Grazer Fest für Pop und Politik
Seit 20 Jahren trifft in Graz Popkultur auf politische Debatte. Zum Jubiläum widmet man sich dem Wahljahr und westlichen Versprechen.
Julian Assange wurde 2018 live aus der ecuadorischen Botschaft zugeschaltet, Pamela Anderson im Jahr darauf war selbst in Graz zu Besuch. Diesmal wurde zur Eröffnung am Mittwochabend Oleksandra Matwijtschuk aus Kiew zugeschaltet. Die ukrainische Menschenrechtsanwältin hat 2022 den Friedensnobelpreis gewonnen und zeigt sich besorgt: „Die Freiheit auf der ganzen Welt wird angegriffen.“
Es sind vor allem die vielen prominenten Persönlichkeiten, die Bernhard Steirer einfallen, wenn man ihn nach seinen Festival-Highlights fragt. Seit 20 Jahren verbindet das Grazer Elevate Festival Musik mit Politik. „Wir dachten uns, dass das in der Kombination noch nicht existiert“, sagt Steirer über die Anfänge. Der Grazer leitet das Festival gemeinsam mit Roland Oreski und ist selbst seit Anbeginn dabei.
An Brisanz verloren hat der Ansatz des Festivals jedenfalls nicht. „Weltweit sind wir aktuell mit den meisten gewaltsamen Konflikten seit dem zweiten Weltkrieg konfrontiert“, heißt es auf der Website von Elevate. Gleichzeitig stünden 2024 mehr als 70 Wahlen bevor. Rechtspopulistische und antidemokratische Kräfte würden Toleranz, Demokratie und Humanismus bedrohen – all das seien westliche Ideale. Das Motto des Festivals lautet passend „Western Promises“.
Zur Eröffnung am Mittwochabend war auch der Bundespräsident gekommen, der im Grazer Orpheum darüber sprach, dass in manchen Nachbarländern Österreichs die Rechte der Frauen und queerer Menschen bedroht seien. Und: „Im Osten steht ein Autokrat.“Die Freiheiten, die wir haben, und der Friede seien zerbrechlich.
Stollen bis Aiola
Drei Tage lang ist das Grazer Volkskundemuseum Zentrum für Diskussionen rund um diese Themen – und das gratis. „Das war immer schon so und wird auch immer so sein. Es geht darum, dass jeder teilnehmen kann.“Das war auch ein Gründungsgedanke des Festivals. Dieses Jahr sprechen u. a. WienerFestwochen-Intendant Milo Rau, Umweltaktivistin Halliki Kreinin und Extremismusforscherin Julia Ebner.
Die musikalischen Acts finden in ganz Graz statt. Unterirdisch im Stollensystem des Schlossbergs und auch hoch oben: Das Café-Restaurant Aiola auf dem Schlossberg beherbergt erstmals an zwei Abenden Musikprogramm. im Orpheum spielt am Samstag Ryoji Ikeda, ein japanischer Sound- und Digital Arts-Pionier. Als musikalisches Finale singt am Sonntag Abend Róisín Murphy vor 1300 Personen im Orpheum. Sie war
Teil des irisch-britischen Musikduos Moloko, das in den 1990ern mit Elektropop-Hits große Bekanntheit erlangte. Aktuell ist sie mit ihrem Album „Hit Parade“auf Tour. Für die Musikacts muss man zwar zahlen, Murphys Konzert ist aber bereits restlos ausverkauft.
Ein Drittel der Menschen, die sich die Musik in Graz live anhören, stammt aus dem Ausland. In Graz herrsche ab Mittwoch ein internationaler Spirit, sagt Bernhard Steirer. „Wir bekommen auch das Feedback, dass sich die Leute blind Tickets kaufen, weil sie sich überraschen lassen wollen von dem, was sie erwartet.“Er selbst sei jedes Mal vom Festival begeistert: „Diese Erfahrung von Menschen, die zusammenkommen, um gemeinsam etwas Größeres zu
schaffen, das ist für mich immer eine unglaubliche Inspiration, die ich aus dem Festival mitnehme.“
Die Diskussionsrunden finden ausschließlich im Volkskundemuseum statt, sind dafür aber auch online zu sehen. Besprochen werden auch Themen wie Psychologie, die Klimakrise und technische Entwicklungen wie KI. „Das alles sehr stark im Hinblick auf demokratiepolitische Entwicklungen“, sagt Steirer. Trotz der eindeutig politischen Ausrichtung will das Festival Polarisierung aber entgegenwirken. „Wir freuen uns auf ein diverses Publikum.“
Ein Geburtstagsgeschenk gab es zur Eröffnung ebenso: einen filmischen Abriss von Regisseur Sebastian Brauneis über 20 Jahre Elevate.