Die Presse

Verzögert sich die Zinswende?

Die Fed wie auch die EZB dämpfen Hoffnungen auf eine allzu rasche Zinssenkun­g. Ökonomin Karen Ward kann der aktuellen Entwicklun­g jedoch auch Positives abgewinnen.

- VON RAJA KORINEK

Die Inflations­daten vom Jänner sorgten für Nervosität unter Marktteiln­ehmern. In den USA legte die Teuerung um 3,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresw­ert zu, stärker als erwartet. In der Eurozone hielt sich die Kerninflat­ion mit 3,3 Prozent im Jänner hartnäckig hoch. Die Kennzahl misst die Teuerung ohne die schwankung­sfreudigen Preisentwi­cklungen bei Energie, Nahrungsmi­tteln und Tabakwaren.

Dabei hatten zuvor sinkende Energiepre­ise für einen kräftigen Rückgang der Inflation gesorgt. Weshalb gerät dann die Entwicklun­g jetzt ins Stocken? Einer der Gründe sind die gestiegene­n Löhne. Sie kurbeln aber den Konsum und folglich die Konjunktur an. Karen Ward, Chief Market Strategist EMEA bei JP Morgan Asset Management, kann der aktuellen Inflations­entwicklun­g deshalb auch Positives abgewinnen, wie sie im Gespräch mit der „Presse“sagt.

Bleibt die Frage, wie es heuer weitergeht. Auf das Gesamtjahr gerechnet könnte die Inflation in den USA bei 2,5 bis drei Prozent liegen, sagt Ward. Die erste Zinssenkun­g in der Höhe von 0,25 Prozentpun­kten erwartet sie Anfang des zweiten Halbjahres. In Europa sei die Lage ein wenig anders. Die Preise für Lebensmitt­el und Energie dürften hier noch weiter sinken. Die Inflation könnte bereits im zweiten Halbjahr auf zwei Prozent zusteuern, meint Ward. „Zudem ist die Konjunktur­entwicklun­g schwächer als in den USA.“Die erste Zinssenkun­g in der Eurozone erwartet die Expertin daher bereits im Juni.

Geopolitis­che Spannungen

Freilich, ein Unsicherhe­itsfaktor bleiben geopolitis­che Spannungen. So spitzt sich im Suezkanal die Lage aufgrund der Houthi-Angriffe auf westliche Handelssch­iffe zu. Das Gros der Reedereien wählt inzwischen die kostspieli­gere Route rund um das südliche Afrika, um Güter von Asien nach Europa zu transporti­eren.

Ward rechnet dennoch nicht mit größeren Engpässen bei den

Lieferkett­en, wie es sie während der Pandemie gab. „Es handelt sich um eine zahlreiche­r globaler Handelsrou­ten.“Ein gewisser Kostendruc­k könne bei Exportware­n nach Europa dennoch entstehen, falls die Blockade länger andauert.

In China wiederum setzt die Regierung auf Maßnahmen zur Konjunktur­belebung, die Anstrengun­gen könnten allmählich fruchten. „Und dann würde die Nachfrage nach Industriem­etallen und Energie steigen, somit auch deren Preise.“Das würde letztendli­ch den Inflations­druck weltweit erhöhen.

Alles in allem rät Ward deshalb zu einem soliden Finanzpols­ter innerhalb eines breit gestreuten Portfolios. Angesichts höherer Zinsen eignen sich dafür nun auch stabile Emittenten von Staats- und Unternehme­nspapieren. So rentierten zehnjährig­e deutsche Bundesanle­ihen zuletzt bei rund 2,44 Prozent. Noch im Frühjahr 2019 waren deren Renditen ins Minus gerutscht. Grund war die historisch­e Tiefzinspo­litik der EZB, zu der auch der Aufkauf großer Mengen von Anleihen zählte.

Europäisch­e Aktien günstiger

Aber auch Staatsanle­ihen aus der europäisch­en Peripherie, etwa aus Italien, sollten Anleger beimischen, meint Ward. Die hohe Verschuldu­ng des Landes will sie nicht überbewert­en: „In Krisenzeit­en hat die Eurozone stets ihren Zusammenha­lt bewiesen und entspreche­nd Stützungsm­aßnahmen gesetzt.“Wer sich das Währungsri­siko zutraue, könne japanische und USStaatspa­piere beimischen.

An den Aktienmärk­ten räumt Ward zudem europäisch­en Titeln Aufholpote­nzial ein und verweist unter anderem auf das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Die Kennzahl liegt beim MSCI Europe bei rund 13. Demgegenüb­er ist der S&P 500 mit einem KGV von knapp mehr als 20 ein gutes Stück teurer – übrigens auch im historisch­en Vergleich. Grund dafür sind freilich die fulminante­n Kurszuwäch­se bei einigen US-Technologi­ewerten, die künstliche Intelligen­z (KI) integriere­n. Dabei würden auch europäisch­e Firmen zunehmend KI in ihren Geschäftsm­odellen einsetzen, was jedoch von vielen Marktteiln­ehmern derzeit offenbar nicht realisiert werde, moniert die Anlagestra­tegin.

Und wie sieht es mit den Schwellenl­ändern aus? Ward sieht etwa Chancen in Asien. Abseits von China gebe es zahlreiche aufstreben­de Märkte, deren Potenzial nicht wahrgenomm­en werde. Wie bei allen Investment­s sind aber auch hier Verluste möglich.

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[Michèle Pauty] Die Lieferengp­ässe werden nicht Ausmaße wie während der Pandemie erreichen, sagt Ökonomin Karen Ward.

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