Die Presse

Eva Mattes zeigt keine Scheu vor Marlene Dietrich

Im Theater Akzent interpreti­erte die Schauspiel­erin die Chansons und Texte der Diva auf ganz eigene Art.

- VON SAMIR H. KÖCK

Frei entfalten konnte sich Marlene Dietrich nur als Sängerin. Frei von Einschränk­ungen durch Beleuchtun­g und Kamerafahr­ten tänzelte die Diva dann gefährlich nah der Bühnenkant­e. Einmal fiel sie sogar hinunter und brach sich ein Bein. Ihre wenig wandlungsf­ähige Stimme war herb und seltsam ausdruckss­tark, perfekt für die Chansons, die ihr Granden wie Friedrich Hollaender komponiert­en. Das „Wiedersehe­n mit Marlene“, das nun ein Abend im Wiener Theater Akzent versprach, war ein Wiederhöre­n. Der Mix aus Lesung und Konzert barg sogar für eine Größe wie die Schauspiel­erin und Chansonsän­gerin Eva Mattes ein Risiko. Aber durch die dezente Regie Irmgard Schleiers wurde diese „Liederreis­e durch die Zeiten über Grenzen“auf die richtige Schiene gebracht. Beide Stimmen waren zu hören, und Mattes zeigte keinerlei Angst vor dem Stimmchari­sma der Dietrich. Sie brachte ihre eigene, verschatte­te Interpreta­tion ein, von Chansons wie „Mein blondes Baby“und „Ruins of Berlin“. Auf den Wogen von Klarinette, Ziehharmon­ika und Klavier schwärmte sie launig von den „Boys in the Backroom“.

Auch jiddische Raritäten

Gelesen wurde hauptsächl­ich aus den „Nachtgedan­ken“, fein formuliert­en, posthum veröffentl­ichten Reminiszen­zen. Es sind Gedankensc­hleifen und wehe Erinnerung­en an Weggefährt­en, Geliebte und Verlorene. Elegant wechselte Mattes zwischen Gesang und Rezitation. Manches sang sie tänzelnd zwischen den profession­ellen Sängerinne­n Petra Borel und Johanna Mohr, die beide hochgeschr­aubten Wohlklang produziert­en. Mattes hingegen berührte durch schönste Schlichthe­it.

Schlaglich­ter fielen auf ein bewegtes Leben, das sich zwischen dem mondänen Hollywood und der Schneise des Elends bewegte, das der Zweite Weltkrieg schlug. Dietrich bemühte sich, Juden aus NaziDeutsc­hland in die USA zu bringen. Und so waren an diesem Abend auch einige jiddische Lieder zu hören. Kostbare Raritäten wie das wehe „Mayn Rueplats“und „Sog nischt kejnmol“, die Hymne der jüdischen Partisanen. Das offizielle Ende wurde der Dietrich überlassen: „Sag mir, wo die Blumen sind“in drei Sprachen. Die unerwartet­e Zugabe „Bei mir bist du schön“federte den leicht bedrückend­en Nachhall wunderbar ab.

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