„Unser Selbstbewusstsein könnte besser sein“
Viele Tourismusleute glauben, sich permanent für den Klimawandel rechtfertigen zu müssen, sagt Österreich-Werbung-Chefin Astrid Steharnig-Staudinger. Das Österreich-Bild sei im Ausland viel besser als im Inland.
Die Presse: Skifahren oder snowboarden?
Astrid Steharnig-Staudinger: Ich bin eine begeisterte Skifahrerin – und meine Kinder lieben das Skifahren auch. Ich war schon immer ein Bergfex.
Tatsächlich ist es längst nicht mehr selbstverständlich, dass die ganze Familie Ski fährt. Jüngere haben andere Interessen. Was heißt das für das touristische Wintersportland Österreich?
Wir haben deshalb jüngst in Deutschland eine Studie zum Skinachwuchs gemacht, um dieser Frage nachzugehen. Das Ergebnis ist, dass das Interesse am Skisport ungebrochen hoch ist, aber es nimmt von Generation zu Generation ab. Das heißt aber nicht, dass das Interesse am Winterurlaub abnimmt. Der Saisonstart war sehr gut. Im November und Dezember gab es ein Plus von mehr als fünf Prozent (bei den Nächtigungen). Ein Teil der Familie fährt weiterhin Ski, die anderen gehen langlaufen oder machen eine Skitour.
Ihr Job ist es ja vor allem, Menschen aus aller Welt für Österreich zu begeistern. Wo überall werben Sie um potenzielle Urlaubsgäste?
Diese Internationalisierung ist wichtig. Österreich ist ja nicht nur für seinen Wintersport und seine Natur bekannt, sondern für Kultur und Kulinarik. Wir bearbeiten 27 Märkte mit 21 Büros. Und es zeigt sich immer deutlich, wie wichtig es ist, in den Ländern zu sein und dort Marktwissen zu sammeln.
Warum ist es wichtig, Gäste vom anderen Ende der Welt heranzukarren?
Wir können uns den großen Märkten wie Indien oder China nicht verschließen, wir müssen allerdings achtsam damit umgehen. Wir bieten ja auch für alle alles an. Dennoch sprechen wir nicht jeden an. Unsere wichtigste Zielgruppe sind die sogenannten individualistischen Kosmopoliten. Diese Menschen suchen sich ihren Urlaub sehr individuell aus. Für sie spielt das Thema Nachhaltigkeit auch eine große Rolle.
Wie ist das Image Österreichs in diesen Ländern?
Österreich zählt zu den acht gastfreundlichsten Ländern Europas. Zum Teil ist vielerorts nicht bekannt, was wir alles bieten. Die Koreaner sind extreme Outdoor-Menschen. In kaum einem Land wird so viel gewandert. Doch Österreich wird dort bisher nur als Kulturland gesehen. Hier versuchen wir, mehr Diversität reinzubringen. Aber das Image Österreichs ist weltweit ungebrochen gut, und das haben sich die heimischen Tourismusbetriebe auch hart erarbeitet. Uns unterscheidet nicht nur die schöne Kulisse von anderen Destinationen, sondern auch unser Grant und unser Schmäh. Letzteres werden wir in unserer neuen Kampagne aufarbeiten.
Apropos herber Charme: Im Ausland werden wir also gemocht, obwohl wir uns selber eigentlich gar nicht so mögen?
Ja, unser Selbstbewusstsein könnte vielerorts besser sein. Der Tourismus muss auch wieder mehr Selbstbewusstsein an den Tag legen. In manchen Tälern hätten wir keine Wertschöpfung ohne ihn. Und aktuell ist der Tourismus laut Wirtschaftsforschern die einzige Branche, die ein gewaltiges Wachstum hat.
Reden sie von Nächtigungen oder von Umsatzwachstum?
Wir müssen anders messen. Wir messen nach wie vor in Nächtigungen, aber tatsächlich geht es um Wertschöpfung. Ziel ist es ja nicht, dass wir von momentan 150 Millionen Nächtigungen auf 180 Millionen kommen. Es geht um Umsätze, um Wertschöpfung.
Aber ich habe nicht den Eindruck, dass es der Tourismusmusbranche an Selbstbewusstsein fehlt, vor allem, wenn ich mit Tiroler Bergbahnchefs rede.
Das fehlende Selbstbewusstsein erkenne ich daran, dass viele Tourismusleute glauben, sich permanent rechtfertigen zu müssen. Dabei beschäftigt sich diese Branche schon viel länger mit Nachhaltigkeit als andere.
Warum? Ist es das schlechte Gewissen?
Nein, aber Urlaub ist ein sehr emotionales Thema. Den bucht man nicht, wie man einen Staubsauger kauft. Niemand will auf Urlaub verzichten, Reisen ist vielen wichtig und jeder hat eine Meinung dazu. Und wir im Tourismus haben das Gefühl, dass wir uns für den Klimawandel rechtfertigen müssen. Ich will endlich, dass auch über das Positive im Tourismus gesprochen wird.
Das Problem ist ja eher, dass sich der Tourismus fast nur um die Gäste gekümmert hat und nicht um die Einheimischen, die aber an den Nebenwirkungen leiden, etwa am Verkehr oder an steigenden Immobilienpreisen.
Ein Teil der Bevölkerung lebt natürlich auch vom Tourismus. Aber natürlich muss man sich des Themas annehmen. Viele Regionen tun das längst. Es muss gelingen, die Bevölkerung mitzunehmen, nur so schafft man Akzeptanz. Schließlich ist jeder in Österreich auch ein Identitätsstifter.
Aber es gelingt ja nicht einmal, die Absolventen von Tourismusschulen mitzunehmen. Nur 20 Prozent landen am Ende dort, wohin sie der Schulzweig eigentlich führen sollte.
Auch hier gibt es Aufholbedarf. Ich habe auch begonnen, vermehrt in die Tourismusschulen zu gehen. Man muss den jungen Menschen die großen Chancen, die diese Branche bietet, noch besser vermitteln. Es gibt keine Branche, in der man so schnell ins Ausland kommen kann, wo man so schnell in einem Unternehmen aufsteigen kann. Dieses Bewusstsein, dass man im Tourismus eine große Karriere machen kann, ist leider verloren gegangen. Wir haben das für selbstverständlich genommen.
Wer ist „wir“?
Die Tourismusbranche. Österreicher bekleiden überall auf der Welt Spitzenjobs. Überall, wo ich hinkomme, kocht ein Österreicher oder ist eine Österreicherin Hotelchefin.
Der österreichische Tourismus ist also großartig im Werben um Gäste, aber im Werben um Mitarbeiter und Akzeptanz ist noch viel Luft nach oben.
Auf alle Fälle. Es hat sich aber schon viel geändert. Wenn man sich etwa Mitarbeiterhäuser ansieht, dann ist da schon viel passiert. Es sollte auch möglich sein, dass Mitarbeiter die Familie mitbringen. Da muss alles möglich sein, damit wir im Tourismus unsere Qualität halten können. Wir wollen ja auch Touristen, die auf Qualität achten. Andere Branchen tun sicher auch viel für ihre Mitarbeiter. Aber so komplex wie im Tourismus ist dieses Thema nirgendwo. Der Tourismus muss auch den Mitarbeitern ein All-inclusive-Paket bieten. Und da geht es um 250.000 Beschäftige, das sind 7,6 Prozent aller Beschäftigten in diesem Land.
Aber die Viertagewoche, wie sie von der Gewerkschaft propagiert wird, ist in dem All-inclusive-Paket meist nicht enthalten.
Es gibt bereits Beispiele im Tourismus, einige Hoteliers haben das umgesetzt, und es funktioniert. Die Gesellschaft verändert sich, und der Tourismus muss zeigen, dass er mit diesen Veränderungen mithalten kann.
Und auch die Hoteliers verändern sich.
Ja, es gibt einen Generationenwandel. Technologie, Digitalisierung und künstliche Intelligenz verändern auch die Branche.
Aber im Service kann man nicht mit KI arbeiten.
Gott sei Dank. Künstliche Intelligenz kann eine große Unterstützung sein, aber im Tourismus wird immer das Menschliche zählen.