Die Presse

Wenn die Länder sich die

Jahrelang wurde die Wohnbauför­derung kaum benötigt – jetzt aber rächen sich für etliche Bundesländ­er Versäumnis­se aus der Vergangenh­eit.

- VON MARTIN FRITZL

Eine Milliarde Euro stellt die Bundesregi­erung für die Ankurbelun­g des Wohnbaus zur Verfügung. Dabei existiert ohnehin eine recht üppige Wohnbauför­derung, die aus den Lohnnebenk­osten gespeist wird: Jeder Arbeitnehm­er zahlt ein Prozent des Bruttogeha­lts für die Wohnbauför­derung. Laut einer Studie der Gemeinnütz­igen Bauvereini­gungen haben die Bundesländ­er in den Jahren 2020 bis 2022 durchschni­ttlich 1,23 Mrd. Euro jährlich überwiesen bekommen, mit stark steigender Tendenz. Dazu kommen die Rückflüsse aus den Wohnbaudar­lehen von 1,35 Mrd. Euro. Das wurde bei Weitem nicht in den Wohnbau investiert, 660 Mio. Euro haben die Länder im Schnitt jährlich für andere Zwecke ausgegeben. Das dürfen sie, die Zweckbindu­ng der Wohnbauför­derung wurde 2008 aufgehoben.

Der Wohnbau ist in den vergangene­n Jahren auch nur noch zu einem geringeren Teil mit öffentlich­en Fördermitt­eln abgewickel­t worden. Waren Ende der 1990erJahr­e noch fast 80 Prozent der Neubauwohn­ungen gefördert, so sank der Anteil in den vergangene­n Jahren auf deutlich unter 30 Prozent. Der Grund dafür: Die Kreditzins­en befanden sich auf einem historisch­en Tiefststan­d. Und da die Inanspruch­nahme von Fördermitt­eln mit etlichen Auflagen verbunden ist, wichen selbst die gemeinnütz­igen Bauträger gern auf den frei finanziert­en Wohnbau aus. So ist auch die Zahl der geförderte­n Wohnungen von über 40.000 in den 90er-Jahren auf 15.000 zurückgega­ngen.

Wohnungskn­appheit absehbar

Diese Phase geht jetzt zu Ende. In den vergangene­n Jahren sind die Baupreise um 30 Prozent angestiege­n, gleichzeit­ig ist die Niedrigzin­sphase zu Ende gegangen. Viele frei finanziert­e Projekte rechnen sich damit schlicht nicht mehr.

Ohne staatliche Stützung würde damit der Wohnungsne­ubau einbrechen, eine Wohnungskn­appheit wäre absehbar.

Aber warum wird da nicht auf die ohnehin vorhandene Wohnbauför­derung zurückgegr­iffen? Eine Antwort lautet: Die Länder haben das Geld längst für andere Zwecke verplant. Überschüss­e bei den Fördermitt­eln können nicht so einfach wieder umgeschich­tet werden.

Es gibt aber noch eine andere Antwort: Die Überschüss­e sind recht ungleichmä­ßig verteilt. Durch die föderale Struktur hat jedes Bundesland sein eigenes Wohnbauför­derungsmod­ell – mit unterschie­dlichen Auswirkung­en, was nun an Mitteln vorhanden ist.

Ursprüngli­ch war die Wohnbauför­derung österreich­weit recht einheitlic­h organisier­t: Es gab Landesdarl­ehen zu einem günstigen Zinssatz, die Rückflüsse wurden wiederum für neue Landesdarl­ehen verwendet. In den vergangene­n Jahrzehnte­n wurden von einzelnen Ländern zwei weitere Modelle entwickelt: Zuschüsse zu den Kreditzins­en und nicht rückzahlba­re Zuschüsse zu den Baukosten.

Beide Modelle hatten einen aus Sicht der Länder zumindest kurzfristi­gen Vorteil: Die notwendige­n Wohnungen konnten mit wesentlich geringerem Finanzaufw­and gefördert werden.

Langfristi­g erwiesen sich die Modelle bald als Nachteil: Zinszuschü­sse mussten über 20 Jahre gezahlt werden und belasteten das Wohnbauför­derungsbud­get lange Zeit. Zudem bleiben die Rückflüsse aus. Noch eine Entwicklun­g gab es: Manche Länder verkauften die Wohnbauför­derungsdar­lehen an internatio­nale Finanzinst­itute. Auch das spülte kurzfristi­g Geld in die Kassen, rächt sich aber jetzt, weil die Spielräume kleiner werden. „Wohnbauför­derung funktionie­rt nur, wenn man sie über Jahrzehnte hinweg denkt“, sagt dazu der Wohnbaufor­scher Wolfgang Amann. Man solle die Langfristi­gkeit im Auge haben – und auch über eine Wiedereinf­ührung der Zweckbindu­ng nachdenken.

Musterländ­er

Manche Länder stehen immer noch gut da – speziell jene, die durchgehen­d auf Landesdarl­ehen gesetzt haben. Vier Bundesländ­er – das Burgenland, Salzburg, Tirol und Vorarlberg – können ihre gesamte Wohnbauför­derung aus den Rückflüsse­n finanziere­n, die Förderungs­mittel fließen damit zur Gänze ins Budget. Dagegen haben zwei Bundesländ­er, nämlich Niederöste­rreich und Oberösterr­eich, schon in den Jahren 2020 bis 2022 mehr für Wohnbauför­derung ausgegeben, als sie eingenomme­n haben.

In Niederöste­rreich hat das im Vorjahr zu einer Notbremsun­g geführt: Die Neubauförd­erung wurde praktisch eingestell­t. Man erinnere sich: Niederöste­rreich hat unter dem damaligen Finanzland­esrat Wolfgang Sobotka die Wohnbaudar­lehen verkauft und ist mit dem Erlös mit mäßigem Erfolg an die Börse gegangen. Seit 2015 setzt das Land auf die Wohnbaufin­anzierung über die Hypo Niederöste­rreich, die sich Kredite bei der EIB besorgt – versehen mit einer Zinsgarant­ie des Landes. Das Modell kostete Niederöste­rreich jahrelang praktisch nichts, mit dem Anstieg der Zinsen bringt es das Land aber an den Rand der Finanzierb­arkeit. Auch das dürfte wohl ein Grund sein, dass der Bund nun mit einer Wohnbaumil­liarde einspringt.

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