Schuldig oder nicht? Lostag für Karmasin
Justiz. Am Mittwoch entscheidet der OGH, ob es bei der erstinstanzlichen Verurteilung bleibt.
Der 23. Mai des Vorjahres war ein schwarzer Tag für Sophie Karmasin (Amtszeit: Dezember 2013 bis Dezember 2017, von der ÖVP nominiert). Die Ex-Familienministerin, die bereits 2022 drei Wochen in U-Haft gesessen war, wurde wegen wettbewerbsbeschränkender Absprachen (§168b Strafgesetzbuch) verurteilt. Karmasin brachte Rechtsmittel ein. Am Mittwoch kämpft die 57-Jährige vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) um eine Aufhebung des Ersturteils.
Der Vorwurf: Karmasin soll von 2019 bis 2021 andere, darunter die Meinungsforscherin Sabine Beinschab (sie arbeitet mittlerweile mit der Korruptionsstaatsanwaltschaft, der WKStA, zusammen und wurde zur Kronzeugin), gedrängt haben, in Vergabeverfahren des Sportministeriums manipulierte beziehungsweise teure Angebote zu legen. Auf diese Art stand Karmasin mit ihren eigenen Angeboten als Bestbieterin da. Und zog Aufträge an Land. Konkret ging es um Aufträge für Studien (Beispiel: „Motivanalyse Bewegung und Sport“). Zwei Studien wurden tatsächlich bei Karmasin in Auftrag gegeben und bezahlt. Ein drittes Angebot zog Karmasin zurück.
Ein weiterer Vorwurf, der in erster Instanz Teil der Anklage war: Karmasin soll schweren Betrug begangen haben, indem sie zu Unrecht Bezugsfortzahlungen nach ihrer Amtszeit als Ministerin kassierte. In diesem Punkt wurde die Ex-Politikerin aber freigesprochen. Und zwar wegen tätiger Reue. Sie hatte das Geld laut Richter „gerade noch rechtzeitig“zurückgezahlt.
Zurück zum Vorwurf der Absprachen im Vergabeverfahren. Die Verteidigungslinie, die Karmasins Anwalt Norbert Wess entwickelt und in eine – 193 Seiten starke – Nichtigkeitsbeschwerde verpackt hat, ist leicht erklärt: Das
Sportministerium habe alles darauf ausgerichtet, dass Karmasin zum Zug kommt. Denn nur diese habe in den Augen der Auftraggeber das Know-how gehabt. Daher könne man gar nicht von einem regelrechten Vergabeverfahren sprechen. Der Tatbestand „Wettbewerbsbeschränkende Absprachen“greife nicht.
Es habe Vorgespräche mit Karmasin gegeben. Ihr seien Unterlagen und Daten vorab übermittelt worden. Dokumentationspflichten seien nicht eingehalten worden. Gewünschte Leistungen seien zum Teil vorab mit Karmasin besprochen worden. So kommt die Verteidigung in der Nichtigkeitsbeschwerde etwa bei der Studie „Motivanalyse Bewegung und Sport“zum Ergebnis: „In Anbetracht dieser Historie und der gravierenden Verletzungen sämtlicher Grundprinzipien eines Vergabeverfahrens noch von einem (…) tatbestandsmäßigen Vergabeverfahren auszugehen mutet daher als geradezu absurd an.“
Auch WKStA beruft
Die Höchstrichter müssen nicht nur über die Rechtsmittel von Karmasin, sopndern auch über jene der WKStA entscheiden. Denn auch Letztere will, dass das Ersturteil geändert wird – freilich in umgekehrter Richtung. Die WKStA will, dass der Freispruch vom Betrugsvorwurf in einen Schuldspruch umgewandelt wird.
Laut „Presse“-Informationen meint die Generalprokuratur (die beim OGH eingerichtete oberste Staatsanwaltschaft der Republik), dass weder der Beschwerde Karmasins noch jener der WKStA Berechtigung zukomme. Freilich ist der OGH in seiner Entscheidung frei. Herauskommen könnte ein Freispruch, eine Bestätigung des Schuldspruchs oder die Anordnung, den Prozess zu wiederholen.