Eine Zerreißprobe für Red Bull
Ist die Affäre um Christian Horner nach dessen Freispruch beendet? Im Rennstall brodelt es immer noch – und die Teamchef-Frage wird die Agenda der Saison weiter dominieren.
Unmittelbar vor dem ersten Freien Training der neuen Saison meldete sich Christian Horner in einem TV-Interview zu Wort. „Ich bin einfach froh, dass der Prozess abgeschlossen ist“, betonte der Brite am Donnerstagmorgen in Sakhir. Tags zuvor hatte er „den Kampf seines Lebens“(„Daily Mail“) gewonnen, war nach dem entlastenden Ergebnis einer externen Untersuchung bezüglich der Vorwürfe einer Mitarbeiterin gegen ihn als Teamchef von Red Bull bestätigt worden. Auf die Frage, ob es nach der Causa noch einen starken Zusammenhalt im Rennstall gebe, versicherte der 50-Jährige: „Innerhalb des Teams war er nie stärker.“
Gerade in diesem Punkt sind im Dunstkreis der Königsklasse jedoch zahlreiche Akteure anderer Meinung. Ex-Pilot bzw. TV-Experte Ralf Schumacher hat große Zweifel, dass nun Ruhe beim hoch überlegenen Team einkehren wird. „Es ist einiges kaputtgegangen. Das muss man erst einmal reparieren“, sagte der 48-Jährige nach Bekanntwerden des Ermittlungsergebnisses
(dessen genaue Inhalte übrigens nicht veröffentlicht werden). „Das Problem ist, dass man fast den Eindruck hatte, dass intern einige Leute Interesse daran hatten, Horner loszuwerden.“
Verworrener Machtkampf
Die Horner-Affäre könnte somit jetzt erst recht zur Zerreißprobe für Red Bull werden – sowohl für den Austro-Rennstall als auch für den Getränkekonzern an sich. Vieles deutet auf einen Machtkampf hin, in dessen Kern es darum geht, wer die tatsächlichen Geschicke des Imperiums steuert und kontrolliert: Österreich oder Thailand? Horner wird ein hervorragendes
Verhältnis zur thailändischen Yoovidhya-Familie, die mit 51 Prozent die Mehrheit an Red Bull besitzt, nachgesagt.
Die Yoovidhyas waren schon Mehrheitseigentümer, als Dietrich Mateschitz (49 Prozent) noch am Leben war. Bis zu dessen Tod im Oktober 2022 hatte aber ausschließlich er das Sagen, was auch formell so niedergeschrieben war. Dieses Recht ging mit seinem Ableben aber nicht auf seinen Sohn, den Erben Mark Mateschitz, über. Thailand gibt die Richtung vor.
Nun fürchtet man im in Fuschl beheimateten Flügel des Konzerns offenbar um seine Stellung – nicht zuletzt deshalb begehrten Teile der Belegschaft gegen den in den vergangenen Jahren wohl immer machtbewusster aufgetretenen Teamchef auf. Allen voran Pilot Max Verstappen und sein Vater, Jos, sowie Motorsportberater Helmut Marko (seine Rolle soll von thailändischer Seite kritisch wahrgenommen werden) galten bzw. gelten als Gegenpol zu Horner. Wobei Marko und Horner am Mittwoch dabei gesehen wurden, wie sie im selben Privatjet zum Grand
Prix nach Bahrain flogen. Die Lage wirkt verzwickt und ist komplex.
Hamilton sieht vertane Chance
Wie einheitlich das Red-Bull-Team im Lauf der Saison auftreten wird, bleibt abzuwarten. Die Formel 1 an sich habe durch die jüngsten Vorkommnisse jedoch einen ImageSchaden erlitten, ist sich jedenfalls Mercedes-Fahrer Lewis Hamilton sicher. „Es ist ein wichtiger Moment für den Sport, um zu zeigen, dass wir zu unseren Werten stehen“, meinte der 39-jährige Brite kurz vor Bekanntwerden des Freispruchs. Und auch MercedesTeamchef Toto Wolff hatte die Causa als „ein Problem für die ganze Formel 1“bezeichnet und auf eine Vorbildwirkung verwiesen.
Eine Mitarbeiterin hatte Horner unangemessenes Verhalten vorgeworfen, dieser hat dies stets bestritten. „Red Bull kann bestätigen, dass die Beschwerde abgewiesen wurde. Die beschwerende Partei hat das Recht, Berufung einzulegen“, hieß es nun in einer Erklärung des Konzerns. Die Untersuchung sei fair, gründlich und unbefangen gewesen.