„Die Troerinnen“werden in Sankt Pölten zu Barbie-Puppen
Sláva Daubnerová versuchte, Sartres Bearbeitung der Tragödie des Euripides aufzupeppen. Es wurde eine Farce.
Als Euripides, der dritte der großen attischen Dramatiker, circa 415 vor Christus sein spätes Meisterwerk „Die Troerinnen“aufführte, war der Peloponnesische Krieg, der die griechischen Stadtstaaten und ihre Kolonien verheerte, noch voll im Gange. Wenn also die Bürger von Athen im Theater die finale Vernichtung der Stadt Troja im sagenhaften Belagerungskrieg der Griechen sahen, wurden sie auch an aktuelle Schrecknisse erinnert.
Schlimmer geht es wohl nicht mehr als in dieser furchtbaren Tragödie mit rachsüchtigen Göttern. Trojas Krieger sind tot, ihre Frauen werden von den Siegern, den eigentlichen Barbaren, gedemütigt und in die Sklaverei geführt. Im Zentrum des Geschehens: Hekuba, Witwe des Königs Priamos. Alle Söhne hat sie verloren. Ihr Enkel Astyanax, Spross des Hektor und der Andromache, wird von den Zinnen geworfen, damit den Griechen aus dem royalen Kleinkind kein neuer Feind erwachse. Sie sollten dennoch abgestraft werden, Odysseus, Agamemnon…
Vielfach hat man „Die Troerinnen“bis heute nachgedichtet – nie erreicht. Eine passable Bearbeitung, die Bezug auf den Kolonialkrieg Frankreichs in Algerien nahm, verfasste Jean-Paul Sartre 1965. Inzwischen ist dieser Text etwas angejahrt. Das Landestheater Niederösterreich versuchte, ihn in der alten deutschen Übersetzung von Hans Mayer effektvoll wiederzubeleben. Ist Sláva Daubnerová dies gelungen? Kaum, wie die Premiere am Freitag in St. Pölten zeigte, selbst wenn es in den 100 pausenlosen Minuten vereinzelt starke Momente gab. Die slowakische Regisseurin hat sich nämlich dafür entschieden, das Trauerspiel als einen Schwank zu beginnen. Den wird sie nicht mehr los.
Der Meeresgott Poseidon, der wegen Trojas Untergang grollt, und Pallas Athene, die militante Göttin der Weisheit, die das Massensterben betrieben hat, treten in knalligprotzig-prolligen Kostümen auf. Sie beschließen, dass jetzt die Griechen dran sind. Ihre pathetischen Reden verstärken das Lächerliche. Das mag im Prolog noch hingehen, denn nicht nur Sartre, sondern auch Euripides hatte für Olympier ausreichend Sarkasmus über. Doch die Troerinnen werden ebenso Opfer der Satire. Schauspielerinnen, die erst die Götter spielen, übernehmen dann die Rollen der geknechteten Frauen. Wie soll man deren rasenden Schmerz spüren, wenn sie lange Zeit als Lachnummern wie Barbie-Puppen in hautengem Lack und mit langen blonden Perücken hochhackig herumtrippeln?
Ein Catwalk für die High Society
Am ehesten passte so ein Catwalk noch zu Helena, der vom Trojaner Paris entführten schönsten Griechin, dem Kriegsgrund: Laura Laufenberg stakst mit Einkaufstaschen von Nobelmarken herum, als ob sie eine BarbiePuppe imitierte. Sie spielt diesen Part tapfer authentisch und setzt die Sprache so souverän ein, dass man erkennt, wie berechnend dieses Kunstwesen ist. Aber warum müssen auch Julia Kreusch als Andromache und Caroline Baas als Kassandra wie High-Society-Karikaturen agieren? Nicht einmal Hekuba bleibt von diesem Schicksal verschont; Bettina Kerl bietet zumindest starke Passagen, wenn sie ihre Perücke abgenommen hat und geschoren wie eine Sklavin ihr Leid klagt. Alle Frauen werden in Folge entblößt.
Und die Männer? Julian Tzschentke verkündet als Bote wie ein braver Soldat Schwejk Unheil. Er muss die Parodie im Kettenhemd (eher ein Ballkleid) bis zum Ende durchziehen. Sven Kaschte macht Helenas gehörnten Gatten Menelaos in seinem ballonartigen schwarzen Outfit und mit weißer Plastikkalaschnikow zur Posse. Das Ambiente ist verspielt. Wie derzeit üblich gibt es auch einige Videos. Die Zuseher sehen sich selbst vor Beginn auf großem Screen. Dröhnen. Wumms! Vorhang hoch: Das Bühnenbild könnte ein zerbombtes Theater sein. Troja muss brennen. Wie in einem Shooter-Game.