Die Presse

„Wir hoffen, dass dieser Krieg endlich aufhört“

In Ägyptens Hauptstadt, Kairo, wurde über eine neue Waffenruhe verhandelt. Inzwischen verlassen Palästinen­ser Rafah und kehren in ihre zerstörten Häuser zurück.

- Von unserem Korrespond­enten KARIM EL-GAWHARY

Die Vermittler der USA, Ägyptens und Katars bemühten sich seit Tagen, eine Einigung herbeizufü­hren. Ziel der Verhandlun­gen: eine neue Waffenruhe im Gazastreif­en und die Freilassun­g israelisch­er Geiseln, die die Hamas bei ihrem Terrorüber­fall am 7. Oktober verschlepp­t hatte. Im Gegenzug sollten palästinen­sische Gefangene aus israelisch­en Gefängniss­en entlassen werden. Für Sonntag waren dazu intensive Gespräche in Kairo geplant. Auch Vertreter Israels und der Hamas sollten dafür in die ägyptische Hauptstadt reisen, um an diesen indirekten Verhandlun­gen teilzunehm­en.

Im Gazastreif­en wird unterdesse­n die humanitäre Lage immer schlimmer. 1,4 Millionen Menschen drängen sich in der Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten zusammen. Sie sind in den vergangene­n Monaten aus anderen Teilen des Gazastreif­ens hierher geflohen. Und Israels Regierungs­chef, Benjamin Netanjahu, kündigte an, die israelisch­en Truppen auch nach Rafah zu schicken. Das israelisch­e Militär sagt, dass sich hier die letzten Rückzugsba­sen der Hamas-Führung befinden. Viele der geflohenen Zivilisten haben nun beschlosse­n, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Sie sind von Rafah im Süden wieder zu ihren ursprüngli­chen Häusern im Inneren des Gazastreif­ens zurückgeke­hrt. Doch dort stehen sie meist vor dem Nichts.

Die Angst bleibt

Einer von ihnen ist Muhammed Abu Rabia. Er ist vor einem Monat mit seiner Familie aus Deir El-Balah im Zentrum des Gazastreif­ens nach Rafah geflohen und jetzt wieder nach Deir El-Balah zurückgeke­ht. „Rafah, sagten die Israelis, sei sicher, es würde dort nicht bombardier­t. Daher haben wir uns mit über einer Million Palästinen­ser dorthin begeben. Aber Rafah ist nicht sicher. Sie haben uns angelogen. Also haben wir beschlosse­n, wieder in unser ursprüngli­ches Zuhause nach Deir El-Balah zurückzuke­hren“, erzählt er.

Und das, obwohl auch Deir El-Balah regelmäßig bombardier­t wird und die Versorgung­slage, so wie in Rafah, extrem schlecht ist. Trotzdem hat sich Abu Rabia zur Rückkehr entschloss­en.

„Weil wir um unsere Sicherheit gefürchtet und die Kinder mich immer wieder gefragt haben, wann wir wieder nach Hause zurückkehr­en,

dachte ich, das ist die beste Option, selbst wenn auch Deir El-Balah immer noch bombardier­t wird“, rechtferti­gt er seine Entscheidu­ng. Seine Hoffnung, mit seiner Familie in ihrem alten Haus unterzukom­men, wurde schnell enttäuscht. „Wir haben nur unser zerbombtes Haus vorgefunde­n. Also haben wir unser Zelt, das wir aus Rafah mitgebrach­t haben, in Deir El-Balah aufgebaut. Eigentlich ist es kein Zelt, sondern nur paar Plastikpla­nen. Aber immerhin haben wir und die Kinder etwas über dem Kopf“, erzählt er über seine schwierige Lage.

Die Angst bleibt, auch in Deir El-Balah. „Bei den Luftschläg­en können die Kinder nicht schlafen, und wir müssen sie dann beruhigen und sagen, dass die Einschläge weit weg sind“, sagt Abu Rabia.

Schwierige Rückkehr

Auch Anwar Yussef ist, wie er es beschreibt, jedem abgeworfen­en israelisch­en Flugblatt zur Evakuierun­g gefolgt, bevor sein Weg zunächst in Rafah geendet hat. Nun ist er

wieder aus eigener Initiative aus Rafah zurückgeke­hrt, in sein Zuhause im Flüchtling­slager El-Bureij in unmittelba­rer Nachbarsch­aft von Deir El-Balah. „Meine Familie und ich sind aus Angst zurückgeko­mmen, da die Israelis immer wieder gesagt haben, dass eine militärisc­he Offensive in Rafah unmittelba­r bevorstehe“, berichtet er. Auch er steht hier nun mit seiner Familie vor dem Nichts.

„Träume unter Trümmern begraben“

„Nach der Drohung mit der israelisch­en Offensive bin ich mit meiner Familie ins Lager El-Bureij zurückgeke­hrt. Aber dort sahen wir dann unseres total zerstörtes Haus. Nicht ein Stein blieb auf dem anderen. Unsere Wünsche und Träume sind dort unter den Trümmern begraben, all die kleinen Details, die das Leben vor diesem Krieg ausgemacht haben“, schildert er. „Es gibt keine Worte, um diese Tragödie, die wir im Gazastreif­en gerade erleben, zu beschreibe­n.“

Die Palästinen­ser, die nach Hause in Richtung Norden ins Innere des Gazastreif­ens

zurückkehr­en, stehen ohne jegliche Versorgung vor den Trümmern ihres bisherigen Lebens.

Aber eine Hoffnung bleibt für den schon jetzt zurückgeke­hrten Muhammed Abu Rabia, der mit seiner Familie wieder einen Verschlag in seinem Heimatort Deir El-Balah aufgebaut hat. „Wir hören in den Nachrichte­n, dass es bald einen Waffenstil­lstand geben soll“, sagt Muhammed Abu Rabia. Und er fügt hinzu: „Wir hoffen, dass das tatsächlic­h passiert und dass dieser Krieg endlich aufhört.“

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Nach einem israelisch­en Luftangrif­f in Rafah. Palästinen­ser durchsuche­n die Trümmer eines Gebäudes.
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[Reuters/Mohammed Salem]

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