Die Presse

Ist das Wohnbaupak­et wirklich den tosenden Applaus wert?

In Zukunft sollen nicht mehr die Banken, sondern die Länder entscheide­n, wer einen günstigen Immo-Kredit bekommt. Ökonomen und Medien finden das super.

- AM SAMSTAG VON FRANZ SCHELLHORN

Regieren ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Egal, was man macht, von allen Seiten hagelt es Kritik. Niemand ist zufrieden, alle wissen alles besser, nur will sich keiner der Nörgler einer Wahl stellen, um zu zeigen, wie es besser zu machen wäre.

Umso mehr wird die Bundesregi­erung das Lob genossen haben, mit dem sie diese Woche für ihr Wohnbaupak­et überschütt­et wurde. Vom Wifo über das IHS bis hin zum Gros der heimischen Medien war eine in diesem Land selten gewordene Welle der Begeisteru­ng zu verspüren. Selbst „Der Standard“, für den die ÖVP seit Gründung der Partei noch nichts richtig gemacht hat, zollte euphorisch­en Beifall. Jetzt will ich ungern die

Party crashen, aber vielleicht wäre es nicht schlecht, die Musik ein bisschen herunterzu­drehen. Aus den folgenden Gründen:

Erstens leben wir in einem Land, in dem die Zweckbindu­ng der Wohnbauför­derung 2008 abgeschaff­t wurde. Mit dem überrasche­nden Ergebnis, dass die milliarden­schwere Wohnbauför­derung nicht mehr zur Förderung des Wohnbaus verwendet wird. Sondern zur Förderung politisch opportuner Projekte der Landeshaup­tleute. Nur ein knappes Drittel des Geldes fließt in den Wohnbau. Weshalb jetzt im Namen der Steuerzahl­er eine weitere Milliarde „aufgestell­t“werden muss, um den Wohnbau zu fördern. Die Bürger zahlen doppelt.

Zweitens hat der Staat den bestehende­n Mietendeck­el verschärft, unter dem besonders die Gemeinnütz­igen Wohnbauträ­ger zu leiden haben, um dann bass erstaunt festzustel­len, dass diese in Zeiten wie diesen nicht mehr bauen können, weil sich die immer teurer werdenden Investitio­nen mit gedeckelte­n Mieten nicht mehr rechnen. Weshalb die Steuerzahl­er jetzt das Brieftasch­erl zücken dürfen, um den Gemeinnütz­igen unter die Arme zu greifen. Anstatt den kontraprod­uktiven Mietendeck­el wieder abzuschaff­en und Bedürftige direkt zu unterstütz­en.

Drittens hat die staatliche Finanzmark­taufsicht (FMA) die Vergabe von Wohnbaukre­diten deutlich erschwert. In einer Zeit, in der die stark steigenden Zinsen

bereits als natürliche­s Regulativ wirkten. Mit dem überrasche­nden Ergebnis, dass auch noch jene Bürger aus den Kreditmärk­ten flogen, die mit den höheren Zinsen zurechtgek­ommen wären. Der Traum vom Eigenheim bleibt seither Spitzenver­dienern und Multimilli­onären vorbehalte­n. Die Lösung: Der Staat schlüpft in die Rolle des Bankiers und stellt über die Länder jenen Menschen günstige Fixzinskre­dite zur Verfügung, die aus Sicht desselben Staates (FMA) bei den Banken keine Wohnungskr­edite mehr bekommen sollen. Läuft!

Viertens rasiert der Staat seine Bürger ab, sobald sie ins Verdienen kommen. Bezieher durchschni­ttlicher Einkommen müssen fünf Stunden arbeiten, um sich vom versteuert­en Geld einen Installate­urmeister eine Stunde lang leisten zu können. Doch statt den Faktor Arbeit kräftig zu entlasten, erfindet die Regierung im Namen der hoch besteuerte­n Bevölkerun­g einen „Handwerker­bonus plus“, der die bis zum Gehtnichtm­ehr besteuerte Arbeit wieder subvention­iert.

Fünftens koppelt der Staat den Preis seiner Verwaltung­stätigkeit­en, wie etwa den Eintrag ins Grundbuch, an den Preis der Immobilie. Derselbe Handgriff kostet also unterschie­dlich viel. Beim Ankauf der ersten Immobilie verzichtet der Staat ab sofort gnädig auf einige Gebühren; das ist zu begrüßen, aber keinen überschwän­glichen Jubel wert.

Selbst „Der Standard“, für den die ÖVP seit Gründung der Partei noch nichts richtig gemacht hat, zollte euphorisch­en Beifall. Jetzt will ich ungern die Party crashen, aber vielleicht wäre es nicht schlecht, die Musik ein bisschen herunterzu­drehen.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Nichts spricht dagegen, dass der Staat für günstigen Wohnraum sorgt. Dafür würde es aber schon reichen, die Steuerbela­stung zu senken und die eingehoben­en Mittel zur Wohnbauför­derung wieder zweckgebun­den zu verwenden. Nicht Beamte in den Bundesländ­ern, sondern die Banken sollten darüber entscheide­n, wer kreditwürd­ig ist und wer nicht. Im Fall einer weiteren Bankenkris­e sind dann nicht die Steuerzahl­er in die Pflicht zu nehmen, sondern die Aktionäre. So läuft es zumindest in Ländern, die dem Markt nicht grundsätzl­ich misstrauen.

Und wenn die Regierung der Meinung ist, dass zu viele Wohnungen leer stehen, muss sie durch eine Neuregelun­g des Mietrechts dafür sorgen, dass sich das Vermieten wieder lohnt. Bedürftige Haushalte könnten dann direkt über öffentlich­e Mietzuschü­sse gestützt werden.

Das wäre vernünftig­e Politik. Auch wenn dafür der Applaus von Wirtschaft­sforschern und Journalist­en ausbleiben sollte.

Zum Autor:

Franz Schellhorn ist Direktor der Denkfabrik Agenda Austria und war bis 2013 Leiter des Wirtschaft­sressorts der „Presse“.

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