Werden leere Wohnungen in Zukunft teurer?
Wenig verfügbare Wohnungen und hohe Mieten: Die Bundesländer könnten künftig (höhere) Leerstandsabgaben einheben. Ein Konzept gegen Wohnungsnot?
Wien. Das Thema leistbares Wohnen erhitzt seit jeher die Gemüter. Dass sich damit gut Wählerstimmen sammeln lassen, zeigten zuletzt etwa die Kommunisten (KPÖ) in Salzburg und Graz. Und auch im bevorstehenden Nationalratswahlkampf dürfte leistbarer Wohnraum eines der bestimmenden Themen sein. Um sich bei dieser Frage nicht Untätigkeit vorwerfen lassen zu müssen, bringt die türkis-grüne Bundesregierung im Rahmen ihres Wohn- und Baupakets auch eine Reform der Leerstandsabgabe aufs Tapet.
Der vor allem von den Grünen angetriebene Plan: Künftig sollen den Ländern mehr Kompetenzen zugesprochen werden, um Gebühren für ungenutzten Wohnraum einzuheben. Die Idee dahinter: Ohne zusätzliche Flächen versiegeln zu müssen, werden Anreize gesetzt, zusätzliche Wohnungen auf den Markt zu bringen und so die in vielen Ballungsräumen grassierende Wohnungsknappheit zu bekämpfen.
So weit, so sinnvoll, sagt dazu Ökonom Michael Klien vom Wirtschaftsforschungsinstitut. „Grundsätzlich ist jedenfalls zu begrüßen, dass das Kompetenz-Wirrwarr in der Wohnbaupolitik damit ein Stück weit entflochten wird.“Man dürfe die daraus resultierende Wirkung auf die tatsächliche Neuschaffung für vollwertigen Wohnraum aber nicht überschätzen. Die Durchsetzung des Vorschlags der Koalition bedingt die Änderung eines Verfassungsgesetzes. ÖVP und Grüne brauchen dafür eine Zweidrittelmehrheit – also die Unterstützung durch SPÖ oder FPÖ. Die Bautensprecherin der SPÖ, Ruth Becher, zeigte sich in einer ersten Reaktion erfreut und signalisierte grundsätzliche Gesprächsbereitschaft.
Aber von wie vielen leer stehenden Wohnungen ist in der Debatte überhaupt die Rede? 2,4 Mio. Gebäude und 4,9 Mio. Wohnungen gab es in Österreich laut Statistik Austria zum Stichtag der Gebäude- und Wohnungszählung im Herbst 2021. Davon stehen laut Statistik Austria rund 13 Prozent de facto leer, in diesen Wohnungen waren keine Personen gemeldet. „Diese auf dem Papier hohen Leerstandsraten sagen aber nichts darüber aus, wie viele Wohnungen unmittelbar wirklich mobilisierbar wären. Das tatsächliche Potenzial ist deutlich geringer“, so Klien.
Höhe entscheidet über Sinnhaftigkeit
Einzelne Bundesländer errechnen die Zahl ihrer leer stehenden Wohnungen basierend auf Stromzählerauswertungen selbst. Die Bilanz: Durchschnittlich könnten ein bis drei Prozent sofort in dauerhaften Wohnraum umgewandelt werden, rund ein Viertel davon müsste davor allerdings saniert werden. Zudem sei rund die Hälfte des Leerstands ohnehin kurzfristiger Natur – etwa bei Mieterwechsel. Richtig groß sei der Hebel einer Leerstandsabgabe für die Wohnraumbeschaffung also nicht, so Ökonom Klien. Er verweist auch darauf, dass die Leerstandsquoten in ruralen Gegenden meist deutlich höher sind als in Ballungszentren, die wiederum einen größeren Wohnungsbedarf haben.
Eine Leerstandsabgabe in einer Höhe, die tatsächlich den gewünschten Lenkungseffekt hätte, darf derzeit laut Judikatur des Verfassungsgerichtshofs nur der Bund beschließen, sagt Peter Bußjäger, Experte für Verfassungsrecht, im Gespräch mit der „Presse“. Die Ankündigung
der Bundesregierung zielt auf diese Grundlage ab, aber wie der Entwurf ausformuliert ist, muss nun erst einmal abgewartet werden, so Bußjäger. Die Bundesländer haben bislang die Abgabe in milder Form umgesetzt.
Nach dem Vorstoß der Bundesregierung heizten am Donnerstag die Wiener Grünen die Debatte über eine Leerstandsabgabe auch in der Bundeshauptstadt an. „Jede mobilisierte Wohnung ist eine, die woanders nicht gebaut werden muss“, sagte Peter Kraus von den Wiener Grünen. Er verweist auf Zahlen des Wohnbauressorts, wonach es sich bei rund 35.000 Wohnungen um „Anlage- und Spekulationsobjekte“handeln dürfte, die man mit einer Leerstandsabgabe eher auf den Markt bringen könnte.
Seit Jahresbeginn auch in Vorarlberg
Eine solche Abgabe gibt es bereits in Vorarlberg, Tirol, Salzburg und der Steiermark. Verpflichtend ist sie aber nur in Tirol – denn Orte wie Kitzbühel oder Ischgl sind als Zweitwohnsitze beliebt. In Vorarlberg wurde mit Jahresbeginn eine Zweitwohnsitzabgabe beschlossen: Wohnungen, die mehr als die Hälfte des Kalenderjahres keine Hauptwohnsitzmeldung haben, gelten als Zweitwohnsitz und sind abgabepflichtig. Der Höchstbetrag liegt bei 2775 Euro pro Jahr und Wohnung. Jede Gemeinde entscheidet selbstständig über die Höhe.
In Salzburg, wo derzeit 61 der 119 Gemeinden eine Leerstandsabgabe einheben, liegt die jährliche Belastung für Eigentümer leer stehender Wohnungen je nach Wohnungsgröße zwischen 400 und 2500 Euro. In der Steiermark werden zehn Euro je Quadratmeter und Jahr fällig, maximal jedoch 1000 Euro.
Als in Vorarlberg im Herbst des vergangenen Jahres die Abgabe beschlossen wurde, kritisierten vor allem die Neos den Eingriff in das Eigentumsrecht. Ein solcher ist das tatsächlich, bestätigt Bußjäger, aber grundsätzlich darf in jedes Grundrecht eingegriffen werden – solang bestimmte Schranken gewahrt sind. Und eine Eigentumsbeschränkung findet etwa auch durch andere Formen der Besteuerung statt.
„Eine bessere Wohnraum-Mobilisierung erfordert hohe Leerstandsabgaben in allen Bundesländern“, so das gewerkschaftsnahe
Momentum-Institut. Aber welche Höhe wäre tatsächlich sinnvoll? Die Abgabe darf nicht zu einer De-facto-Enteignung führen, sagt Bußjäger. Eigentümer dürften jedenfalls nicht zum Verkaufen der Wohnung gezwungen werden, wenn eine Vermietung nicht klappt oder eine Sanierung ansteht.
Wifo-Ökonom Klien verweist auf eine Studie aus Frankreich. Diese zeige, dass es auch bei einer relativ geringen Leerstandsabgabe einen leicht positiven Lenkungseffekt bezüglich neuer Wohnraumschaffung gebe. Dort entspricht die Höhe der Abgabe 15 Prozent der erwartbaren Mieterlöse.
‘‘ Die Abgabe darf nicht zu einer De-facto-Enteignung führen.
Peter Bußjäger Verfassungsjurist