Die Presse

So stellt man sich das Apple-Auto vor

Fahrberich­t. Volvos kleiner Stromer bietet vieles davon, was von Autos schon lang gefordert wird. Das bedeutet allerdings auch, dass da und dort Abstriche zu machen sind.

- VON TIMO VÖLKER

Die ausufernde Knöpferlla­ndschaft in Auto-Cockpits war zumindest vor dem flächendec­kenden Einzug des Touchscree­ns ein drängendes Thema – wir zählten einmal 64 Knöpfe, Schalter und Rädchen; viel fehlte nicht zum Airbus-Cockpit. Das wurde durch die Verlagerun­g ins Digitale bereits eingedämmt und ist ohnehin die Zukunft, schon seitens der Hersteller, denn der Wegfall vieler kleiner Bauteile samt Verkabelun­g vereinfach­t die Produktion und spart Baukosten.

So konsequent aufgeräumt, wie Volvo das Interieur des neuen EX30 präsentier­t, war das noch von keinem Hersteller zu sehen. So clean stellte man sich das Apple-Auto vor (von dem man nun weiß, dass es nicht kommen wird): Alles ist im Bildschirm (übrigens auch Google). Handschuhf­ach öffnen? Bildschirm. Außenspieg­el einstellen oder einklappen? Über den Bildschirm.

Tacho in der Mitte

Und der Tacho? Auch auf dem zentralen 12,3-Zoll-Screen; eigentlich nicht im Blickfeld (dafür wird man elektronis­ch ermahnt). Grad vorausgesc­haut, ist nichts mehr zwischen Lenkrad und Windschutz­scheibe, außer,. dass einen die diskret verbaute Kamera als Aufmerksam­keitsassis­tenz taxiert.

Das Prinzip Tabula rasa ist zunächst irritieren­d und empfiehlt den Volvo kaum als Mietwagen mit vielen wechselnde­n Benutzern. Es vereinfach­t auch nicht alles, wenn man etwa zum Spiegelein­stellen auf einem Bildschirm tapsen muss, statt das nahezu blind mit dem gewohnten Handgriff an der Seite zu erledigen.

Aber lassen wir gelten, dass es letztlich doch funktionie­rt – und dass es einen Look kreiert, in dem das Autofahren mit irgendetwa­s anderem verschmolz­en ist, in einer Lounge sitzen zum Beispiel. Dass man dennoch ein Auto befehligt, daran erinnert das ausnehmend schön und handlich geformte Lenkrad, das sich auch nah an den Körper heranziehe­n lässt (dies ohne Bildschirm), sodass man reaktionss­chnell aus den Armgelenke­n lenken kann, wie es gehört. Und schnelle Reaktionen können durchaus gefragt sein, denn der (in

China gebaute) EX30 ist ein aufgeweckt­es Kerlchen. Fast schon zu aufgeweckt, wenn es um behutsames Anfahren geht, bei dem also nicht gleich die Köpfe in die Nackenstüt­zen peppeln. Das gibt’s milder abgestimmt.

Es passt freilich zum äußerst straff abgestimmt­en Fahrwerk, das seine Insassen permanent knufft von zärtlich bis intensiv und keine Unklarheit­en über den Fahrbahnzu­stand duldet. Immerhin hat man das mit einer Dämpfung ohne Härte hinbekomme­n, aber so straff muss man’s schon wirklich mögen.

Wie ein Sportwagen

Das Fahrgefühl ist in der Folge äußerst knackig. Die ebenfalls verfügbare Allradvers­ion mit nochmals deutlich mehr Leistung (400 PS!) scheint uns schon over the top. Mit den 200 Kilowatt an der Hinterachs­e – Volvo hat ja umgestellt von vorn auf Heckantrie­b – lässt sich jedes Ampelduell gewinnen, die Werksangab­e deutet das mit 5,3 Sekunden von null auf 100 bereits an – das ist ein Sportwagen­wert.

Wer das nicht braucht oder haben möchte und stattdesse­n weniger ausgeben will, wird sich für für die Einstiegsv­ersion interessie­ren (die wir noch nicht gefahren sind), sie kommt allerdings mit kleinerem Akku, und der mag vielen vielleicht schon zu wenig Reichweite bieten.

Mit nutzbaren 64 kWh lässt sich weitgehend das Auslangen finden; um die 300 Kilometer sind eine robuste Untergrenz­e, unter Idealbedin­gungen geht deutlich mehr. Das Ladekabel verstaut man im Frunk (und entlastet den Kofferraum).

Als progressiv gedacht kann man auch die Größe des EX30 interpreti­eren – statt Maßlosigke­it ist es ist nämlich ein kleines Auto, auch wenn es durch den SUV-Zuschnitt nicht so wirkt. Spätestens, wenn ein Erwachsene­r auf der Rückbank (durch den engen, unbequemen Zugang) Platz genommen hat, wird klar: Hier ist nicht mehr Platz als in einem Kleinwagen.

Kein Problem: Volvo lacht viele Besserverd­iener an, die sich über ihre tatsächlic­hen Platzbedür­fnisse klar geworden sind und den großen Rucksack nicht brauchen. Aber Familien mit mehr als einem Kind scheiden als Zielgruppe von vornherein aus. Wenn nicht schon preislich, denn die EX30-Tarife sind selbstbewu­sst wie seine Statur.

 ?? [Fabry] ?? Von vertrauens­erweckende­r Statur, von den Rücksitzen aus betrachtet ein Kleinwagen: Volvo EX30 mit prominente­m Display, über das fast alles gesteuert wird.
[Fabry] Von vertrauens­erweckende­r Statur, von den Rücksitzen aus betrachtet ein Kleinwagen: Volvo EX30 mit prominente­m Display, über das fast alles gesteuert wird.

Newspapers in German

Newspapers from Austria