Mehr Gesten und Geld
Anstelle des Sowjetdenkmals auf dem Schwarzenbergplatz sollte ein Monument für die Opfer totalitärer Regimes treten.
Liam Hoare („Weniger Gesten, mehr Geld“, 29. 2.) greift in die – immer wieder aufflammende – Diskussion um das Heldendenkmal der Roten Armee ( „Russendenkmal“) auf dem Schwarzenbergplatz ein. Deren aktuelle Auflage unterscheidet sich durch einen drastisch geänderten „Hintergrund“von früheren Anläufen: Bekanntlich führt Russland seit dem 24. Februar 2022 einen Vernichtungskrieg gegen die Ukraine. Hoare spricht sich massiv gegen ein Abtragen des Denkmals aus, weil damit „Geschichte ausradiert“würde. Doch soll man wirklich glauben, dass ohne dieses die Erinnerung an die zwischen der Sowjetarmee und der deutschen Wehrmacht geführte Schlacht um Wien (März/April 1945) verblassen oder verschwinden würde?
Mit „den 2. und 3. Ukrainischen Formationen“meint Hoare vermutlich die Zweite Ukrainische Front und die Dritte Ukrainische Front der Roten Armee. Deren Verluste bei der Schlacht um Wien lagen allerdings nicht, wie er schreibt, bei „rund 17.000“Soldaten, sondern waren etwa doppelt so hoch. Auch Hoares Meinung, wonach ein Abriss des Denkmals der Ukraine nicht helfen würde, ist unzureichend fundiert: Es würde Russland nämlich ohne diesen stalinistischen Kitsch schwerer fallen, in und mit Österreich seine eigene „Auslandsgeschichtspolitik“und Propaganda zu betreiben und sich damit als „ewiges Opfer des Westens“darzustellen. Gegenüber der Ukraine ist es Täter und nichts außerdem.
Am 9. Mai, dem sowjetischen „Tag des Siegs“im Zweiten Weltkrieg, versammeln sich an diesem Denkmal stets die „üblichen Verdächtigen“– um dort Kränze und Blumen niederzulegen: Geheimdienstmitarbeiter, aus denen sich das Personal der russischen Botschaft in Wien weitgehend zusammensetzt, die ÖsterreichRussische Freundschaftsgesellschaft, die Österreichisch-Weißrussische Gesellschaft, diverse andere prorussische und prosowjetische Organisationen aus Österreich und dem Ausland, staatliche (d. h. vom Kreml kontrollierte) russische Banken und Firmen und Putins Motorradgang, Nachtwölfe. Was hat das demokratische Österreich mit diesem Publikum zu tun bzw. was (und warum) will es mit ihm noch zu schaffen haben?
Ein würdiges Monument
Dieses Denkmal sollte durch ein würdiges und modernes Monument für die Opfer autoritärer und totalitärer Regimes, darunter in Österreich (1934–1945) und Russland (seit Jahrhunderten mit nur wenigen und jeweils kurzen „demokratischen“Intermezzi), ersetzt werden. Doch das wird wohl nie geschehen. Das offizielle Österreich wird das Denkmal auch und gerade deswegen nicht abreißen, weil in einem solchen Fall die russische Botschaft in Wien und Maria Sacharowa, im Nebenberuf berühmt-berüchtigte Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, verbal Amok laufen würden. Doch hier könnte man etwa durch die Anordnung einer signifikanten Reduktion des russischen Botschaftspersonals gegensteuern.
Liam Hoare nennt das Denkmal und den anhaltenden österreichischen Bezug von russischem Erdgas in einem Atemzug. Hier bestehen tatsächlich Zusammenhänge, allerdings auf anderen Ebenen als von ihm unterstellt. Österreich ist das Land, das nach zwei Jahren wirklich gewaltiger Bemühungen zum Ausstieg aus russischem Erdgas den Anteil am Import im Dezember 2023 auf 98% getrieben hat. Das, obwohl nach Auskunft der österreichischen Regulierungsbehörde E-Control jederzeit ein völliger Ausstieg realisierbar wäre. Doch irgendjemand in Österreich hat daran kein Interesse und zahlt lieber weiter großzügig in das russische Staatsbudget ein, aus dem der Krieg gegen die Ukraine finanziert wird.