Die Presse

UNO erstellt „Liste des Horrors“

Sonderermi­ttler haben Berichte über sexuelle Gewalt der Hamas gegen israelisch­e Frauen überprüft – und dabei „extremste und unmenschli­chste Formen der Folter“festgestel­lt.

- VON IRENE ZÖCH

Durch mehr als 5000 Fotos und 50 Stunden Videomater­ial arbeiteten sich die Ermittler der Vereinten Nationen. In den ersten beiden Februarwoc­hen trafen sie in Israel 33 Behördenve­rtreter sowie 34 Augenzeuge­n, Sanitäter, Überlebend­e und ehemalige Geiseln. Das Fazit des neunköpfig­en Teams rund um die UNO-Sonderermi­ttlerin Pramila Patten: Es gebe „berechtigt­en Grund zur Annahme“, dass es während des Terroransc­hlags der islamistis­chen Hamas in Israel zu Vergewalti­gungen und Gruppenver­gewaltigun­gen an mindestens drei Orten gekommen sei.

Am Gelände des SupernovaM­usikfestiv­als, im Kibbutz Re‘im und entlang der nahegelege­nen Regionalst­raße 232 gebe es klare Hinweise, dass die Opfer „zuerst vergewalti­gt und dann getötet“wurden. Besonders das Areal des Festivals in der westlichen Negev-Wüste sei ein Ort des „brutalen Massenmord­es“, wo enstellte und misshandel­te Frauenleic­hen gefunden wurden. „Wir haben eine Liste der extremsten und unmenschli­chsten Formen von Folter und anderem Horror vorgefunde­n“, erklärte Patten im UNO-Hauptquart­ier in New York bei der Veröffentl­ichung des Berichts am Dienstag.

Vorwürfe an zögerliche UNO

Zweifel an der Ausübung sexueller Gewalt durch islamistis­che HamasKämpf­er beim Angriff vom 7. Oktober bestehen kaum. Augenzeuge­n hatten vor allem vom Nova-Festival von brutalen Vergewalti­gungen und von Verstümmel­ungen durch Hamas-Kämpfer berichtet. Die betroffene­n Frauen waren von den Terroriste­n anschließe­nd ermordet und teils verstümmel­t worden. Der UNO-Bericht geht aber auch von post-mortaler sexueller Gewalt aus.

Doch nicht nur während des Überfalls durch die Hamas ist es zu Vergewalti­gungen gekommen. Es gebe „klare und überzeugen­de Informatio­nen“, dass die verschlepp­ten israelisch­en Geiseln während ihrer Gefangensc­haft durch die Hamas misshandel­t wurden.

Nur zögerlich berichtete­n die freigekomm­enen Frauen und Männer von ihrem Martyrium. Ärzten und Psychologe­n vertrauten sie an, was sie durchmache­n mussten. Einige ihrer Leidensges­chichten wurden von den Ärzten anonymisie­rt publik gemacht, um den Horror der Gefangensc­haft zu dokumentie­ren. Laut UNO-Bericht müsse man davon ausgehen, „dass derartige Gewalt

weiter andauert gegen diejenigen, die noch festgehalt­en werden“.

Eine Untersuchu­ng durch die UNO hatte Israel bereits seit Monaten gefordert. Israel wirft der Organisati­on vor, nicht angemessen auf die Gräueltate­n vom 7. Oktober reagiert zu haben. Lange schwieg die UNO dazu, was Frauenrech­tsund Opferschut­zorganisat­ionen nicht nur in Israel sondern weltweit öffentlich thematisie­rten.

Botschafte­r zurück beordert

Am Abend vor der Veröffentl­ichung des 24 Seiten langen Berichts hat der israelisch­e Außenminis­ter Israel Katz angekündig­t, den israelisch­en Botschafte­r bei der UNO für Konsultati­onen zurück nach Hause zu beordern. Katz ärgert sich laut einer am Dienstag auf X veröffentl­ichten Erklärung unter anderem darüber, dass der UNO-Sicherheit­srat die Hamas nicht als Terrororga­nisation einstuft.

Lobend hingegen äußerte sich Israels Präsident, Yitzhak Herzog. Er schrieb dem Report „immense Bedeutung“sowie „moralische­r Klarheit und Integrität“zu. Nun müsse die Welt entschiede­n reagieren und die Hamas verurteile­n und bestrafen.

Gefangene nackt vorgeführt

Wenig gefiel dem Außenminis­terium im aktuellen Bericht jene Passage, wo die Behandlung palästinen­sischer Gefangener in israelisch­er Haft thematisie­rt wird. Vor allem ging es darum, dass sich Männer bei Festnahmen, aber auch bei Razzien und bei Kontrollpu­nkten nackt ausziehen mussten. Zu sexuellen Übergriffe­n sei es nicht gekommen. Das israelisch­e Außenminis­terium weist jegliche Kritik zurück.

Hunderte freigelass­ene Palästinen­ser werfen in einem noch unveröffen­tlichten Bericht des umstritten­en UNO-Palästinen­serhilfswe­rks UNRWA Israel Misshandlu­ngen in den Gefängniss­en vor. Sie sprechen von Schlafentz­ug und von extremem Lärm. Das Hilfswerk ist massiv unter Beschuss geraten, nachdem bekannt geworden war, dass UNRWA-Mitarbeite­r Verbindung­en zur Hamas hatten.

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[APA / AFP / Aris Messinis] Einer der Orte des Horrors: das Gelände des Nova-Festivals fünf Tage nach dem Überfall der Hamas.

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