Start-up-Szene bleibt eine Männerdomäne
Unternehmen, die von Frauen gegründet werden, bekommen in Finanzierungsrunden deutlich seltener Geld als Start-ups von Männern. Der Mangel an Investorinnen ist auch europaweit ein Problem.
Wien. Der typische österreichische Gründer ist männlich, unter 35 Jahre alt und ohne Migrationshintergrund. Zumindest noch, denn die Gründerinnen sind in Österreich deutlich auf dem Vormarsch: 36 Prozent der Neugründungen von Start-ups im vergangenen Halbjahr wurden von einer Frau oder zumindest einer Frau im Gründerteam durchgeführt. Das besagt der halbjährliche Start-up Funding Index der Beratungsfirma EY, welcher der „Presse“exklusiv vorab vorliegt. Die Zahlen zeigen deutlich: die Nachwuchsarbeit funktioniert sehr gut, die 36 Prozent liegen über dem EU-Schnitt mit rund 21 Prozent.
Wenn die Start-ups weiter wachsen, verlieren sie diesen Vorsprung aber rasch wieder. Denn laut dem Index wird in Start-ups mit Frauen im Gründerteam deutlich weniger investiert. Neun von zehn in Österreich investierte Euros gingen im Vorjahr an rein männliche Gründungsteams und nur bei 16 Prozent der Finanzierungsrunden ist zumindest eine Frau im Gründerteam vertreten. Wie kann das sein? Allein an der
Branche liegt es nicht, denn Frauen gründen vorrangig in Bereichen der Nachhaltigkeit und Green-Tec – Sektoren die derzeit von Investoren enorm nachgefragt werden.
„In der ersten Phase wird üblicherweise von einem Business Angel investiert. Diese suchen sich am liebsten Gründer aus, die ihnen ähneln“, sagt Lisa-Marie Fassl, Gründerin von Female Founders. Die Female Founders begleiten Frauen entlang ihrer unternehmerischen
Karrieren – von der Findungsphase über die Gründung, hin zum Wachstum bis zum Exit. Fassl legte gemeinsam mit ihrer Co-Gründerin Nina Wöss einen VC-Fonds auf. Der Venture-Capital-Fonds Fund F wurde 2022 ins Leben gerufen und konzentriert sich auf TechnologieStartups mit mindestens einer Frau im Gründungsteam.
Nur wenig Investorinnen
Das zeigt nun das Dilemma auf, in dem Österreich steckt: hierzulande werden nicht nur mehr Gründerinnen gebraucht, sondern auch mehr Investorinnen. „Gäbe es mehr Investorinnen, wären Start-ups mit weiblicher Beteiligung auch erfolgreicher.“Die großen Finanzierungsrunden finden weiter in Großbritannien, Frankreich und Deutschland statt. Österreich gehört zu den Schlusslichtern, nur in Tschechien, Bulgarien und Portugal wird noch weniger investiert.
Das Volumen, das Investoren in Österreichs Start-ups investieren, hat sich zuletzt reduziert – der Rückgang betrug 2023 rund 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Aber 2021 und 2022 gelten als Rekordjahre. Und mit einer Gesamtsumme von 695 Millionen Euro ist das die größte lukrierte Summe, mit Ausnahme der beiden Boom-Jahre. Eine starke Entwicklung gab es bei der Anzahl der Finanzierungsrunden. Entgegen des internationalen Trends stieg sie um rund 22 Prozent auf eine Bestmarke: von 151 auf 184. 2023 wies jedoch im Gegensatz zu den beiden Vorjahren keinen einzigen „Mega“-Deal mit einer Investitionssumme von über 100 Millionen Euro auf. Andere europäische Länder sind für Investorinnen und Investoren attraktiver als Österreich. Frankreich gilt etwa als Vorreiter der Branche. Ein Grund: Präsident Emmanuel Macron hat die Start-up-Politik zur Chefsache erklärt.
Steuervorteil als Zugpferd
Die Tatsache, dass von Frauen gegründete Start-ups weniger Risikokapital als rein männliche oder gemischte Gründerteams erhalten, zieht sich durch ganz Europa. Und dieselbe Lücke gibt es auch auf Investorenseite: Eine Umfrage unter mehr als 400 Risikokapitalgesellschaften ergab, dass nur 15 Prozent Frauen an Fonds teilhaben. 85 Prozent der Teilhaber sind männlich. Zudem beteiligen sich Investorinnen eher an kleinen Fonds.
Fassl plädiert deshalb für gezielte Anreize wie beispielsweise einen Beteiligungsfreibetrag. Private Investoren erhalten dabei für das Risiko, das sie eingehen, einen Steuervorteil. Das würde privates Kapital mobilisieren und Frauen – die grundsätzlich eher auf Sicherheit bedacht sind – motivieren.
‘‘ Jedes zehnte Start-up mit Investment hat eine Gründerin