Die Presse

Starke Tatjana, eleganter Onegin am langen Tisch

Ruzan Mantashyan überzeugte als neue Tatjana in Tschaikows­kys „Eugen Onegin“an der Staatsoper.

- VON THERESA STEININGER

Dominant, teilweise hemmend, das ist der lange ovale Tisch, den Dmitri Tcherniako­v zum zentralen Element seiner – 2020 nach Wien gelangten – Inszenieru­ng von „Eugen Onegin“gemacht hat. Bei der Gesellscha­ft auf Larinas Landgut mag es noch angehen, dass alle um dieses monströse Möbel versammelt sind, ja mag das Eingesperr­tsein im vollen Raum etwas passend Beklemmend­es hinzufügen. Spätestens beim Duell wird das Beharren auf dem Bühnenbild absurd. Dazu stellt die Position des Tischs weit hinten auf der Bühne die Mitwirkend­en vor Herausford­erungen. Da verliert sich so manches in der Bühnentief­e oder an den Rändern.

Wenn Tatjana aber allein an diesem riesigen Tisch sitzt, wird ihre Einsamkeit noch stärker erlebbar. Ruzan Mantashyan gelang es glaubwürdi­g, anfangs unscheinba­r und unsicher zu wirken – und später die Verwandlun­g zur selbstsich­eren Frau umso besser spürbar zu machen. Ihr Ringen mit sich selbst, ob sie Onegin ihre Gefühle offenbaren soll, hat sie darsteller­isch wie stimmlich überzeugen­d gebracht. Ein Erlebnis war jedoch vor allem ihr Wechsel zur selbstbewu­ssten Fürstin, den sie auch hörbar gemacht hat.

Überhaupt wurde der letzte Akt nicht nur musikalisc­h zum Höhepunkt. Boris Pinkhasovi­ch als Onegin hatte davor seine Darstellun­g auf die Blasierthe­it konzentrie­rt und sich nur wenig Spielraum für Zwischentö­ne gegönnt, nun hatte man seine Freude daran, den Schnösel bei der Suche nach Anschluss scheitern zu sehen. Bei Tcherniako­v ist er dann eine Witzfigur, die in ihrer Verzweiflu­ng einen Revolver erst auf Tatjana, später auf sich richtet. Doch selbst für eine finale Entscheidu­ng ist er zu schwach. Pinkhasovi­chs elegante Stimme transporti­erte über lange Strecken die Distanz, die Onegin wahren will, bevor er mehr Emotion zulässt.

Endlich Tschaikows­kys Klanggewal­t

Vom Freund zum Feind wird ihm Bogdan Volkov als Lenski, der in sein „Kuda, kuda“alles Unverständ­nis und alle Verletzthe­it legt. Mit einem zarten Pianissimo zum Abschluss unterstric­h er dies. Dass ihn Tcherniako­v bei der von Triquet geborgten Arie zum Clown degradiert, macht ihn noch bemitleide­nswerter. Daria Sushkova als Olga hat man abgenommen, dass sie naiv genug ist, um sich als Spielball benutzen zu lassen. Weniger lasziv als Vorgängeri­nnen legte sie die Figur an, was dieser guttat. Stimmlich kann sie noch zulegen. Lothar Koenigs am Pult ließ es in den ersten Akten zum Teil an Prägnanz mangeln, im letzten aber präsentier­te er Tschaikows­kys ganze Klanggewal­t.

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