Die Presse

Ist Bauen vereinbar mit dem Bodenschut­z?

Bedenken wegen Förderung von Neubauten, Regierung betont Sanierungs­fokus.

- VON ELISABETH HOFER

Wien. Die türkis-grüne Bundesregi­erung hat sich den Schutz der Böden ins Regierungs­programm geschriebe­n. Nicht schwammig und allgemein, sondern mit klarem Zielwert: Der Flächenver­brauch soll bis 2030 auf netto 2,5 Hektar pro Tag beschränkt werden. Dafür braucht es eine Strategie, über die auf Bundeseben­e zwischen den Koalitions­partnern zwar Einigkeit herrscht, die Länder zieren sich aber, mitzumache­n (siehe nebenstehe­nden Artikel). Wie es aussieht, wird Österreich sein Ziel laut WWF bis 2030 um das fast Fünffache verfehlen. Seit die Regierung diese Woche ein Baupaket auf den

Weg gebracht hat, mit dem sie die Hochbau-Wirtschaft wieder ankurbeln und für leistbaren Wohnraum sorgen möchte, steht nun die Frage im Raum, ob und vor allem wie diese Pläne mit dem Bodenschut­z vereinbar sind. „In Zeiten einer Klimakatas­trophe hauptsächl­ich Neubauten und damit Bodenversi­egelung zu fördern ist schlicht Wahnsinn und muss beendet werden“, heißt es von den Alternativ­en, Grünen und Unabhängig­en Gewerkscha­ftern Auge/UG.

Man könne schon die Frage stellen, ob das frei stehende Einfamilie­nhaus gleich gefördert wird wie Maßnahmen der Innenverdi­chtungen, der Adaptierun­g von Altbauten usw., sagt auch Arthur Kanonier vom Forschungs­bereich Bodenpolit­ik und Bodenmanag­ement der Technische­n Universitä­t Wien im Ö1-„Morgenjour­nal“. Dort schlägt auch Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen vor, die Förderung für das Eigenheim an eine begrenzte Wohnfläche zu knüpfen. Früher sei diese Grenze bei einer Nutzfläche von 130 Quadratmet­ern gelegen, das sei vernünftig, sagt er. Förderunge­n für Einfamilie­nhäuser könnten auch an eine maximale Grundfläch­e – etwa 250 Quadratmet­er – gebunden werden.

Hauptzustä­ndig für die Erarbeitun­g der Bodenstrat­egie ist das Landwirtsc­haftsminis­terium von Norbert Totschnig (ÖVP). Gefragt, ob das Baupaket nicht die Bemühungen, den Flächenver­brauch zu reduzieren, konterkari­ere, erklärt er gegenüber der „Presse“, im Baupaket seien auch wichtige Zielsetzun­gen der Bodenstrat­egie berücksich­tigt worden. Er nennt etwa den „Fokus auf flächenspa­rende Bauweisen oder die Sanierung des Bestandes, ohne neue Flächen in Anspruch nehmen zu müssen“. Auch würden für die Reaktivier­ung von Leerstände­n und zur Aufwertung von lebendigen Orts- und Stadtkerne­n 26 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Die Grünen wiederum haben den Bodenschut­z ja als eines ihrer großen Themen in den kommenden Wahlkämpfe­n definiert. Neben dem Schutz vor Hochwasser sprechen sie etwa auch von Ernährungs­sicherheit durch den Erhalt fruchtbare­r Flächen. Auf die Frage, ob sich das Baupaket denn nicht mit dem Bodenschut­z schlage, hatte der grüne Vizekanzle­r, Werner Kogler, kürzlich im „Presse am Sonntag“-Interview gesagt, dass „wir in Österreich bekannterm­aßen eh schon so viele gewidmete Flächen und betonierte Brachen haben. Wenn wir ökologisch nachhaltig und sozial gerecht gestalten, haben auch die Wirtschaft und damit die Arbeitnehm­er was davon.“

Wir haben in Öster- reich eh schon so viele gewidmete Flächen und betonierte Brachen.

Werner Kogler, Vizekanzle­r

Fokus auf Sanierunge­n

Gemeint ist, dass das Paket laut Plan sehr schnell wirksam werden soll und man deshalb auf bereits gewidmete oder versiegelt­e Flächen wird zurückgrei­fen müssen. Immerhin dauert eine Umwidmung von Flächen in Österreich recht lang – nach Schätzunge­n der Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace mehrere Monate oder sogar Jahre. Außerdem, erklärt man nun im Vizekanzle­ramt, werde mit dem Paket ja ein Fokus auf die Sanierung bestehende­r Gebäude gelegt und eine Regelung eingeführt, die es den Ländern ermöglicht, nach eigenem Ermessen Leerstands­abgaben einzuheben.

Der Gedanke: Wenn es teurer wird, Wohnraum leer stehen zu lassen, wird er möglicherw­eise eher zur tatsächlic­hen Nutzung zur Verfügung gestellt. Ein weiteres Stichwort, das beide Regierungs­parteien nennen, ist die Verdichtun­g des Wohnraums. Das bezieht sich sowohl auf den Neubau als auch auf mehrgescho­ßige Bauten. Letzteres heiß: besser in die Höhe als in die Breite bauen.

Das politisch Vereinbart­e wird derzeit in Gesetzes- und Verordnung­stexte gegossen. Teile gehen dann in ein Begutachtu­ngsverfahr­en, in dem Stellungna­hmen eingebrach­t und gegebenenf­alls Änderungen vorgenomme­n werden, bevor der Nationalra­t die Gesetze beschließt.

 ?? [Georg Hochmuth/APA] ?? Bei der Paketpräse­ntation an der Palette: Vizekanzle­r Werner Kogler (links) neben Bundeskanz­ler Karl Nehammer.
[Georg Hochmuth/APA] Bei der Paketpräse­ntation an der Palette: Vizekanzle­r Werner Kogler (links) neben Bundeskanz­ler Karl Nehammer.

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