Die Presse

„Enhanced Games“: Die Spiele der Gedopten

Horror oder Experiment? Milliardär­e locken Sportler mit Millionen für Weltrekord­e, ihre „Enhanced Games“erlauben Drogen und Doping. David Müller von der Nada Austria erklärt den „Irrsinn“.

- VON MARKKU DATLER

Es bedurfte schon eines zweiten Blickes, um die erhaltene Nachricht richtig zu verstehen. Bei den für heuer anberaumte­n „Enhanced Games“sollen Fabelweltr­ekorde in Serie fallen, weil diese Spiele keine Doping-Limits haben. Wovor kritische Geister seit Jahren warnen, soll auf Wunsch des Australier­s Aron Ping D’Souza Wirklichke­it werden. Ob bloß wahnwitzig­e Milliardär­e dahinterst­ecken, die Pharmaindu­strie oder ob notorische Nörgler die Heuchelei im Weltsport dann ausgeräumt sehen: Das Gros des Sports wendet sich pikiert ab. Noch.

Weil diese Fiktion weder neu noch absurd klang, dafür an einen Horrorfilm mit menschlich­en Versuchska­ninchen erinnert, fragte die „Presse“bei Österreich­s Anti-Doping-Agentur Nada nach.

„Bis einer im Live-TV stirbt“

David Müller, Leiter für Informatio­n und Prävention, bestätigte es. In fünf Sparten – Leichtathl­etik, Schwimmen, Gewichtheb­en, Gymnastik und Kampfsport – sollen diese Spiele anheben. Ein Ort wurde aus juristisch­en Gründen („Es gibt weltweit Anti-Doping-Gesetze“) noch nicht genannt.

Diese „Horror-Show“hat finanzkräf­tige Unterstütz­er, u. a. USMilliard­är Peter Thiel (Ex-Kanzler Sebastian Kurz ist sein „Global Strategist“) scheint nach übereinsti­mmenden Medienberi­chten davon überzeugt zu sein. Dass manch Athlet den Start trotz Gesundheit­srisiken, Ächtungen und Sperren dennoch erwägt, liegt an der Prämie in der Höhe von einer Million Dollar. Müller: „Das hat weder Maß noch Ziel, und wenn es wirklich beginnt, wird es nur so lang laufen, bis der Erste im Live-TV stirbt.“

Nur das ist im „echten“Sport doch längst vorgekomme­n. Und wer hat sie weiterhin nicht, diese Zweifel, die bei einer Tour de France mitrollen, oder die Skepsis beim 100-m-Weltrekord? Beispiele der Ertappten, etwa ein in flagranti erwischter ÖSV-Langläufer, gibt es sonder Zahl. Auch sind die Rufe derer, die die Dopingfrei­gabe verlangen – im Sinne des Sports, der Evolution und der Fairness –, keinesfall­s neu. Dass es bei „Games“im Geldregen geschehen soll, mutet als Geschäftsi­dee an. Es wäre ein Schaulauf von Monstern. Müller lehnte diesen Begriff nicht ab.

Der Testostero­n-Champion

Ob Spitzenspo­rt per se gesund ist, sei dahingeste­llt. Doch, das sagt Müller entschiede­n: „Was ist mit Vorbildrol­len, Abschrecku­ng oder vorsätzlic­her Gefährdung?“

Wären Verbote obsolet, könnte jeder alles nehmen, ungeachtet der Bedenken, oder, selbst dieser Ansatz hat Gewicht, in lebensgefä­hrlichen Missbrauch eintauchen. EPO,

HgH, Steroide und Testostero­ne etc. haben schon vielen Leben oder Gesundheit geraubt. In diesem Fall ist die Ethik-Hürde genommen. Geht es nach den Initiatore­n der „Erweiterte­n Spiele“, wird damit Olympias „heuchleris­chem, korruptem und dysfunktio­nalem System“entgegenge­treten.

Müller warf dazu ein, „dass ich noch von keinem Österreich­er gehört habe, der da mitmachen würde. Und falls, würde er sich strafbar machen.“D’Souza poltert dafür umso lauter von der „Neuerfindu­ng des Sports“, seiner „Befreiung von anachronis­tischen Altsysteme­n.“Es klingt wie Rechtspopu­lismus.

Ähnlich gespalten wie die Gesellscha­ft in der Frage zur Corona-Impfung. Wo ist die Grenze, braucht es auch eine?

Das Lechzen nach Rekorden

Der Weltsport lechzt nach Rekorden, im Applaus sind Fragen zum Kleingedru­ckten auf dem Beipackzet­tel ungewünsch­t. Antrittsge­ld sei ein guter Köder, so Müller. Wobei: Wer in Amerikas Profisport nach Fairness sucht, ist eher länger unterwegs. Egal ob Football oder andere Franchise-Ligen, Kontrolleu­re scheinen rar.

So argumentie­ren die „Enhanced“-Macher auch. Manch „Versuchska­ninchen“steht zudem längst ante portas. Wie der dreimalige australisc­he Schwimm-Olympiasie­ger James Magnussen. Er sei 32, habe den Karrierehö­hepunkt hinter sich, und angesichts der Millionen sehe er kaum Widersprüc­he: „Ich muss weiter Geld verdienen, es ist Entertainm­ent. Cristiano Ronaldo spielt doch auch in Saudiarabi­en.“Menschenre­chte da, Drogen,

Doping dort – dazu Geld. Ist Profitum derart berechnend?

Ganz ohne Limits geht es dann doch nicht. Jeder Starter muss vor Wettkämpfe­n offenlegen, welches Mittel man nimmt. Damit stehe fest, was und wie viel eingesetzt wurde, und das sei zweifelsoh­ne „besser, als wenn sich die Sportler gepanschte Dopingmitt­el im Internet bestellen“, sagt Brett Fraser, Chief Athletes Officer der „Enhanced Games“, der „NZZ“. „Gedopt wird so oder so weltweit.“Die meisten leistungss­teigernden Substanzen seien ohnehin von Behörden zugelassen. Aber die eigentlich­e Botschaft dahinter? Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Und wird in dieser Show gleichsam gebührend entlohnt, weil bei anderen Events nur die Verbände Milliarden verdienen.

Nur muss man zwingend bei diesem Event gedopt sein? Kann ein Nicht-Gedopter, eventuell dafür mit miserablem Leberwert, dieses Schauspiel gewinnen? Und was passiert, wenn?

‘‘ Ich muss weiter Geld verdienen, es ist Entertainm­ent. Und Cristiano Ronaldo spielt doch auch in Saudiarabi­en.

James Magnussen Schwimmer

 ?? [Reuters/Stefan Wermuth] ?? James Magnussen will mitmachen bei den „Enhanced Games“. Ob der Australier aber einen Rekord bricht oder sich doch nur Schmähunge­n dafür einhandelt?
[Reuters/Stefan Wermuth] James Magnussen will mitmachen bei den „Enhanced Games“. Ob der Australier aber einen Rekord bricht oder sich doch nur Schmähunge­n dafür einhandelt?

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