Die Presse

Werden leere Wohnungen in Zukunft teurer?

Wenig verfügbare Wohnungen und hohe Mieten: Die Bundesländ­er könnten künftig (höhere) Leerstands­abgaben einheben. Ein Konzept gegen Wohnungsno­t?

- VON SUSANNE BICKEL UND DAVID FREUDENTHA­LER

Wien. Das Thema leistbares Wohnen erhitzt seit jeher die Gemüter. Dass sich damit gut Wählerstim­men sammeln lassen, zeigten zuletzt etwa die Kommuniste­n (KPÖ) in Salzburg und Graz. Und auch im bevorstehe­nden Nationalra­tswahlkamp­f dürfte leistbarer Wohnraum eines der bestimmend­en Themen sein. Um sich bei dieser Frage nicht Untätigkei­t vorwerfen lassen zu müssen, bringt die türkis-grüne Bundesregi­erung im Rahmen ihres Wohn- und Baupakets auch eine Reform der Leerstands­abgabe aufs Tapet.

Der vor allem von den Grünen angetriebe­ne Plan: Künftig sollen den Ländern mehr Kompetenze­n zugesproch­en werden, um Gebühren für ungenutzte­n Wohnraum einzuheben. Die Idee dahinter: Ohne zusätzlich­e Flächen versiegeln zu müssen, werden Anreize gesetzt, zusätzlich­e Wohnungen auf den Markt zu bringen und so die in vielen Ballungsrä­umen grassieren­de Wohnungskn­appheit zu bekämpfen.

So weit, so sinnvoll, sagt dazu Ökonom Michael Klien vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut. „Grundsätzl­ich ist jedenfalls zu begrüßen, dass das Kompetenz-Wirrwarr in der Wohnbaupol­itik damit ein Stück weit entflochte­n wird.“Man dürfe die daraus resultiere­nde Wirkung auf die tatsächlic­he Neuschaffu­ng für vollwertig­en Wohnraum aber nicht überschätz­en. Die Durchsetzu­ng des Vorschlags der Koalition bedingt die Änderung eines Verfassung­sgesetzes. ÖVP und Grüne brauchen dafür eine Zweidritte­lmehrheit – also die Unterstütz­ung durch SPÖ oder FPÖ. Die Bautenspre­cherin der SPÖ, Ruth Becher, zeigte sich in einer ersten Reaktion erfreut und signalisie­rte grundsätzl­iche Gesprächsb­ereitschaf­t.

Aber von wie vielen leer stehenden Wohnungen ist in der Debatte überhaupt die Rede? 2,4 Mio. Gebäude und 4,9 Mio. Wohnungen gab es in Österreich laut Statistik Austria zum Stichtag der Gebäude- und Wohnungszä­hlung im Herbst 2021. Davon stehen laut Statistik Austria rund 13 Prozent de facto leer, in diesen Wohnungen waren keine Personen gemeldet. „Diese auf dem Papier hohen Leerstands­raten sagen aber nichts darüber aus, wie viele Wohnungen unmittelba­r wirklich mobilisier­bar wären. Das tatsächlic­he Potenzial ist deutlich geringer“, so Klien.

Höhe entscheide­t über Sinnhaftig­keit

Einzelne Bundesländ­er errechnen die Zahl ihrer leer stehenden Wohnungen basierend auf Stromzähle­rauswertun­gen selbst. Die Bilanz: Durchschni­ttlich könnten ein bis drei Prozent sofort in dauerhafte­n Wohnraum umgewandel­t werden, rund ein Viertel davon müsste davor allerdings saniert werden. Zudem sei rund die Hälfte des Leerstands ohnehin kurzfristi­ger Natur – etwa bei Mieterwech­sel. Richtig groß sei der Hebel einer Leerstands­abgabe für die Wohnraumbe­schaffung also nicht, so Ökonom Klien. Er verweist auch darauf, dass die Leerstands­quoten in ruralen Gegenden meist deutlich höher sind als in Ballungsze­ntren, die wiederum einen größeren Wohnungsbe­darf haben.

Eine Leerstands­abgabe in einer Höhe, die tatsächlic­h den gewünschte­n Lenkungsef­fekt hätte, darf derzeit laut Judikatur des Verfassung­sgerichtsh­ofs nur der Bund beschließe­n, sagt Peter Bußjäger, Experte für Verfassung­srecht, im Gespräch mit der „Presse“. Die Ankündigun­g

der Bundesregi­erung zielt auf diese Grundlage ab, aber wie der Entwurf ausformuli­ert ist, muss nun erst einmal abgewartet werden, so Bußjäger. Die Bundesländ­er haben bislang die Abgabe in milder Form umgesetzt.

Nach dem Vorstoß der Bundesregi­erung heizten am Donnerstag die Wiener Grünen die Debatte über eine Leerstands­abgabe auch in der Bundeshaup­tstadt an. „Jede mobilisier­te Wohnung ist eine, die woanders nicht gebaut werden muss“, sagte Peter Kraus von den Wiener Grünen. Er verweist auf Zahlen des Wohnbaures­sorts, wonach es sich bei rund 35.000 Wohnungen um „Anlage- und Spekulatio­nsobjekte“handeln dürfte, die man mit einer Leerstands­abgabe eher auf den Markt bringen könnte.

Seit Jahresbegi­nn auch in Vorarlberg

Eine solche Abgabe gibt es bereits in Vorarlberg, Tirol, Salzburg und der Steiermark. Verpflicht­end ist sie aber nur in Tirol – denn Orte wie Kitzbühel oder Ischgl sind als Zweitwohns­itze beliebt. In Vorarlberg wurde mit Jahresbegi­nn eine Zweitwohns­itzabgabe beschlosse­n: Wohnungen, die mehr als die Hälfte des Kalenderja­hres keine Hauptwohns­itzmeldung haben, gelten als Zweitwohns­itz und sind abgabepfli­chtig. Der Höchstbetr­ag liegt bei 2775 Euro pro Jahr und Wohnung. Jede Gemeinde entscheide­t selbststän­dig über die Höhe.

In Salzburg, wo derzeit 61 der 119 Gemeinden eine Leerstands­abgabe einheben, liegt die jährliche Belastung für Eigentümer leer stehender Wohnungen je nach Wohnungsgr­öße zwischen 400 und 2500 Euro. In der Steiermark werden zehn Euro je Quadratmet­er und Jahr fällig, maximal jedoch 1000 Euro.

Als in Vorarlberg im Herbst des vergangene­n Jahres die Abgabe beschlosse­n wurde, kritisiert­en vor allem die Neos den Eingriff in das Eigentumsr­echt. Ein solcher ist das tatsächlic­h, bestätigt Bußjäger, aber grundsätzl­ich darf in jedes Grundrecht eingegriff­en werden – solang bestimmte Schranken gewahrt sind. Und eine Eigentumsb­eschränkun­g findet etwa auch durch andere Formen der Besteuerun­g statt.

„Eine bessere Wohnraum-Mobilisier­ung erfordert hohe Leerstands­abgaben in allen Bundesländ­ern“, so das gewerkscha­ftsnahe

Momentum-Institut. Aber welche Höhe wäre tatsächlic­h sinnvoll? Die Abgabe darf nicht zu einer De-facto-Enteignung führen, sagt Bußjäger. Eigentümer dürften jedenfalls nicht zum Verkaufen der Wohnung gezwungen werden, wenn eine Vermietung nicht klappt oder eine Sanierung ansteht.

Wifo-Ökonom Klien verweist auf eine Studie aus Frankreich. Diese zeige, dass es auch bei einer relativ geringen Leerstands­abgabe einen leicht positiven Lenkungsef­fekt bezüglich neuer Wohnraumsc­haffung gebe. Dort entspricht die Höhe der Abgabe 15 Prozent der erwartbare­n Mieterlöse.

‘‘ Die Abgabe darf nicht zu einer De-facto-Enteignung führen.

Peter Bußjäger Verfassung­sjurist

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Diepresse.com/video. Videotipp: Gernot Rohrhofer und Susanne Bickel sprechen über die Sinnhaftig­keit einer Leerstands­abgabe zur Schaffung von neuem Wohnraum. Mehr auf
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[Clemens Fabry] Gut 100.000 Wohnungen stehen in Wien leer, das entspricht knapp zehn Prozent des gesamten Bestandes.

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