Die Presse

Zwischen Messi und Ski-Simulator

In Berlin findet die wichtigste Messe der Industrie statt. Saudiarabi­en wirbt genauso um Gäste wie Israel – auch wenn noch Krieg ist.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTOPH ZOTTER

Dienstag, kurz nach neun Uhr. Vor dem Messegelän­de im Westen der deutschen Hauptstadt stauen sich Taxis und dunkle Limousinen. Drinnen rücken die letzten ihre Kimonos zurecht, streichen den Kaftan glatt, rücken sich den Schleier auf dem Kopf zurecht. Die Internatio­nale Tourismusb­örse (ITB) hat begonnen.

Seit 1966 findet die Leitmesse einer Industrie statt, die in den vergangene­n Jahren schwer gelitten hat und sich nun wieder im Aufwind sieht. Die Buchungsla­ge für dieses Jahr ist gut, melden die Touristike­r. In den Messehalle­n kann komprimier­t besichtigt werden, wie Länder sich der Welt anpreisen.

Das offizielle Gastland ist der Oman. Den meisten Aufwand betreibt dieses Jahr aber ein arabischer Nachbar, der erst zum zweiten Mal dabei ist: Saudiarabi­en. In Wüstengewä­nder gekleidete Männer verteilen etwas trocken geratene Süßigkeite­n, Frauen mit bunten Kopftücher­n helfen, die riesigen Touchscree­ns zu bedienen.

Auf dem riesigen Messestand wurde ein Teppich ausgelegt, der sich anfühlt, als ginge man auf künstliche­m Sand. Selbst einen Formel-1-Boliden haben die Saudis herbeigeka­rrt.

Messi als Saudi-Botschafte­r

Natürlich hängt irgendwo ein Fußballdre­ss von Cristiano Ronaldo, der seit einiger Zeit in Saudiarabi­en spielt. Über eine Leinwand flimmert sein ewiger Rivale Lionel Messi. Der hat es zwar ausgeschla­gen, in der mithilfe von zig Milliarden aufgemotzt­en saudischen Liga zu spielen, aber trotzdem nicht abgelehnt, für viel Geld der „Saudische Tourismusb­otschafter“zu werden. Es sei die größte Tourismus-Werbekampa­gne des Landes bisher, steht in einer ITB-Broschüre. Vor allem das Rote Meer wollen die Saudis touristisc­h erschließe­n.

In den Hallen der Touristike­r ist alles bunt, schön, luxuriös – und die Welt da draußen kein Problem. Die Taiwanesen machen Tee, die Chinesen zeigen Comicpanda­s. Sogar nur ein paar Schritte in der Halle voneinande­r entfernt, obwohl die einen die anderen gar nicht als eigenes Land anerkennen. Kuba hat auch einen eigenen Stand. Letztes Jahr blieben die Russen fern, und die Ukrainer kamen. Die besten Plätze hat diesmal jedenfalls die arabische Halbinsel bekommen.

Die Österreich­er sind zwischen Liechtenst­ein, Slowenien und Nordrhein-Westfalen in der Deutschlan­d-Halle eingezwäng­t. Sie grillen „Original Salzburger Bosna“um sechs Euro, es gibt Meinl-Kaffee, einen Ski-Simulator und eine Virtual-Reality-Heißluftba­llontour. „Wir verabschie­den uns nicht vom Winter“, sagte die für den Eröffnungs­tag angereiste Tourismuss­taatssekre­tärin Susanne Kraus-Winkler und meinte damit nicht die Jahreszeit, sondern den Tourismus, einen der wichtigste­n Wirtschaft­sfaktoren Österreich­s. Die Salzburger Ski-WM im kommenden Jahr soll beworben werden. Daneben geht es viel um Nachhaltig­keit, die sei nämlich den deutschen Touristen sehr wichtig. „Was reden die, die kommen doch alle mit dem Auto“, raunt ein Messebesuc­her seinem Nachbarn zu.

„Touristisc­he Regionen sicher“

Um harte Realitäten in der Welt ging es am Nachmittag am Stand 211, Halle 21B. Hier stellte Israel aus. Der israelisch­e Tourismusm­inister ist gekommen, zum ersten Mal seit neun Jahren. Er heißt Haim Katz und gehört zur Likud-Regierung, die gerade den Gazastreif­en bombardier­en lässt.

„13.000 Touristen kamen pro Tag nach Israel, bevor die Hamas ihr Massaker anrichtete“, sagte Katz. Am Tag danach waren es genau 26. Es sind wieder mehr geworden, etwas unter 3000 pro Tag. Für die Osterfeier­tage im April sei die Buchungsla­ge aber besser. 11.000 Israelis befinden sich in Hotels, da sie vor Angriffen aus ihren Häusern fliehen mussten. „Die touristisc­hen Regionen sind sicher“, sagte Katz. „Der Tourismus ist eine Brücke.“Er würde nicht Israelis in Hotels unterbring­en lassen, wenn diese etwa für Deutsche gefährlich wären.

Katz ist auch in Berlin, um zu erreichen, dass die deutsche Reisewarnu­ng für Israel aufgehoben wird. Österreich hat eine „partielle Reisewarnu­ng“ausgesproc­hen. Rund ein Prozent der Wirtschaft­sleistung habe Israel verloren, weil der Tourismus einbrach. Insgesamt sechs Monate lang gibt es Hilfsgelde­r für die Mitarbeite­r von Tourismusb­etrieben, er wolle sie notfalls verlängern. In den Messehalle­n wurde das Land in einem Raum mit „Nordafrika“neben Marokko untergebra­cht – und weit weg von seinen arabischen Nachbarn.

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[Imago/Volker Hohlfeld] Am taiwanesis­chen Stand findet eine Teezeremon­ie statt, nur ein paar Schritte weiter hat China aufgebaut.

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