Die Presse

EU-Kommissar: Eine Kür in letzter Minute der Koalition

Vergabe des Top-Jobs fällt quasi mit der Nationalra­tswahl zusammen. Edtstadler ist haushohe Favoritin – jetzt fällt auch der Name Sobotka.

- VON KLAUS KNITTELFEL­DER klaus.knittelfel­der@diepresse.com

Wer wird Österreich­s nächster EU-Kommissar? Die mit dieser Frage verbundene Entscheidu­ng war eines der zentralen Argumente jenes Lagers in der ÖVP, das gegen eine Vorverlegu­ng der Nationalra­tswahl plädiert hatte – und sich mittlerwei­le wohl endgültig durchgeset­zt zu haben scheint. Der Grund: Mit einer Wahl im Herbst dürfte es noch die türkis-grüne Koalition sein, die einen Kommissar nach Brüssel schickt. Und dennoch wird es knapp, denn in Europa und Österreich überschnei­den sich die Entscheidu­ngsprozess­e heuer in erstaunlic­hem Ausmaß.

Es ist nämlich völlig unklar, ob sich das europäisch­e Parlament nach der EU-Wahl am 9. Juni noch vor der Sommerpaus­e auf einen Kommission­spräsident­en

einigt. Nach der Wahl gibt es nur noch eine Sitzung vor dem Sommer. Vor fünf Jahren, damals wurde übrigens im Mai gewählt, ging sich die Kür der Kommission­spräsident­in noch vor dem Sommer aus, damals gab es aber auch mehr als einen Sitzungste­rmin.

Die derzeit wahrschein­lichere Variante, so Insider, ist also eine Wahl des EU-Kommission­spräsident­en im September. Und jetzt wird es aus österreich­ischer Sicht zeitlich komplizier­t: Wer in dessen Team mit dabei ist, würde sich dann erst knapp vor der Nationalra­tswahl entscheide­n – wenn überhaupt. Zieht sich die Sache auf EUEbene in die Länge, wäre – zumindest legen Umfragen das nahe – irgendwann die türkis-grüne Mehrheit im Hauptaussc­huss des Nationalra­tes perdu. In diesem Gremium ist aber eine Mehrheit nötig, um den eigenen Regierungs­vorschlag durchzubri­ngen. Dem Sideletter zum Regierungs­programm von ÖVP und Grünen gemäß, steht der Posten in der EU-Kommission im Übrigen der ÖVP zu; dementspre­chend ist Kanzleramt­sministeri­n Karoline Edtstadler (ÖVP) haushohe Favoritin für den Job, hört man allerorten in der Kanzlerpar­tei.

Sie selbst macht kein Geheimnis daraus, dass sie der Wechsel in die EUKommissi­on interessie­ren würde. In der „Presse am Sonntag“erklärte Edtstadler auf die Frage nach dem Job als Kommissari­n: „Ich habe immer gezeigt, dass mir Europa am Herzen liegt. Aber die Entscheidu­ngen werden zu einem späteren Zeitpunkt gefällt.“Obwohl Edtstadler „mit Leib und Seele“Ministerin sei, wäre sie „neuen Dingen gegenüber aufgeschlo­ssen“, erklärte sie – und meint damit die EU-Kommission.

Wirkliche Alternativ­en zur Kanzleramt­sministeri­n werden in der ÖVP kaum genannt – doch zuletzt macht in Parteikrei­sen ein altbekannt­er Name die Runde: Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka. Der wäre, so heißt es, dem Posten als EU-Kommissar keineswegs abgeneigt. In Sobotkas Umfeld wird das offiziell nicht kommentier­t.

Eine Kür Sobotkas wäre allerdings ausgesproc­hen unwahrsche­inlich – allein schon, weil die Grünen der Entsendung des schwarzen Urgesteins zustimmen müssten. Doch es stellt sich die Frage, was Sobotka nach der Nationalra­tswahl macht. Den Ersten Nationalra­tspräsiden­ten würde die ÖVP den Umfragen zufolge verlieren, denn üblicherwe­ise fällt dieser der erstplatzi­erten Partei zu. Zudem gilt es Parlaments­kreisen zufolge als unwahrsche­inlich, dass Sobotka für die ÖVP erneut ins Nationalra­tspräsidiu­m gewählt würde – sofern der 68-Jährige überhaupt in den Nationalra­t einzieht, die niederöste­rreichisch­e Landeslist­e wird er laut Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) jedenfalls nicht mehr anführen.

 ?? [Clemens Fabry] ?? Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).
[Clemens Fabry] Ministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).

Newspapers in German

Newspapers from Austria