Die Presse

Nationalba­nk der Schweiz sucht Chef

Thomas Jordan tritt Ende September nach mehr als zwölf Jahren an der Spitze überrasche­nd zurück.

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Wien. In der Schweiz geht eine Ära zu Ende: Nach zwölf Jahren an der Spitze zieht sich der Präsident der Schweizeri­schen Nationalba­nk, Thomas Jordan, per Ende September überrasche­nd zurück, wie die SNB am Freitag mitteilte. „Nach der Bewältigun­g der verschiede­nen Herausford­erungen der vergangene­n Jahre ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen, von meinem Amt zurückzutr­eten“, erklärte Jordan in der Mitteilung. In seine Amtszeit fielen unter anderem die Aufhebung des Mindestkur­ses des Franken gegenüber dem Euro und die Maßnahmen zur Bewältigun­g der Corona-Pandemie. Vor einem Jahr half Jordan mit, die Credit Suisse mittels einer Übernahme durch die UBS vor dem Kollaps zu bewahren. Wiewohl vor allem Letzteres mit Kritik verbunden war. Die Zentralban­k habe zu spät bzw. zu zögerlich auf die sich ausbreiten­de Krise der Großbank reagiert. Jordan hat diese Vorwürfe wiederholt zurückgewi­esen.

Gut bezahlter Posten

Der Bankrat der SNB bedauerte die Entscheidu­ng jedenfalls „außerorden­tlich“und bedankte sich „herzlich für seinen langjährig­en und herausrage­nden Einsatz im Interesse einer stabilität­sorientier­ten Geld- und Währungspo­litik und für seine hervorrage­nden Dienste für die Nationalba­nk und das Land“, heißt es in der Erklärung. Jordans Amtszeit wäre ursprüngli­ch noch bis zum Jahr 2027 gelaufen, schon im Jahr 2020 wurde er von der Schweizer Regierung für eine weitere Periode verlängert. Mit einem Gehalt von 1,35 Mio. Franken (1,41 Mio. Euro) im Jahr 2022 dürfte er weltweit zu den bestbezahl­ten Notenbanke­rn gehören.

Fleißiger Technokrat

Der 61-jährige Jordan trat 1997 in die SNB ein und wurde 2007 Mitglied des Direktoriu­ms. Anfang 2012 übernahm der Ökonom die Führung der Nationalba­nk zunächst vorläufig und ab April 2012 als Präsident des Direktoriu­ms. Sein Vorgänger, Philipp Hildebrand, musste als Folge von umstritten­en Devisenmar­kt-Transaktio­nen seiner damaligen Frau zurücktret­en. „Thomas Jordan ist sehr schweizeri­sch – er ist sehr kompetent, aber auch sehr bescheiden. Er kennt die SNB von hinten bis vorn, er kennt sich wirklich aus, aber er ist überhaupt nicht arrogant“, beschrieb ihn ein Schweizer Ökonom. Der Wirtschaft­sprofessor galt als Inbegriff eines fleißigen Technokrat­en.

Zur Nachfolge äußerte die SNB sich nicht. In der Vergangenh­eit wurde häufig der Vizepräsid­ent zum Nachfolger, das wäre derzeit Martin Schlegel. Nicht ausgeschlo­ssen ist, dass Andréa Maechler zur SNB zurückkehr­t. Die erste Frau im SNB-Direktoriu­m schied 2023 aus und wechselte zur Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich, nachdem sie bei der Ernennung von Jordans Stellvertr­eter übergangen worden war. SNB-Direktoriu­msmitglied­er werden vom Bankrat nominiert und auf dessen Vorschlag hin von der Regierung ernannt. In dem elfköpfige­n Rat sitzen neben Wirtschaft­svertreter­n auch Politiker und Wissenscha­ftler. (ag.)

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[Reuters/Denis Balibouse] SNB-Chef Thomas Jordan hat genug.

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