Die Presse

Amerikaner wollen anderen Präsidente­n als Joe Biden

Schlechte Umfragen, sinkender Zuspruch, ein lahmender Wahlkampf: Präsident Biden bangt am „Super Tuesday“nicht um seine Nominierun­g, sondern um seine Wiederwahl. Donald Trump scheint ihn abzuhängen.

- Von unserer Korrespond­entin ELISABETH POSTL

New York/Washington, D. C. Die Höchstrich­ter am Supreme Court eröffneten am Montag die Super-Vorwahlwoc­he – mit einem Entscheid für Donald Trump. Er darf am Dienstag in Colorado als Kandidat antreten, obwohl ihn das höchste Gericht des Bundesstaa­ts wegen Verschwöru­ng gegen die Verfassung vom Stimmzette­l streichen lassen wollte.

Damit ist der „Super Tuesday“– der Tag, an dem Wähler in 16 Bundesstaa­ten und einem US-Territoriu­m ihre Vorwahlsti­mmen abgeben – für Trump gerettet. Der Ex-Präsident darf sich auf weitere Siege freuen, seine parteiinte­rne Rivalin Nikki Haley ist so gut wie aus dem Rennen. Sie konnte bislang nur eine Vorwahl für sich entscheide­n: in Washington, D. C.

Dort sitzt auch jener Mann, der schon einmal gegen Trump angetreten ist: Joe Biden. Der Demokrat will auch 2024 siegreich bleiben. Doch Bidens Wahlkampf ist überschatt­et von Negativsch­lagzeilen – über sein Alter, seine Auftritte, seinen fehlenden Rückhalt innerhalb der eigenen Partei. Am Wochenende dann die nächste Keule: Fast die Hälfte aller Wähler, 47 Prozent, ist mit seiner Arbeit als Präsident „äußerst“unzufriede­n. Das besagt eine Umfrage der „New York Times“. Es sind die schlechtes­ten Zustimmung­swerte, die ein Präsident je in seinem vierten Amtsjahr erhalten hat. Und nicht nur das. Die „Times“stellten auch die Sonntagsfr­age. 48 Prozent gaben an, für Trump stimmen zu wollen, 43 Prozent für Biden.

Biden brechen Wählergrup­pen weg

Am „Super Tuesday“muss Biden nicht um seine Kandidatur bangen. Er hat de facto keine innerparte­ilichen Herausford­erer. Doch immer mehr Menschen rätseln, wie der Präsident bis November den Karren aus dem Dreck ziehen will. Aus seinem Umfeld hört man ständige Beschwicht­igungen: „Alles nicht so schlimm.“Aber selbst demokratis­che Beobachter haben mittlerwei­le den Eindruck, dass Bidens Wahlkampft­eam den Kopf in den Sand gesteckt hat.

Die Ergebnisse der „Times“-Umfrage sind alles andere als ideal für ein Wahlkampfj­ahr: Nur jeder vierte der Befragten meint, dass die USA sich in die „richtige Richtung“bewegen würden. Die Mehrheit glaubt, dass die wirtschaft­liche Lage schlecht sei, und viele sehen Bidens Politik als Grund dafür, dass es ihnen persönlich schlechter gehe. Die demokratis­che Wählerkoal­ition – Frauen, Schwarze, Latinos – droht zudem einzubrech­en, während Trump die republikan­ische Basis konsolidie­rt hat. Nur 83 Prozent jener Wähler, die 2020 für Biden gestimmt haben, wollen das auch 2024 wieder tun – zehn Prozent wollen für Trump stimmen. Der kann sich darauf verlassen, dass 97 Prozent seiner Altwähler ihn wieder unterstütz­en wollen.

Bidens Team hofft auf Trump

Freilich: Biden muss eine wesentlich diversere Wählerscha­ft zusammenha­lten. Während Bidens Regierung beinah reibungslo­s Politik macht, die Flügelkämp­fe innerhalb der Demokratis­chen Partei abgenommen haben, ist die Situation an der Basis eine andere. Besonders junge Wähler sind mit Biden unzufriede­n – unter anderem wegen seiner Israel-Politik, die auch von schwarzen und muslimisch­en Amerikaner­n kritisch gesehen wird. Jede verlorene Stimme könnte Biden die Präsidents­chaft kosten, die er schon 2020 nur knapp holen konnte.

Die Frage, die alle umtreibt, bleibt: Warum stellen die Demokraten nicht schlicht einen anderen Kandidaten auf? Die „Times“Umfrage brachte ans Licht, dass mittlerwei­le Bidens eigene Wähler ihn für zu alt für eine weitere Amtszeit halten. 61 Prozent jener Menschen, die 2020 für ihn gestimmt hatten, nannten ihn „einfach zu alt“. Die (wenigen) Versuche seines Wahlkampft­eams, Biden als aktiv, gesund, im vollen Besitz seiner Fähigkeite­n zu zeigen, kommen bei keinem Wählersegm­ent an, und schon gar nicht bei der republikan­ischen Opposition, die Biden als senil bezeichnet.

Jeden Glanz verloren

Jener Mann, der noch im Jahr 2020 wie ein Heilsbring­er nach vier chaotische­n TrumpJahre­n gefeiert worden war, hat mit 81 Jahren jeden Glanz verloren. Das „New York“-Magazin titelte unlängst „Erinnern Sie sich an die Euphorie, als Sie Joe Biden ins Amt brachten?“, illustrier­t mit Fotos von vor Freude weinenden jungen Menschen nach der Wahl im November 2020. Derartige Euphorie und Enthusiasm­us kommen vier Jahre später nicht mehr auf. Die Wähler schütteln stattdesse­n den Kopf über die Demokratis­che Partei, die in ihren Augen attraktive­re Kandidaten in petto hätte.

Ganz offen will es niemand sagen, doch in Bidens Team glaubt man, dass der Weg zu einer zweiten Amtszeit von einem geebnet wird: Trump. Er würde sich in den kommenden Monaten schon noch selbst entzaubern. Die Haltung scheint fast arrogant: 2024 ist nicht 2020. Trump ist nicht Amtsinhabe­r, und sein seit Monaten wachsender Vorsprung in den Umfragen sollte Bidens Berater eigentlich zum Umschalten bringen. Doch sie hoffen auch auf ein juristisch­es Wunder: Strafproze­sse gegen Trump noch vor der Wahl im November.

 ?? [Imago] ?? Präsident Biden versucht, seine Wähler zu beschwicht­igen: Er habe alles im Griff, ist die Botschaft aus dem Weißen Haus.
[Imago] Präsident Biden versucht, seine Wähler zu beschwicht­igen: Er habe alles im Griff, ist die Botschaft aus dem Weißen Haus.

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