Katz-und-Maus-Spiel der Ölgiganten
Die USA weiten die Ölproduktion rasant aus, das Ölkartell Opec+ drosselt sie verzweifelt. Russland spielt mit, hat aber eigentlich ein anderes Problem.
Die Welt schien einfacher, als die USA und Saudiarabien noch an einem Strang zogen. Zumindest die USA bekamen durch die einstige Kooperationsbereitschaft des traditionell größten Ölförderers Saudiarabien früher noch leichter und annähernd jenen Ölpreis, den sie sich für ihre und die Weltwirtschaft vorstellten. Seit die USA jedoch vor gut zehn Jahren dank der umstrittenen Fracking-Methode ihre zuvor rückläufige eigene Förderung so massiv auszuweiten begannen, dass sie inzwischen sogar zum weltgrößten Ölproduzenten aufstiegen, veränderten sich nicht nur die globalen Kräfteverhältnisse auf dem Sektor. Die beiden Länder, deren Verhältnis auch politisch belastet ist, spielen inzwischen bereits Katz und Maus.
Die Aktion der Opec+
Zutage trat dies erst wieder in den vergangenen Tagen. So hat die Opec+, jenes Kartell von 23 erdölexportierenden Ländern, das vom mächtigen Saudiarabien angeführt wird, am Sonntag ihren Beschluss mitgeteilt, ihr Ölangebot weiter knapp zu halten. Konkret sollen die freiwilligen Förderkürzungen von 2,2 Millionen Barrel je Tag (gut zwei Prozent des globalen Tagesverbrauchs), die im November für das erste Quartal beschlossen worden sind, nun bis Ende Juni fortgeführt werden. „Die Opec+ versucht, das Angebot zu straffen, um den Preis zu halten. Sie fürchtet, dass er andernfalls unter 70 Dollar je Barrel fallen könnte“, sagt Raiffeisen-Energieexperte Hannes Loacker auf Anfrage der „Presse“. Die Ölpreise – aktuell bei 83,3 Dollar für die europäische Sorte Brent und 79,5 Dollar für die US-Sorte WTI – blieben am Montag denn auch weitgehend unverändert, die Marktteilnehmer hatten nämlich mit diesem Schritt der Opec+ gerechnet, da sie ihn als nötig erachteten, um die saisonal- und konjunkturbedingte Nachfrageschwäche und die steigende Produktion anderer Ölförderer auszugleichen.
Gerade hinter dem zweiten Punkt – der steigenden Produktion anderer Ölförderer – verbergen sich die USA, Saudiarabiens Gegenpart im Katz-und-Maus-Spiel. Just am vorigen Donnerstag haben die neuen Daten der U.S. Energy Information Administration (EIA) zutage gebracht, dass die US-Ölproduktion im Dezember neue saisonale Rekorde aufgestellt und damit ein beispielloses Jahr erlebt hat.
Die Aktion der USA
Die Produktion lag im Dezember bei 13,3 Mio. Barrel pro Tag, was einem Anstieg von 1,2 Mio. pro Tag gegenüber dem Jahr davor entspricht. Ist dies schon spektakulär genug, so ist für das größere Bild eine andere Zahl noch entscheidender: Im Gesamtjahr 2023 stieg die US-Produktion nämlich auf 4,721 Mrd. Barrel gegenüber 4,347 Mrd. Barrel im Jahr 2022, was bedeutet, dass sie sich seit 2012 verdoppelt hat, wie die Nachrichtenagentur Reuters in einer Analyse schreibt.
Die USA förderten 2023 Öl, was das Zeug hält. Und zwar ungeachtet der Tatsache, dass die Ölpreise weitaus niedriger waren als etwa in der ersten Jahreshälfte 2022. Und auch ungeachtet der Tatsache, dass angesichts des niedrigeren Preises die Anzahl der Ölbohrinseln laut Ölfelddienstleister Baker Hughes im Dezember 2023 bei durchschnittlich 501 lagen, gegenüber 623 im Dezember 2022. Die
Bohrinseln hätten einfach ihre Effizienz gesteigert, schreibt Reuters.
Insbesondere Saudiarabien versucht diesem steigenden Druck aus den USA (und in geringerem Ausmaß auch aus Brasilien) dagegenzuhalten und eine gewisse Einheit in der Opec+ zu wahren. Wenig verwunderlich, schließlich brauchen die Saudis laut der Ratingagentur Fitch einen Ölpreis von über 90 Dollar pro Barrel, um den eingeleiteten wirtschaftlichen Wandel zu stemmen. Schon bei 80 Dollar käme es zu einem Budgetdefizit. Nicht zufällig stemmt daher Saudiarabien den Löwenanteil der prolongierten Förderkürzung – aktuell holt es täglich nur neun Millionen Barrel aus der Erde, obwohl es die Kapazität für zwölf Millionen hätte.
Gefährdete Einheit
Die Einheit in der Opec+ war nie ungefährdet und ist es auch weiterhin nicht. „Der Irak etwa, der dringend Devisen braucht, oder die Vereinigten Arabischen Emirate haben keine große Freude mit der Förderkürzung, denn sie haben eigentlich mehr Förderkapazitäten“, erklärt Loacker.
Der heikelste Fall innerhalb der Opec+ ist Russland, zweitgrößter Ölproduzent hinter Saudiarabien. Russland war wie andere Opec+Staaten bei der Umsetzung seiner vorjährigen Kürzungsverpflichtungen säumig. Nun erklärte Moskau am Sonntag, sich mehr ins Zeug zu legen und die Ölproduktion bis Juni sukzessive um letztlich 471.000 Barrel pro Tag zu reduzieren. „Aufgrund der Kälte kann Russland seine Bohrlöcher nicht so problemlos schließen wie Saudiarabien, und zudem hat das Land mehrere Ölkonzerne, die von der Regierung nicht so leicht auf Linie zu bringen sind“, sagt der Moskauer Energieexperte Michail Krutichin auf Anfrage der „Presse“: „Die Konzerne fördern an ihrer Kapazitätsgrenze und wollen möglichst viel exportieren.“
Vertrackte Lage für Russland
Hier stößt das Land freilich vermehrt auf Widerstand, denn die USA haben ihren Druck auf die Hauptabnehmerländer China und Indien wegen des Verstoßes gegen den G7-Preisdeckel gegen Russland verstärkt. Reuters zufolge soll in den vergangenen drei Monaten ein Dutzend Tanker mit mehr als zehn Millionen Barrel russischen Öls auf den Meeren unterwegs sein, ohne Käufer zu finden. „Sollte Russland weiterhin keine Käufer für das gestrandete Öl finden, wird es seine Ölexporte gezwungenermaßen reduzieren müssen“, schreibt die Commerzbank. Die von Moskau am Sonntag zugesagte zusätzliche Förderkürzung könnte daher ein Trick sein, den sanktionsbedingt rückläufigen Export einfach innerhalb der Opec+ anders zu verkaufen, meint Raiffeisen-Experte Loacker.