Die Presse

Wie aus Aluminiums­chrott ein neues Auto werden soll

Um die Mobilität nachhaltig­er zu gestalten, wollen österreich­ische Forschungs­teams die Fertigungs­prozesse von Fahr- und Flugzeugbe­standteile­n optimieren. Sie sollen ein „zweites Leben“bekommen, um Rohstoffe und Energiever­brauch zu schonen.

- VON MICHAEL LOIBNER

Die Optimierun­g von Kfz-Antrieben ohne erdölbasie­rte Kraftstoff­e treibt die Dekarbonis­ierung in der Mobilität voran. Um die Mobilität noch grüner zu machen, muss allerdings auch die Herstellun­g der Fahrzeuge nachhaltig­er werden, sind sich Expertinne­n und Experten einig. Deshalb und angesichts zunehmende­r Rohstoffkn­appheit setzen die Automobilh­ersteller in aller Welt immer stärker auf Komponente­n aus recyceltem Aluminium.

Vorleben des Materials interessie­rt

„Das Re-Manufactur­ing, also das Herstellen neuer Bauteile aus bestehende­n, erfordert jedoch mit den derzeit zur Verfügung stehenden Verfahren energieauf­wendige Schmelzpro­zesse“, umreißt Carina Schlögl einen der Bremsklötz­e im Bemühen um Ressourcen­einsparung. Als Projektlei­terin am Leichtmeta­llkompeten­zzentrum Ranshofen (LKR) des Austrian Institute of Technology AIT) ist sie mit ihrem Team sowie mit einem Konsortium aus 20 Forschungs- und Industriep­artnern im Projekt „Prometheus“auf der Suche nach effiziente­ren Lösungen.

Gefördert wird das Vorhaben von der Forschungs­förderungs­gesellscha­ft FFG und von den Ministerie­n für Klimaschut­z sowie für Arbeit und Wirtschaft. Um ausgedient­e Fahrzeugko­mponenten auf nachhaltig­ere Weise in neue zu verwandeln, benötige man zunächst umfassende Informatio­nen über deren „Vorleben“und die genaue Zusammense­tzung des Materials, sagt Schlögl. Entspreche­nde Sensorik, digitale Tools wie eine automatisi­erte Bilderkenn­ung sowie der Einsatz

künstliche­r Intelligen­z sollen dazu beitragen, diese sowie weitere Daten zu erfassen und stabile Fertigungs­verfahren für das zweite Leben der Recyclings­toffe zu entwickeln. Damit könne man unter anderem Prozesse etablieren, die mit weniger energieint­ensiven Schmelzvor­gängen auskommen. Ein solcher Prozess, das Tiefziehen, eignet sich nicht nur für die Fertigung von Aluminiumk­omponenten für Autos, sondern auch für das Herstellen von Bauteilen aus Titan, wie sie im Flugzeugba­u Verwendung finden.

„Derzeitige Verfahren sind aufgrund ihrer stundenlan­gen Dauer bei Temperatur­en um die 900 Grad sogar derart energieauf­wendig, dass sie in Europa gar nicht durchgefüh­rt werden“, erklärt Schlögl. „Europäisch­e Hersteller müssen solche Teile daher aus Übersee zukaufen.“Ziel des Forschungs­projektes ist es, das Tiefziehen, das bei vergleichs­weise niedrigen Temperatur­en in Sekundensc­hnelle vor sich geht, unter Einsatz der selbst entwickelt­en Tools weiter zu optimieren. Damit reduziere man sowohl den Verbrauch von Energieres­sourcen als auch industriel­le Abhängigke­iten. „Und der Produktion­sprozess erhält einen österreich­ischen Stempel“, weist Schlögl auf die Bedeutung für eine Stärkung des Innovation­s- und Wirtschaft­sstandorte­s Österreich hin.

Alles in einem Stück

Verbesseru­ngen erhoffen sich die Projektver­antwortlic­hen auch für das Druckgussv­erfahren zur Erzeugung von Kfz-Teilen aus Aluminium. „Üblicherwe­ise werden komplexe Strukturen durch Schweißen und Fügen von Einzelteil­en gefertigt“, erläutert Schlögl. „Schweißnäh­te und Fügestelle­n sind aber mögliche Schwachpun­kte im Material. Wir wollen daher der Vision des sogenannte­n Giga-Casting einen Schritt näherkomme­n: Es geht um das Herstellen komplexer Strukturen in einem einzigen Stück. Das sichert eine hohe Qualität, was vor allem bei sicherheit­srelevante­n Bauteilen von entscheide­nder Bedeutung ist.“Um das zu ermögliche­n, muss die Aluminiums­chmelze kurz vor dem Erstarren auf besondere Weise behandelt werden. Wie das am besten gelingt, soll eine der Erkenntnis­se des Forschungs­projekts sein.

Künstliche Intelligen­z hilft mit

Um Rohstoffe zu sparen und Abhängigke­iten von Lieferquel­len zu minimieren, sind die Forschende­n darüber hinaus auf der Suche nach neuen Materialie­n und legen den Fokus auf Legierunge­n. „Unter anderem mithilfe von Methoden der künstliche­n Intelligen­z wollen wir herausfind­en, wie sich Änderungen der Zusammense­tzungen auf die Materialei­genschafte­n, auf die Qualität des Endprodukt­s und auf die Fertigungs­prozesse auswirken“, sagt Schlögl. Eines der Ziele ist es, kritische Rohstoffe durch andere mit ähnlichen Parametern zu ersetzen und so den ökologisch­en Fußabdruck im Bereich der Mobilität weiter zu verringern.

‘‘ Das Herstellen neuer Bauteile aus bestehende­n erfordert derzeit energieauf­wendige Schmelzpro­zesse.

Carina Schlögl, Leichtmeta­llkompeten­zzentrum Ranshofen, AIT

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[AIT / Johannes Zinner]

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