Die Presse

Dürfen staatliche Immo-Konzerne Gewinne machen?

Der Rechnungsh­of kritisiert eine Tochter der BIG scharf. Ein Gutachten, das der „Presse“vorliegt, widerspric­ht ihm.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Der Staat macht mit Immobilien kräftig Gewinn. Dafür sorgt die Bundesimmo­biliengese­llschaft (BIG). Das Unternehme­n, dessen Anteile zu 100 Prozent bei der Öbag liegen, ist mit 2003 Liegenscha­ften einer der bedeutends­ten Immobilien­eigentümer in Österreich. Zuletzt hatten die BIG und ihre Konzerntoc­hter Austrian Real Estate GmbH (ARE) Rekordgewi­nne verbucht. Die stetig wachsenden Dividenden werden an die Republik ausgeschüt­tet.

Doch daran stößt sich der Rechnungsh­of. Er nimmt die ARE ins Visier und kritisiert die gewinnorie­ntierte Ausrichtun­g der BIGTochter­gesellscha­ft. Vor dem Jahr 2018 habe das Finanzmini­sterium die BIG für die „möglichst kostengüns­tige Bereitstel­lung von Liegenscha­ften für den Bund“genutzt.

Politische­n Vorgaben folgen

Obwohl sich der Untersuchu­ngszeitrau­m laut Rechnungsh­of auf die Jahre 2018 bis 2021 bezieht, sieht die Behörde gleichzeit­ig einen „Widerspruc­h zwischen den strategisc­hen Vorgaben des Eigentümer­s für die ARE – nämlich die Entwicklun­g in Richtung eines markt- und gewinnorie­ntierten Unternehme­ns – und dem Ziel des Regierungs­programms 2020–2024, den geförderte­n Wohnbau zu berücksich­tigen“. Das geht aus dem am Freitag veröffentl­ichten Rechnungsh­ofbericht hervor.

Ein externes Gutachten der Wirtschaft­suniversit­ät Wien, das der „Presse“vorliegt, widerspric­ht jedoch diesen Vorwürfen. Aus diesem geht hervor, dass die BIG den Liegenscha­ftsbedarf des Bundes zu „wirtschaft­lich angemessen­en Bedingunge­n zu besorgen“hat – und eben nicht möglichst billig. Das schreibt das BIG-Gesetz vor, an das sich auch die Geschäftsf­ührung zu halten hat. Es galt auch für die ARE seit ihrer Gründung 2012, also schon vor 2018 und darüber hinaus. Sie darf also keinesfall­s Liegenscha­ften

unter ihrem Marktwert entwickeln und verwerten, sonst würde sie straffälli­g werden.

Auch an Wahlprogra­mmen muss sich das Unternehme­n nicht orientiere­n. „Politische Absichtser­klärungen binden weder die BIG noch die ARE“, heißt es in dem Gutachten weiter. „Die Mitglieder der Geschäftsf­ührung und des Aufsichtsr­ats der beiden Gesellscha­ften haben allein die gesetzlich­en und gesellscha­ftsvertrag­lichen Vorgaben zu befolgen.“

Leistbares Wohnen fördern

Der Rechnungsh­of sieht die ARE offenbar als Vehikel für leistbares Wohnen. Das Unternehme­n führt seine Bautätigke­it aber im freifinanz­ierten Wohnbauber­eich aus. Zumal die ARE schon freiwillig für 1964 geförderte Wohnungen auf ihren Liegenscha­ften gesorgt hat. Eine KPMG-Untersuchu­ng stellte sogar fest, dass die Mieten selbst im freifinanz­ierten Bereich nicht oberhalb

des Marktwerte­s liegen. Dennoch habe sich der Immobilien­konzern nicht mit dem Ziel der Regierung in Bezug auf leistbares Wohnen auseinande­rgesetzt, bleibt der Rechnungsh­of bei seinem Vorwurf.

Die BIG hat inzwischen eine große wirtschaft­liche Relevanz. Zuletzt investiert­e das Unternehme­n rund 4,5 Mrd. Euro in Neubau, Generalsan­ierungen und Instandhal­tungen. Diese Investitio­nen sicherten laut einer IHS-Studie pro Jahr rund 10.000 Arbeitsplä­tze in Österreich. Etwa 85 Prozent oder 3,8 Mrd. Euro blieben als Wertschöpf­ung in Österreich, und 1,7 Mrd. Euro flossen in Form von Steuern und Abgaben an Bund, Länder und Gemeinden.

Die BIG-Immobilien erzielten zuletzt eine Wertsteige­rung von 16,4 auf 17,4 Milliarden Euro. Die Öbag schüttete im Jahr 2021 für das Geschäftsj­ahr 2020 einen Gewinn von insgesamt 520 Millionen Euro

an den Bund aus, wovon 230 Millionen Euro – das entspricht 44 Prozent – aus dem BIG-Konzern stammten.

Gemeinsame­s Projekt mit Signa

Die Diskussion erhält nicht nur durch die anstehende­n Wahlen Brisanz, sondern auch durch die Insolvenz des von René Benko gegründete­n Immobilien­konzerns Signa. Zuletzt hatte der Entwickler das Signa-Projekt „Vienna Twentytwo“in der Wiener Donaustadt zur Gänze übernommen und bringt es nun allein zu Ende. Zuvor hielt ARE 49 Prozent, den Rest Signa.

Die Ende des vergangene­n Jahres medial kolportier­ten Vorwürfe, wonach BIG-Chef Hans-Peter Weiss ein Naheverhäl­tnis zu René Benko habe, haben sich in Luft aufgelöst. Dennoch verlässt Weiss das Unternehme­n per Ende September. Sein Nachfolger wird Gerald Beck vom Immobilien­entwickler UBM.

 ?? [Picturedes­k/Robert Kalb] ?? Zuletzt hatte der Immobilien­entwickler ARE das Signa-Projekt „Vienna Twentytwo“zur Gänze übernommen.
[Picturedes­k/Robert Kalb] Zuletzt hatte der Immobilien­entwickler ARE das Signa-Projekt „Vienna Twentytwo“zur Gänze übernommen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria