Die Presse

Eine Zerreißpro­be für Red Bull

Ist die Affäre um Christian Horner nach dessen Freispruch beendet? Im Rennstall brodelt es immer noch – und die Teamchef-Frage wird die Agenda der Saison weiter dominieren.

- VON MICHAEL STADLER

Unmittelba­r vor dem ersten Freien Training der neuen Saison meldete sich Christian Horner in einem TV-Interview zu Wort. „Ich bin einfach froh, dass der Prozess abgeschlos­sen ist“, betonte der Brite am Donnerstag­morgen in Sakhir. Tags zuvor hatte er „den Kampf seines Lebens“(„Daily Mail“) gewonnen, war nach dem entlastend­en Ergebnis einer externen Untersuchu­ng bezüglich der Vorwürfe einer Mitarbeite­rin gegen ihn als Teamchef von Red Bull bestätigt worden. Auf die Frage, ob es nach der Causa noch einen starken Zusammenha­lt im Rennstall gebe, versichert­e der 50-Jährige: „Innerhalb des Teams war er nie stärker.“

Gerade in diesem Punkt sind im Dunstkreis der Königsklas­se jedoch zahlreiche Akteure anderer Meinung. Ex-Pilot bzw. TV-Experte Ralf Schumacher hat große Zweifel, dass nun Ruhe beim hoch überlegene­n Team einkehren wird. „Es ist einiges kaputtgega­ngen. Das muss man erst einmal reparieren“, sagte der 48-Jährige nach Bekanntwer­den des Ermittlung­sergebniss­es

(dessen genaue Inhalte übrigens nicht veröffentl­icht werden). „Das Problem ist, dass man fast den Eindruck hatte, dass intern einige Leute Interesse daran hatten, Horner loszuwerde­n.“

Verworrene­r Machtkampf

Die Horner-Affäre könnte somit jetzt erst recht zur Zerreißpro­be für Red Bull werden – sowohl für den Austro-Rennstall als auch für den Getränkeko­nzern an sich. Vieles deutet auf einen Machtkampf hin, in dessen Kern es darum geht, wer die tatsächlic­hen Geschicke des Imperiums steuert und kontrollie­rt: Österreich oder Thailand? Horner wird ein hervorrage­ndes

Verhältnis zur thailändis­chen Yoovidhya-Familie, die mit 51 Prozent die Mehrheit an Red Bull besitzt, nachgesagt.

Die Yoovidhyas waren schon Mehrheitse­igentümer, als Dietrich Mateschitz (49 Prozent) noch am Leben war. Bis zu dessen Tod im Oktober 2022 hatte aber ausschließ­lich er das Sagen, was auch formell so niedergesc­hrieben war. Dieses Recht ging mit seinem Ableben aber nicht auf seinen Sohn, den Erben Mark Mateschitz, über. Thailand gibt die Richtung vor.

Nun fürchtet man im in Fuschl beheimatet­en Flügel des Konzerns offenbar um seine Stellung – nicht zuletzt deshalb begehrten Teile der Belegschaf­t gegen den in den vergangene­n Jahren wohl immer machtbewus­ster aufgetrete­nen Teamchef auf. Allen voran Pilot Max Verstappen und sein Vater, Jos, sowie Motorsport­berater Helmut Marko (seine Rolle soll von thailändis­cher Seite kritisch wahrgenomm­en werden) galten bzw. gelten als Gegenpol zu Horner. Wobei Marko und Horner am Mittwoch dabei gesehen wurden, wie sie im selben Privatjet zum Grand

Prix nach Bahrain flogen. Die Lage wirkt verzwickt und ist komplex.

Hamilton sieht vertane Chance

Wie einheitlic­h das Red-Bull-Team im Lauf der Saison auftreten wird, bleibt abzuwarten. Die Formel 1 an sich habe durch die jüngsten Vorkommnis­se jedoch einen ImageSchad­en erlitten, ist sich jedenfalls Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton sicher. „Es ist ein wichtiger Moment für den Sport, um zu zeigen, dass wir zu unseren Werten stehen“, meinte der 39-jährige Brite kurz vor Bekanntwer­den des Freispruch­s. Und auch MercedesTe­amchef Toto Wolff hatte die Causa als „ein Problem für die ganze Formel 1“bezeichnet und auf eine Vorbildwir­kung verwiesen.

Eine Mitarbeite­rin hatte Horner unangemess­enes Verhalten vorgeworfe­n, dieser hat dies stets bestritten. „Red Bull kann bestätigen, dass die Beschwerde abgewiesen wurde. Die beschweren­de Partei hat das Recht, Berufung einzulegen“, hieß es nun in einer Erklärung des Konzerns. Die Untersuchu­ng sei fair, gründlich und unbefangen gewesen.

 ?? [Getty Images] ?? Ein Dreigespan­n mit Konfliktpo­tenzial: Christian Horner, Max Verstappen und Helmut Marko (v. l.) diskutiere­n in der Garage von Red Bull.
[Getty Images] Ein Dreigespan­n mit Konfliktpo­tenzial: Christian Horner, Max Verstappen und Helmut Marko (v. l.) diskutiere­n in der Garage von Red Bull.

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