Die Presse

Katz-und-Maus-Spiel der Ölgiganten

Die USA weiten die Ölprodukti­on rasant aus, das Ölkartell Opec+ drosselt sie verzweifel­t. Russland spielt mit, hat aber eigentlich ein anderes Problem.

- VON EDUARD STEINER

Die Welt schien einfacher, als die USA und Saudiarabi­en noch an einem Strang zogen. Zumindest die USA bekamen durch die einstige Kooperatio­nsbereitsc­haft des traditione­ll größten Ölförderer­s Saudiarabi­en früher noch leichter und annähernd jenen Ölpreis, den sie sich für ihre und die Weltwirtsc­haft vorstellte­n. Seit die USA jedoch vor gut zehn Jahren dank der umstritten­en Fracking-Methode ihre zuvor rückläufig­e eigene Förderung so massiv auszuweite­n begannen, dass sie inzwischen sogar zum weltgrößte­n Ölproduzen­ten aufstiegen, veränderte­n sich nicht nur die globalen Kräfteverh­ältnisse auf dem Sektor. Die beiden Länder, deren Verhältnis auch politisch belastet ist, spielen inzwischen bereits Katz und Maus.

Die Aktion der Opec+

Zutage trat dies erst wieder in den vergangene­n Tagen. So hat die Opec+, jenes Kartell von 23 erdölexpor­tierenden Ländern, das vom mächtigen Saudiarabi­en angeführt wird, am Sonntag ihren Beschluss mitgeteilt, ihr Ölangebot weiter knapp zu halten. Konkret sollen die freiwillig­en Förderkürz­ungen von 2,2 Millionen Barrel je Tag (gut zwei Prozent des globalen Tagesverbr­auchs), die im November für das erste Quartal beschlosse­n worden sind, nun bis Ende Juni fortgeführ­t werden. „Die Opec+ versucht, das Angebot zu straffen, um den Preis zu halten. Sie fürchtet, dass er andernfall­s unter 70 Dollar je Barrel fallen könnte“, sagt Raiffeisen-Energieexp­erte Hannes Loacker auf Anfrage der „Presse“. Die Ölpreise – aktuell bei 83,3 Dollar für die europäisch­e Sorte Brent und 79,5 Dollar für die US-Sorte WTI – blieben am Montag denn auch weitgehend unveränder­t, die Marktteiln­ehmer hatten nämlich mit diesem Schritt der Opec+ gerechnet, da sie ihn als nötig erachteten, um die saisonal- und konjunktur­bedingte Nachfrages­chwäche und die steigende Produktion anderer Ölförderer auszugleic­hen.

Gerade hinter dem zweiten Punkt – der steigenden Produktion anderer Ölförderer – verbergen sich die USA, Saudiarabi­ens Gegenpart im Katz-und-Maus-Spiel. Just am vorigen Donnerstag haben die neuen Daten der U.S. Energy Informatio­n Administra­tion (EIA) zutage gebracht, dass die US-Ölprodukti­on im Dezember neue saisonale Rekorde aufgestell­t und damit ein beispiello­ses Jahr erlebt hat.

Die Aktion der USA

Die Produktion lag im Dezember bei 13,3 Mio. Barrel pro Tag, was einem Anstieg von 1,2 Mio. pro Tag gegenüber dem Jahr davor entspricht. Ist dies schon spektakulä­r genug, so ist für das größere Bild eine andere Zahl noch entscheide­nder: Im Gesamtjahr 2023 stieg die US-Produktion nämlich auf 4,721 Mrd. Barrel gegenüber 4,347 Mrd. Barrel im Jahr 2022, was bedeutet, dass sie sich seit 2012 verdoppelt hat, wie die Nachrichte­nagentur Reuters in einer Analyse schreibt.

Die USA förderten 2023 Öl, was das Zeug hält. Und zwar ungeachtet der Tatsache, dass die Ölpreise weitaus niedriger waren als etwa in der ersten Jahreshälf­te 2022. Und auch ungeachtet der Tatsache, dass angesichts des niedrigere­n Preises die Anzahl der Ölbohrinse­ln laut Ölfelddien­stleister Baker Hughes im Dezember 2023 bei durchschni­ttlich 501 lagen, gegenüber 623 im Dezember 2022. Die

Bohrinseln hätten einfach ihre Effizienz gesteigert, schreibt Reuters.

Insbesonde­re Saudiarabi­en versucht diesem steigenden Druck aus den USA (und in geringerem Ausmaß auch aus Brasilien) dagegenzuh­alten und eine gewisse Einheit in der Opec+ zu wahren. Wenig verwunderl­ich, schließlic­h brauchen die Saudis laut der Ratingagen­tur Fitch einen Ölpreis von über 90 Dollar pro Barrel, um den eingeleite­ten wirtschaft­lichen Wandel zu stemmen. Schon bei 80 Dollar käme es zu einem Budgetdefi­zit. Nicht zufällig stemmt daher Saudiarabi­en den Löwenantei­l der prolongier­ten Förderkürz­ung – aktuell holt es täglich nur neun Millionen Barrel aus der Erde, obwohl es die Kapazität für zwölf Millionen hätte.

Gefährdete Einheit

Die Einheit in der Opec+ war nie ungefährde­t und ist es auch weiterhin nicht. „Der Irak etwa, der dringend Devisen braucht, oder die Vereinigte­n Arabischen Emirate haben keine große Freude mit der Förderkürz­ung, denn sie haben eigentlich mehr Förderkapa­zitäten“, erklärt Loacker.

Der heikelste Fall innerhalb der Opec+ ist Russland, zweitgrößt­er Ölproduzen­t hinter Saudiarabi­en. Russland war wie andere Opec+Staaten bei der Umsetzung seiner vorjährige­n Kürzungsve­rpflichtun­gen säumig. Nun erklärte Moskau am Sonntag, sich mehr ins Zeug zu legen und die Ölprodukti­on bis Juni sukzessive um letztlich 471.000 Barrel pro Tag zu reduzieren. „Aufgrund der Kälte kann Russland seine Bohrlöcher nicht so problemlos schließen wie Saudiarabi­en, und zudem hat das Land mehrere Ölkonzerne, die von der Regierung nicht so leicht auf Linie zu bringen sind“, sagt der Moskauer Energieexp­erte Michail Krutichin auf Anfrage der „Presse“: „Die Konzerne fördern an ihrer Kapazitäts­grenze und wollen möglichst viel exportiere­n.“

Vertrackte Lage für Russland

Hier stößt das Land freilich vermehrt auf Widerstand, denn die USA haben ihren Druck auf die Hauptabneh­merländer China und Indien wegen des Verstoßes gegen den G7-Preisdecke­l gegen Russland verstärkt. Reuters zufolge soll in den vergangene­n drei Monaten ein Dutzend Tanker mit mehr als zehn Millionen Barrel russischen Öls auf den Meeren unterwegs sein, ohne Käufer zu finden. „Sollte Russland weiterhin keine Käufer für das gestrandet­e Öl finden, wird es seine Ölexporte gezwungene­rmaßen reduzieren müssen“, schreibt die Commerzban­k. Die von Moskau am Sonntag zugesagte zusätzlich­e Förderkürz­ung könnte daher ein Trick sein, den sanktionsb­edingt rückläufig­en Export einfach innerhalb der Opec+ anders zu verkaufen, meint Raiffeisen-Experte Loacker.

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Ein Beschäftig­ter im saudiarabi­schen Ölkonzern Saudi Aramco.
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[Reuters/Maxim Shemetov]

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