Ist Bauen vereinbar mit dem Bodenschutz?
Bedenken wegen Förderung von Neubauten, Regierung betont Sanierungsfokus.
Wien. Die türkis-grüne Bundesregierung hat sich den Schutz der Böden ins Regierungsprogramm geschrieben. Nicht schwammig und allgemein, sondern mit klarem Zielwert: Der Flächenverbrauch soll bis 2030 auf netto 2,5 Hektar pro Tag beschränkt werden. Dafür braucht es eine Strategie, über die auf Bundesebene zwischen den Koalitionspartnern zwar Einigkeit herrscht, die Länder zieren sich aber, mitzumachen (siehe nebenstehenden Artikel). Wie es aussieht, wird Österreich sein Ziel laut WWF bis 2030 um das fast Fünffache verfehlen. Seit die Regierung diese Woche ein Baupaket auf den
Weg gebracht hat, mit dem sie die Hochbau-Wirtschaft wieder ankurbeln und für leistbaren Wohnraum sorgen möchte, steht nun die Frage im Raum, ob und vor allem wie diese Pläne mit dem Bodenschutz vereinbar sind. „In Zeiten einer Klimakatastrophe hauptsächlich Neubauten und damit Bodenversiegelung zu fördern ist schlicht Wahnsinn und muss beendet werden“, heißt es von den Alternativen, Grünen und Unabhängigen Gewerkschaftern Auge/UG.
Man könne schon die Frage stellen, ob das frei stehende Einfamilienhaus gleich gefördert wird wie Maßnahmen der Innenverdichtungen, der Adaptierung von Altbauten usw., sagt auch Arthur Kanonier vom Forschungsbereich Bodenpolitik und Bodenmanagement der Technischen Universität Wien im Ö1-„Morgenjournal“. Dort schlägt auch Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen vor, die Förderung für das Eigenheim an eine begrenzte Wohnfläche zu knüpfen. Früher sei diese Grenze bei einer Nutzfläche von 130 Quadratmetern gelegen, das sei vernünftig, sagt er. Förderungen für Einfamilienhäuser könnten auch an eine maximale Grundfläche – etwa 250 Quadratmeter – gebunden werden.
Hauptzuständig für die Erarbeitung der Bodenstrategie ist das Landwirtschaftsministerium von Norbert Totschnig (ÖVP). Gefragt, ob das Baupaket nicht die Bemühungen, den Flächenverbrauch zu reduzieren, konterkariere, erklärt er gegenüber der „Presse“, im Baupaket seien auch wichtige Zielsetzungen der Bodenstrategie berücksichtigt worden. Er nennt etwa den „Fokus auf flächensparende Bauweisen oder die Sanierung des Bestandes, ohne neue Flächen in Anspruch nehmen zu müssen“. Auch würden für die Reaktivierung von Leerständen und zur Aufwertung von lebendigen Orts- und Stadtkernen 26 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Die Grünen wiederum haben den Bodenschutz ja als eines ihrer großen Themen in den kommenden Wahlkämpfen definiert. Neben dem Schutz vor Hochwasser sprechen sie etwa auch von Ernährungssicherheit durch den Erhalt fruchtbarer Flächen. Auf die Frage, ob sich das Baupaket denn nicht mit dem Bodenschutz schlage, hatte der grüne Vizekanzler, Werner Kogler, kürzlich im „Presse am Sonntag“-Interview gesagt, dass „wir in Österreich bekanntermaßen eh schon so viele gewidmete Flächen und betonierte Brachen haben. Wenn wir ökologisch nachhaltig und sozial gerecht gestalten, haben auch die Wirtschaft und damit die Arbeitnehmer was davon.“
Wir haben in Öster- reich eh schon so viele gewidmete Flächen und betonierte Brachen.
Werner Kogler, Vizekanzler
Fokus auf Sanierungen
Gemeint ist, dass das Paket laut Plan sehr schnell wirksam werden soll und man deshalb auf bereits gewidmete oder versiegelte Flächen wird zurückgreifen müssen. Immerhin dauert eine Umwidmung von Flächen in Österreich recht lang – nach Schätzungen der Umweltschutzorganisation Greenpeace mehrere Monate oder sogar Jahre. Außerdem, erklärt man nun im Vizekanzleramt, werde mit dem Paket ja ein Fokus auf die Sanierung bestehender Gebäude gelegt und eine Regelung eingeführt, die es den Ländern ermöglicht, nach eigenem Ermessen Leerstandsabgaben einzuheben.
Der Gedanke: Wenn es teurer wird, Wohnraum leer stehen zu lassen, wird er möglicherweise eher zur tatsächlichen Nutzung zur Verfügung gestellt. Ein weiteres Stichwort, das beide Regierungsparteien nennen, ist die Verdichtung des Wohnraums. Das bezieht sich sowohl auf den Neubau als auch auf mehrgeschoßige Bauten. Letzteres heiß: besser in die Höhe als in die Breite bauen.
Das politisch Vereinbarte wird derzeit in Gesetzes- und Verordnungstexte gegossen. Teile gehen dann in ein Begutachtungsverfahren, in dem Stellungnahmen eingebracht und gegebenenfalls Änderungen vorgenommen werden, bevor der Nationalrat die Gesetze beschließt.