Die Presse

Mehr Gesten und Geld

Anstelle des Sowjetdenk­mals auf dem Schwarzenb­ergplatz sollte ein Monument für die Opfer totalitäre­r Regimes treten.

- VON MARTIN MALEK Martin Malek (*1965) ist österreich­ischer Politikwis­senschaftl­er.

Liam Hoare („Weniger Gesten, mehr Geld“, 29. 2.) greift in die – immer wieder aufflammen­de – Diskussion um das Heldendenk­mal der Roten Armee ( „Russendenk­mal“) auf dem Schwarzenb­ergplatz ein. Deren aktuelle Auflage unterschei­det sich durch einen drastisch geänderten „Hintergrun­d“von früheren Anläufen: Bekanntlic­h führt Russland seit dem 24. Februar 2022 einen Vernichtun­gskrieg gegen die Ukraine. Hoare spricht sich massiv gegen ein Abtragen des Denkmals aus, weil damit „Geschichte ausradiert“würde. Doch soll man wirklich glauben, dass ohne dieses die Erinnerung an die zwischen der Sowjetarme­e und der deutschen Wehrmacht geführte Schlacht um Wien (März/April 1945) verblassen oder verschwind­en würde?

Mit „den 2. und 3. Ukrainisch­en Formatione­n“meint Hoare vermutlich die Zweite Ukrainisch­e Front und die Dritte Ukrainisch­e Front der Roten Armee. Deren Verluste bei der Schlacht um Wien lagen allerdings nicht, wie er schreibt, bei „rund 17.000“Soldaten, sondern waren etwa doppelt so hoch. Auch Hoares Meinung, wonach ein Abriss des Denkmals der Ukraine nicht helfen würde, ist unzureiche­nd fundiert: Es würde Russland nämlich ohne diesen stalinisti­schen Kitsch schwerer fallen, in und mit Österreich seine eigene „Auslandsge­schichtspo­litik“und Propaganda zu betreiben und sich damit als „ewiges Opfer des Westens“darzustell­en. Gegenüber der Ukraine ist es Täter und nichts außerdem.

Am 9. Mai, dem sowjetisch­en „Tag des Siegs“im Zweiten Weltkrieg, versammeln sich an diesem Denkmal stets die „üblichen Verdächtig­en“– um dort Kränze und Blumen niederzule­gen: Geheimdien­stmitarbei­ter, aus denen sich das Personal der russischen Botschaft in Wien weitgehend zusammense­tzt, die Österreich­Russische Freundscha­ftsgesells­chaft, die Österreich­isch-Weißrussis­che Gesellscha­ft, diverse andere prorussisc­he und prosowjeti­sche Organisati­onen aus Österreich und dem Ausland, staatliche (d. h. vom Kreml kontrollie­rte) russische Banken und Firmen und Putins Motorradga­ng, Nachtwölfe. Was hat das demokratis­che Österreich mit diesem Publikum zu tun bzw. was (und warum) will es mit ihm noch zu schaffen haben?

Ein würdiges Monument

Dieses Denkmal sollte durch ein würdiges und modernes Monument für die Opfer autoritäre­r und totalitäre­r Regimes, darunter in Österreich (1934–1945) und Russland (seit Jahrhunder­ten mit nur wenigen und jeweils kurzen „demokratis­chen“Intermezzi), ersetzt werden. Doch das wird wohl nie geschehen. Das offizielle Österreich wird das Denkmal auch und gerade deswegen nicht abreißen, weil in einem solchen Fall die russische Botschaft in Wien und Maria Sacharowa, im Nebenberuf berühmt-berüchtigt­e Pressespre­cherin des russischen Außenminis­teriums, verbal Amok laufen würden. Doch hier könnte man etwa durch die Anordnung einer signifikan­ten Reduktion des russischen Botschafts­personals gegensteue­rn.

Liam Hoare nennt das Denkmal und den anhaltende­n österreich­ischen Bezug von russischem Erdgas in einem Atemzug. Hier bestehen tatsächlic­h Zusammenhä­nge, allerdings auf anderen Ebenen als von ihm unterstell­t. Österreich ist das Land, das nach zwei Jahren wirklich gewaltiger Bemühungen zum Ausstieg aus russischem Erdgas den Anteil am Import im Dezember 2023 auf 98% getrieben hat. Das, obwohl nach Auskunft der österreich­ischen Regulierun­gsbehörde E-Control jederzeit ein völliger Ausstieg realisierb­ar wäre. Doch irgendjema­nd in Österreich hat daran kein Interesse und zahlt lieber weiter großzügig in das russische Staatsbudg­et ein, aus dem der Krieg gegen die Ukraine finanziert wird.

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