EU-Kommissar: Eine Kür in letzter Minute der Koalition
Vergabe des Top-Jobs fällt quasi mit der Nationalratswahl zusammen. Edtstadler ist haushohe Favoritin – jetzt fällt auch der Name Sobotka.
Wer wird Österreichs nächster EU-Kommissar? Die mit dieser Frage verbundene Entscheidung war eines der zentralen Argumente jenes Lagers in der ÖVP, das gegen eine Vorverlegung der Nationalratswahl plädiert hatte – und sich mittlerweile wohl endgültig durchgesetzt zu haben scheint. Der Grund: Mit einer Wahl im Herbst dürfte es noch die türkis-grüne Koalition sein, die einen Kommissar nach Brüssel schickt. Und dennoch wird es knapp, denn in Europa und Österreich überschneiden sich die Entscheidungsprozesse heuer in erstaunlichem Ausmaß.
Es ist nämlich völlig unklar, ob sich das europäische Parlament nach der EU-Wahl am 9. Juni noch vor der Sommerpause auf einen Kommissionspräsidenten
einigt. Nach der Wahl gibt es nur noch eine Sitzung vor dem Sommer. Vor fünf Jahren, damals wurde übrigens im Mai gewählt, ging sich die Kür der Kommissionspräsidentin noch vor dem Sommer aus, damals gab es aber auch mehr als einen Sitzungstermin.
Die derzeit wahrscheinlichere Variante, so Insider, ist also eine Wahl des EU-Kommissionspräsidenten im September. Und jetzt wird es aus österreichischer Sicht zeitlich kompliziert: Wer in dessen Team mit dabei ist, würde sich dann erst knapp vor der Nationalratswahl entscheiden – wenn überhaupt. Zieht sich die Sache auf EUEbene in die Länge, wäre – zumindest legen Umfragen das nahe – irgendwann die türkis-grüne Mehrheit im Hauptausschuss des Nationalrates perdu. In diesem Gremium ist aber eine Mehrheit nötig, um den eigenen Regierungsvorschlag durchzubringen. Dem Sideletter zum Regierungsprogramm von ÖVP und Grünen gemäß, steht der Posten in der EU-Kommission im Übrigen der ÖVP zu; dementsprechend ist Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) haushohe Favoritin für den Job, hört man allerorten in der Kanzlerpartei.
Sie selbst macht kein Geheimnis daraus, dass sie der Wechsel in die EUKommission interessieren würde. In der „Presse am Sonntag“erklärte Edtstadler auf die Frage nach dem Job als Kommissarin: „Ich habe immer gezeigt, dass mir Europa am Herzen liegt. Aber die Entscheidungen werden zu einem späteren Zeitpunkt gefällt.“Obwohl Edtstadler „mit Leib und Seele“Ministerin sei, wäre sie „neuen Dingen gegenüber aufgeschlossen“, erklärte sie – und meint damit die EU-Kommission.
Wirkliche Alternativen zur Kanzleramtsministerin werden in der ÖVP kaum genannt – doch zuletzt macht in Parteikreisen ein altbekannter Name die Runde: Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Der wäre, so heißt es, dem Posten als EU-Kommissar keineswegs abgeneigt. In Sobotkas Umfeld wird das offiziell nicht kommentiert.
Eine Kür Sobotkas wäre allerdings ausgesprochen unwahrscheinlich – allein schon, weil die Grünen der Entsendung des schwarzen Urgesteins zustimmen müssten. Doch es stellt sich die Frage, was Sobotka nach der Nationalratswahl macht. Den Ersten Nationalratspräsidenten würde die ÖVP den Umfragen zufolge verlieren, denn üblicherweise fällt dieser der erstplatzierten Partei zu. Zudem gilt es Parlamentskreisen zufolge als unwahrscheinlich, dass Sobotka für die ÖVP erneut ins Nationalratspräsidium gewählt würde – sofern der 68-Jährige überhaupt in den Nationalrat einzieht, die niederösterreichische Landesliste wird er laut Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) jedenfalls nicht mehr anführen.