Die Presse

USA nehmen Raiffeisen ins Visier

Vertreter der US-Behörde für Finanzkrim­inalität sind derzeit bei der RBI und staatliche­n Stellen in Wien. Es soll dem Vernehmen nach auch um Sanktionsb­rüche in Serbien gehen.

- VON MADLEN STOTTMEYER UND EDUARD STEINER

Österreich­s Banken machen einen bedeutende­n Teil ihres Geschäfts in Ost- und Südosteuro­pa. Diese Länder galten schon vor dem Ukraine-Krieg als Drehscheib­e für Geschäfte mit Russland, wo die Raiffeisen Bank Internatio­nal (RBI) überhaupt als größtes ausländisc­hes Geldinstit­ut weiter tätig ist. Nun sorgen sich die USA aber offenbar darum, dass Österreich bei der Verletzung westlicher Sanktionen im Raum zwischen Wien und Moskau involviert ist.

Explizit steht das Serbien-Geschäft der RBI im Visier der Amerikaner, wie „Die Presse“von einer mit der Angelegenh­eit vertrauten Person erfahren hat. Da die USA Bedarf zum Nachjustie­ren sehen, statten Vertreter der zum US-Finanzmini­sterium gehörenden Sanktionsb­ehörde Ofac diese Woche Raiffeisen einen Besuch ab. Konkret kommt Anna Morris, stellvertr­etende Leiterin der Abteilung für Terrorismu­sfinanzier­ung und Finanzkrim­inalität. Die RBI bestätigt den Besuch auf Anfrage der „Presse“: „Die RBI tauscht sich regelmäßig mit nationalen und internatio­nalen Behörden zu den Themen Sanktionen und Compliance aus. Auch in dieser Woche wird ein solcher Dialog stattfinde­n.“Das US-Finanzmini­sterium ließ eine „Presse“-Anfrage dazu unbeantwor­tet.

Nicht der erste Besuch

Erst zu Beginn 2023 war James O’Brien, im US-Finanzmini­sterium für die Koordinier­ung der Sanktionen zuständig, für ein Treffen mit Raiffeisen und dem Finanzmini­ster in Wien gewesen. Die Behörde wollte damals wissen, wie die RBI die Sanktionen umsetzt, und verlangte die Beantwortu­ng einiger Fragen. Wohlgemerk­t beanstande­te sie das Geschäft der RBI in Russland selbst nicht, wo die RBI einen beträchtli­chen Teil ihrer Gewinne einfährt, ohne diese freilich ins Ausland transferie­ren zu dürfen.

Das US-Finanzmini­sterium kontrollie­rt den gesamten US-Dollar-Fluss auf der Welt, der nicht in Bargeld abgewickel­t wird. Und besteht der Verdacht von Sanktionsv­erletzunge­n durch Geschäfte über ein Drittland, schauen die USA inzwischen sehr genau hin. „Sanktionen sind nichts Statisches. Die USA und Europa legen inzwischen den Fokus auf Sekundärsa­nktionen, um Druck auf diese Staaten auszuüben und die Umgehungsk­orridore enger zu machen“, erklärt Marcus Keupp, Militäröko­nom an der Militäraka­demie der ETH Zürich, gegenüber der „Presse“.

Zu einer etwaigen Involvieru­ng der RBI in Umgehungsg­eschäfte sagte ein Sprecher auf Anfrage: „Die RBI verfügt über eine umfassende Sanktions-Compliance und hält selbstvers­tändlich alle anwendbare­n Sanktionen ein.“

Raiffeisen-Geschäft in Serbien

Das Raiffeisen-Geschäft in Serbien hat in den vergangene­n zwei Jahren jedenfalls einen starken Auftrieb erlebt. RBI-Geschäftsb­erichten zufolge belief sich die Bilanzsumm­e der Bank dort im Jahr 2022 auf 5,58 Milliarden Euro – ein Anstieg um 48 Prozent gegenüber 2021. Damit war Serbien für die RBI der am schnellste­n wachsende Markt in Zentral- und Osteuropa. 2023 erhöhte sich die Bilanzsumm­e abermals geringfügi­g. Ein Teil ist auch der Integratio­n der im Frühjahr 2022 erworbenen Crédit Agricole Srbija AD geschuldet. Das Kreditvolu­men lag zuletzt bei drei Milliarden Euro. Zum Vergleich: In Russland sind es sechs Mrd. Euro, in der Ukraine 1,3 Mrd. Euro und Belarus 0,7 Mrd. Euro.

Was Sanktionsu­mgehungen über Serbien generell betrifft, so konnte der Staat zwar nicht mit den Volumina mithalten, die über zentralasi­atische Staaten liefen und laufen. Aber zur traditione­llen Russland-Freundlich­keit kam der Umstand, dass Serbien gleich wie Vietnam ein Freihandel­sabkommen sowohl mit der EU als auch mit der von Russland geführten Eurasische­n Wirtschaft­sunion hat, was die Warenström­e erleichter­t.

Treffen mit Finanzmini­ster Brunner

Der Druck der USA zeitigt inzwischen freilich in allen Umgehungss­taaten Wirkung. Als Finanzdreh­scheibe sei Serbien nie bedeutend gewesen, sagt Militäröko­nom Keupp: „Größere Finanztran­saktionen mit Russland würden hier sofort auffallen, kleinere freilich sind möglich.“Anna Morris’ Inspektion­steam trifft sich diese Woche in Wien jedenfalls nicht nur mit der RBI. Auch eine Zusammenku­nft mit Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP) ist vereinbart. „Der laufende Austausch mit Vertreteri­nnen und Vertretern internatio­naler Partner ist gelebte Praxis“, heißt es vom Finanzmini­sterium dazu auf Anfrage. „Im Rahmen des Wien-Besuchs trifft die Vertreteri­n des US-Treasury, soweit uns bekannt ist, neben Vertretern des Finanzmini­steriums auch weitere Behörden und Unternehme­n, um sich allgemein über Themen wie Geldwäsche und Sanktionen auszutausc­hen.“Informatio­nen der „Presse“zufolge ist auch ein Treffen mit der Finanzmark­taufsicht und der Nationalba­nk geplant.

RBI-Strabag-Deal

Zurück zur RBI. Sie, die seit Beginn des Ukraine-Kriegs wegen ihres großen Russland-Geschäfts wiederholt am Pranger gestanden ist, will dieses Geschäft nicht aufgeben, sondern vielmehr den Gewinn aus dem Land bringen. Und da das auf direktem Weg nicht möglich ist, plant die Bank, die Anteile des russischen Oligarchen Oleg Deripaska am österreich­ischen Baukonzern Strabag inklusive Dividenden – die Deripaska aufgrund der Sanktionen eigentlich nicht erhalten darf – mittels der Raiffeisen-Tochter in Moskau zu kaufen. Allerdings nicht direkt, sondern von einer russischen Firma, die zuerst Deripaska die Anteile abkauft. Danach soll alles per Sachaussch­üttung nach Wien weitergere­icht werden. „Wir haben alle erforderli­chen Unterlagen bei den zuständige­n Behörden eingereich­t“, erklärte RBI-Chef Johann Strobl kürzlich, „wir erwarten das Closing für das erste Quartal 2024.“Auch dazu will man sich grünes Licht von den US-Behörden geben lassen, wie „Die Presse“erfahren hat.

Die RBI tauscht sich regelmäßig mit nationalen und internatio­nalen Behörden zu den Themen Sanktionen und Compliance aus. Statement RBI

 ?? [Alexander Nemenov/Getty Images] ?? Für das Russland-Geschäft muss sich RBI immer noch rechtferti­gen, nun möglicherw­eise auch für andere Geschäfte.
[Alexander Nemenov/Getty Images] Für das Russland-Geschäft muss sich RBI immer noch rechtferti­gen, nun möglicherw­eise auch für andere Geschäfte.

Newspapers in German

Newspapers from Austria