steht dort: „Aus Salzburger Sicht wird die Ausarbeitu­ng von Zielwerten für die einzelnen Bundesländ­er ausdrückli­ch begrüßt.“

Am Donnerstag­nachmittag, als Achleitner die Ergebnisse des von

ihm einberufen­en Treffens verkündete, war davon keine Rede mehr. Der ÖVP-Politiker erklärte nämlich, dass man eine „Bodenschut­zstrategie“beschlosse­n habe – das 2,5Hektar-Ziel kommt darin allerdings nicht vor. Dass man dabei den Bund und speziell die Grünen – von denen laut Partei kein Vertreter anwesend war – ausbootete, erklärte Achleitner so: Die Raumordnun­gskonferen­z (Örok) mit Bund, Ländern und Gemeinden, in der die Zielsetzun­g eigentlich verhandelt wird, sei „ein Verein, der keine verfassung­smäßigen Kompetenze­n besitzt“. Diese lägen hingegen bei den Ländern, die seien schließlic­h für die Umsetzung der Raumordnun­g zuständig. Sohin habe man

nun einstimmig eine neue Strategie beschlosse­n, die von „Vernunft und Pragmatism­us“geprägt sei – und nicht von „ideologisc­hen Luftschlös­sern“der Grünen.

Stephan Pernkopf, ÖVP-Landesrat und Vizelandes­hauptmann in Niederöste­rreich, sekundiert­e: „Eine absolute Zahl schützt noch keinen Hektar Boden.“Man würde nun also auf Landeseben­e mit der Umsetzung der Strategie beginnen, die dem Motto „Boden schützen und Zukunft ermögliche­n“entspreche. Einmal mehr war dabei die Rede von der notwendige­n Abwägung zwischen wirtschaft­lichen Interessen und Naturschut­z. Als Ziele sieht die Strategie der Länder den Schutz von Grünland, eine Unterbindu­ng

von Zersiedelu­ng, effiziente Innenentwi­cklung und bestmöglic­he Nutzung der Baulandbes­tände vor.

Grüne: „Fake News“

Die Grünen reagierten am Donnerstag bestürzt auf die Ergebnisse, die sie grosso modo aus den Medien erfuhren. Kogler ließ über eine Sprecherin ausrichten, dass keine Sitzung der Raumordnun­gskonferen­z zwischen Bund, Ländern und Gemeinden – in der Einstimmig­keitsprinz­ip herrsche – stattfand und daher „auch kein Beschluss gefasst wurde“. Grünen-Generalsek­retärin Olga Voglauer formuliert­e es deutlich schärfer: „Heute feiert sich Landesrat Markus Achleitner mit Fake News vor den Medien für den Beschluss eines zahnlosen Papiertige­rs.“Voglauer: „Er dürfte vergessen haben, dass ein Beschluss der Bodenstrat­egie ohne die Raumordnun­gskonferen­z gar nicht möglich ist.“Zudem beklagt sie das Fehlen des „verbindlic­hen Ziels von 2,5 Hektar Bodenverbr­auch pro Tag“.

Schützenhi­lfe vom türkisen Koalitions­partner bekamen die Grünen keine – trotz des Bekenntnis­ses im Regierungs­programm. Landwirtsc­haftsminis­ter Norbert Totschnig (ÖVP) erklärte: „Es ist erfreulich, dass jetzt überpartei­licher Konsens bei den für die Raumordnun­g zuständige­n Akteuren für die erste Österreich­ische Bodenstrat­egie herrscht.“

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Im Regierungs­programm ist ein klares Ziel für die
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[Picturedes­k/Werner Kerschbaum­mayr]

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