USA nehmen Raiffeisen ins Visier
Vertreter der US-Behörde für Finanzkriminalität sind derzeit bei der RBI und staatlichen Stellen in Wien. Es soll dem Vernehmen nach auch um Sanktionsbrüche in Serbien gehen.
Österreichs Banken machen einen bedeutenden Teil ihres Geschäfts in Ost- und Südosteuropa. Diese Länder galten schon vor dem Ukraine-Krieg als Drehscheibe für Geschäfte mit Russland, wo die Raiffeisen Bank International (RBI) überhaupt als größtes ausländisches Geldinstitut weiter tätig ist. Nun sorgen sich die USA aber offenbar darum, dass Österreich bei der Verletzung westlicher Sanktionen im Raum zwischen Wien und Moskau involviert ist.
Explizit steht das Serbien-Geschäft der RBI im Visier der Amerikaner, wie „Die Presse“von einer mit der Angelegenheit vertrauten Person erfahren hat. Da die USA Bedarf zum Nachjustieren sehen, statten Vertreter der zum US-Finanzministerium gehörenden Sanktionsbehörde Ofac diese Woche Raiffeisen einen Besuch ab. Konkret kommt Anna Morris, stellvertretende Leiterin der Abteilung für Terrorismusfinanzierung und Finanzkriminalität. Die RBI bestätigt den Besuch auf Anfrage der „Presse“: „Die RBI tauscht sich regelmäßig mit nationalen und internationalen Behörden zu den Themen Sanktionen und Compliance aus. Auch in dieser Woche wird ein solcher Dialog stattfinden.“Das US-Finanzministerium ließ eine „Presse“-Anfrage dazu unbeantwortet.
Nicht der erste Besuch
Erst zu Beginn 2023 war James O’Brien, im US-Finanzministerium für die Koordinierung der Sanktionen zuständig, für ein Treffen mit Raiffeisen und dem Finanzminister in Wien gewesen. Die Behörde wollte damals wissen, wie die RBI die Sanktionen umsetzt, und verlangte die Beantwortung einiger Fragen. Wohlgemerkt beanstandete sie das Geschäft der RBI in Russland selbst nicht, wo die RBI einen beträchtlichen Teil ihrer Gewinne einfährt, ohne diese freilich ins Ausland transferieren zu dürfen.
Das US-Finanzministerium kontrolliert den gesamten US-Dollar-Fluss auf der Welt, der nicht in Bargeld abgewickelt wird. Und besteht der Verdacht von Sanktionsverletzungen durch Geschäfte über ein Drittland, schauen die USA inzwischen sehr genau hin. „Sanktionen sind nichts Statisches. Die USA und Europa legen inzwischen den Fokus auf Sekundärsanktionen, um Druck auf diese Staaten auszuüben und die Umgehungskorridore enger zu machen“, erklärt Marcus Keupp, Militärökonom an der Militärakademie der ETH Zürich, gegenüber der „Presse“.
Zu einer etwaigen Involvierung der RBI in Umgehungsgeschäfte sagte ein Sprecher auf Anfrage: „Die RBI verfügt über eine umfassende Sanktions-Compliance und hält selbstverständlich alle anwendbaren Sanktionen ein.“
Raiffeisen-Geschäft in Serbien
Das Raiffeisen-Geschäft in Serbien hat in den vergangenen zwei Jahren jedenfalls einen starken Auftrieb erlebt. RBI-Geschäftsberichten zufolge belief sich die Bilanzsumme der Bank dort im Jahr 2022 auf 5,58 Milliarden Euro – ein Anstieg um 48 Prozent gegenüber 2021. Damit war Serbien für die RBI der am schnellsten wachsende Markt in Zentral- und Osteuropa. 2023 erhöhte sich die Bilanzsumme abermals geringfügig. Ein Teil ist auch der Integration der im Frühjahr 2022 erworbenen Crédit Agricole Srbija AD geschuldet. Das Kreditvolumen lag zuletzt bei drei Milliarden Euro. Zum Vergleich: In Russland sind es sechs Mrd. Euro, in der Ukraine 1,3 Mrd. Euro und Belarus 0,7 Mrd. Euro.
Was Sanktionsumgehungen über Serbien generell betrifft, so konnte der Staat zwar nicht mit den Volumina mithalten, die über zentralasiatische Staaten liefen und laufen. Aber zur traditionellen Russland-Freundlichkeit kam der Umstand, dass Serbien gleich wie Vietnam ein Freihandelsabkommen sowohl mit der EU als auch mit der von Russland geführten Eurasischen Wirtschaftsunion hat, was die Warenströme erleichtert.
Treffen mit Finanzminister Brunner
Der Druck der USA zeitigt inzwischen freilich in allen Umgehungsstaaten Wirkung. Als Finanzdrehscheibe sei Serbien nie bedeutend gewesen, sagt Militärökonom Keupp: „Größere Finanztransaktionen mit Russland würden hier sofort auffallen, kleinere freilich sind möglich.“Anna Morris’ Inspektionsteam trifft sich diese Woche in Wien jedenfalls nicht nur mit der RBI. Auch eine Zusammenkunft mit Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ist vereinbart. „Der laufende Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern internationaler Partner ist gelebte Praxis“, heißt es vom Finanzministerium dazu auf Anfrage. „Im Rahmen des Wien-Besuchs trifft die Vertreterin des US-Treasury, soweit uns bekannt ist, neben Vertretern des Finanzministeriums auch weitere Behörden und Unternehmen, um sich allgemein über Themen wie Geldwäsche und Sanktionen auszutauschen.“Informationen der „Presse“zufolge ist auch ein Treffen mit der Finanzmarktaufsicht und der Nationalbank geplant.
RBI-Strabag-Deal
Zurück zur RBI. Sie, die seit Beginn des Ukraine-Kriegs wegen ihres großen Russland-Geschäfts wiederholt am Pranger gestanden ist, will dieses Geschäft nicht aufgeben, sondern vielmehr den Gewinn aus dem Land bringen. Und da das auf direktem Weg nicht möglich ist, plant die Bank, die Anteile des russischen Oligarchen Oleg Deripaska am österreichischen Baukonzern Strabag inklusive Dividenden – die Deripaska aufgrund der Sanktionen eigentlich nicht erhalten darf – mittels der Raiffeisen-Tochter in Moskau zu kaufen. Allerdings nicht direkt, sondern von einer russischen Firma, die zuerst Deripaska die Anteile abkauft. Danach soll alles per Sachausschüttung nach Wien weitergereicht werden. „Wir haben alle erforderlichen Unterlagen bei den zuständigen Behörden eingereicht“, erklärte RBI-Chef Johann Strobl kürzlich, „wir erwarten das Closing für das erste Quartal 2024.“Auch dazu will man sich grünes Licht von den US-Behörden geben lassen, wie „Die Presse“erfahren hat.
Die RBI tauscht sich regelmäßig mit nationalen und internationalen Behörden zu den Themen Sanktionen und Compliance aus. Statement RBI