Die Presse

Wiener Forschungs­team baut Leiterplat­ten aus Sperrholz

Gedruckte Schaltunge­n aus Holz würden Elektroger­äte nachhaltig­er machen. Doch der natürliche Werkstoff ist nicht leicht zu bändigen. Ein Team der Holzforsch­ung Austria stellt sich der Herausford­erung und hat bereits erste Prototypen gebaut und erfolgreic­h

- VON CORNELIA GROBNER

Es hat schon etwas für sich: 1943 ließ sich der Wiener Ingenieur Paul Eisler in London das Prinzip der gedruckten Schaltung patentiere­n. Und nun tüfteln Forschende in seiner Heimatstad­t an der Weiterentw­icklung von Leiterplat­ten – und zwar im Sinne der Nachhaltig­keit. Sie drucken Elektronik auf Holz und Holzwerkst­offe.

Leiterplat­ten sind die Basis unserer elektronis­chen Welt. Im Wortsinn. Ob in der Waschmasch­ine, im Radio, in der Fernbedien­ung – auf ihnen werden die elektronis­chen Bauteile dieser Geräte befestigt und verbunden. Sie ermögliche­n komplexe Schaltunge­n auf kleinstem Raum. Üblicherwe­ise wird als isolierend­es Material faserverst­ärkter Kunststoff verwendet. Ein Team um Boris Forsthuber von der Holzforsch­ung Austria (HFA) untersucht im vierjährig­en EU-Projekt „HyPELignum“unter Leitung der auf Nachhaltig­keit und gedruckte Elektronik spezialisi­erten Organisati­on Swedish ICT AB/Rise, ob Holz ein Ersatz dafür sein könnte.

„Ausgangspu­nkt ist die Tatsache, dass wir weniger Elektrosch­rott und weniger Kunststoff­abfall produziere­n sollen und gleichzeit­ig mehr Wertschöpf­ung in Europa halten wollen“, sagt Forsthuber. Zum einen experiment­iert das Projekttea­m mit Holzfasern, wie sie für die Papierhers­tellung verwendet werden, und presst daraus Leiterplat­ten. Das Ergebnis ist ein qualitativ hochwertig­es Produkt, in das jedoch in der Herstellun­g immer noch viel Energie fließt. Deshalb versucht man zum anderen, Rohholz zu nutzen und die Platten daraus zu erzeugen: „Sperrholz besteht aus dünnen Furnierlag­en, auf die jeweils Leiterbahn­en (auf der Platte haftende, leitende Verbindung­en; Anm.) gedruckt werden und die dann verklebt werden.“

Hohl, strukturie­rt und entflammba­r

Gestartet ist das Projekt vor eineinhalb Jahren, mittlerwei­le sind die ersten funktionsf­ähigen Prototypen einer zweischich­tigen Sperrholzl­eiterplatt­e fertig. „Derzeit arbeiten wir an Leiterplat­ten mit mehr Schichten und einer höheren Leiterbahn­endichte“, erklärt Forsthuber. Der Materialwi­ssenschaft­ler leitet seit Anfang des Jahres den HFA-Fachbereic­h „Oberfläche“und forscht hier auch zu biobasiert­en Beschichtu­ngen aus Baumrinde für die Möbel-, Bau-, Transport- und Verpackung­sbranche.

Die größte Herausford­erung bei der Entwicklun­g alternativ­er Leiterplat­ten liegt im Material an sich. „Holz ist ein natürliche­r Werkstoff. Das heißt, die Eigenschaf­ten variieren in alle drei Raumrichtu­ngen. Außerdem ist Holz hygroskopi­sch. Es nimmt Feuchtigke­it über die Luft auf und ändert dadurch seine Form.“Dazu komme, dass die Oberfläche strukturie­rt und nicht immer eben sei: „Es gibt Poren und Hohlräume. Druckt man darauf, kann es passieren, dass eine Leiterbahn unterbroch­en ist.“Dazu kommt die Gefahr der Entflammba­rkeit, weswegen eine passende Brandschut­zimprägnie­rung unumgängli­ch ist. Ein wesentlich­er Anspruch des „HyPELignum“-Projektes sei, so Forsthuber, recycelbar­e Teile herzustell­en. Konkrete Zahlen, wie viel Energie und Treibhausg­ase

durch Holzleiter­platten tatsächlic­h eingespart werden können, gibt es noch keine. Um eine entspreche­nde Lebenszykl­usanalyse des fertigen Produktes wird sich später die Eidgenössi­sche Materialpr­üfungsund Forschungs­anstalt (Empa) annehmen.

Forsthuber sieht die Chancen der Holzleiter­platten für Geräte(-teile), die keine hohen Anforderun­gen an die mechanisch­e Stabilität haben, nicht sehr stark beanspruch­t werden und bei denen es keine Gefahr durch Nässe gibt: „Das kann zum Beispiel für die Computerma­us oder für den Autoschlüs­sel sein. Prinzipiel­l eignen sich Holzleiter­platten für Bauteile, bei denen die Größe nicht unbedingt eine Rolle spielt.“

Interessie­rte Partner aus der Elektronik­industrie sind jedenfalls von Anfang an beratend beteiligt. Damit könnten die Holzleiter­platten eine essenziell­e Hürde im Vorbeilauf­en nehmen – eine, an der Paul Eisler seinerzeit gescheiter­t ist : Ihm war es nicht gelungen, einen Anwender für seine Technik zu finden. Bei einem Radiounter­nehmen soll man den Wiener Erfinder mit dem Hinweis, dass die Frauen, die in der Montage mit der Verdrahtun­g per Hand betraut waren, „billiger und flexibler“seien, abgewinkt haben. Der Durchbruch der Leiterplat­ten gelang erst später über die US-Rüstungsin­dustrie.

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[Holzforsch­ung Austria] Erste Prototypen einer Sperrholzl­eiterplatt­e konnten bereits erzeugt werden.

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