Amerikaner wollen anderen Präsidenten als Joe Biden
Schlechte Umfragen, sinkender Zuspruch, ein lahmender Wahlkampf: Präsident Biden bangt am „Super Tuesday“nicht um seine Nominierung, sondern um seine Wiederwahl. Donald Trump scheint ihn abzuhängen.
New York/Washington, D. C. Die Höchstrichter am Supreme Court eröffneten am Montag die Super-Vorwahlwoche – mit einem Entscheid für Donald Trump. Er darf am Dienstag in Colorado als Kandidat antreten, obwohl ihn das höchste Gericht des Bundesstaats wegen Verschwörung gegen die Verfassung vom Stimmzettel streichen lassen wollte.
Damit ist der „Super Tuesday“– der Tag, an dem Wähler in 16 Bundesstaaten und einem US-Territorium ihre Vorwahlstimmen abgeben – für Trump gerettet. Der Ex-Präsident darf sich auf weitere Siege freuen, seine parteiinterne Rivalin Nikki Haley ist so gut wie aus dem Rennen. Sie konnte bislang nur eine Vorwahl für sich entscheiden: in Washington, D. C.
Dort sitzt auch jener Mann, der schon einmal gegen Trump angetreten ist: Joe Biden. Der Demokrat will auch 2024 siegreich bleiben. Doch Bidens Wahlkampf ist überschattet von Negativschlagzeilen – über sein Alter, seine Auftritte, seinen fehlenden Rückhalt innerhalb der eigenen Partei. Am Wochenende dann die nächste Keule: Fast die Hälfte aller Wähler, 47 Prozent, ist mit seiner Arbeit als Präsident „äußerst“unzufrieden. Das besagt eine Umfrage der „New York Times“. Es sind die schlechtesten Zustimmungswerte, die ein Präsident je in seinem vierten Amtsjahr erhalten hat. Und nicht nur das. Die „Times“stellten auch die Sonntagsfrage. 48 Prozent gaben an, für Trump stimmen zu wollen, 43 Prozent für Biden.
Biden brechen Wählergruppen weg
Am „Super Tuesday“muss Biden nicht um seine Kandidatur bangen. Er hat de facto keine innerparteilichen Herausforderer. Doch immer mehr Menschen rätseln, wie der Präsident bis November den Karren aus dem Dreck ziehen will. Aus seinem Umfeld hört man ständige Beschwichtigungen: „Alles nicht so schlimm.“Aber selbst demokratische Beobachter haben mittlerweile den Eindruck, dass Bidens Wahlkampfteam den Kopf in den Sand gesteckt hat.
Die Ergebnisse der „Times“-Umfrage sind alles andere als ideal für ein Wahlkampfjahr: Nur jeder vierte der Befragten meint, dass die USA sich in die „richtige Richtung“bewegen würden. Die Mehrheit glaubt, dass die wirtschaftliche Lage schlecht sei, und viele sehen Bidens Politik als Grund dafür, dass es ihnen persönlich schlechter gehe. Die demokratische Wählerkoalition – Frauen, Schwarze, Latinos – droht zudem einzubrechen, während Trump die republikanische Basis konsolidiert hat. Nur 83 Prozent jener Wähler, die 2020 für Biden gestimmt haben, wollen das auch 2024 wieder tun – zehn Prozent wollen für Trump stimmen. Der kann sich darauf verlassen, dass 97 Prozent seiner Altwähler ihn wieder unterstützen wollen.
Bidens Team hofft auf Trump
Freilich: Biden muss eine wesentlich diversere Wählerschaft zusammenhalten. Während Bidens Regierung beinah reibungslos Politik macht, die Flügelkämpfe innerhalb der Demokratischen Partei abgenommen haben, ist die Situation an der Basis eine andere. Besonders junge Wähler sind mit Biden unzufrieden – unter anderem wegen seiner Israel-Politik, die auch von schwarzen und muslimischen Amerikanern kritisch gesehen wird. Jede verlorene Stimme könnte Biden die Präsidentschaft kosten, die er schon 2020 nur knapp holen konnte.
Die Frage, die alle umtreibt, bleibt: Warum stellen die Demokraten nicht schlicht einen anderen Kandidaten auf? Die „Times“Umfrage brachte ans Licht, dass mittlerweile Bidens eigene Wähler ihn für zu alt für eine weitere Amtszeit halten. 61 Prozent jener Menschen, die 2020 für ihn gestimmt hatten, nannten ihn „einfach zu alt“. Die (wenigen) Versuche seines Wahlkampfteams, Biden als aktiv, gesund, im vollen Besitz seiner Fähigkeiten zu zeigen, kommen bei keinem Wählersegment an, und schon gar nicht bei der republikanischen Opposition, die Biden als senil bezeichnet.
Jeden Glanz verloren
Jener Mann, der noch im Jahr 2020 wie ein Heilsbringer nach vier chaotischen TrumpJahren gefeiert worden war, hat mit 81 Jahren jeden Glanz verloren. Das „New York“-Magazin titelte unlängst „Erinnern Sie sich an die Euphorie, als Sie Joe Biden ins Amt brachten?“, illustriert mit Fotos von vor Freude weinenden jungen Menschen nach der Wahl im November 2020. Derartige Euphorie und Enthusiasmus kommen vier Jahre später nicht mehr auf. Die Wähler schütteln stattdessen den Kopf über die Demokratische Partei, die in ihren Augen attraktivere Kandidaten in petto hätte.
Ganz offen will es niemand sagen, doch in Bidens Team glaubt man, dass der Weg zu einer zweiten Amtszeit von einem geebnet wird: Trump. Er würde sich in den kommenden Monaten schon noch selbst entzaubern. Die Haltung scheint fast arrogant: 2024 ist nicht 2020. Trump ist nicht Amtsinhaber, und sein seit Monaten wachsender Vorsprung in den Umfragen sollte Bidens Berater eigentlich zum Umschalten bringen. Doch sie hoffen auch auf ein juristisches Wunder: Strafprozesse gegen Trump noch vor der Wahl im November.