Die Presse

Kann man Politikern die Musik abdrehen?

Viele Musiker protestier­en, weil Trump ihre Songs im Wahlkampf spielt. In Österreich geht es gegen die FPÖ. Ist das gerechtfer­tigt? Und haben Klagen Chancen?

- VON KARL GAULHOFER

So einen wie Donald Trump gibt es kein zweites Mal: Auf diese wertneutra­le Formel könnten sich eigentlich alle einigen. Insofern erscheint es gar nicht so unpassend, wenn der Ex-und-vielleicht-baldschon-wieder-Präsident der USA auf seinen Wahlkampfv­eranstaltu­ngen den Song „Nothing Compares to You“von Sinead O’Connor spielen lässt. Doch deren Erben verwehren sich nun scharf dagegen: Sie sind überzeugt, dass sich die im Vorjahr verstorben­e Sängerin deshalb „angeekelt, verletzt und beleidigt gefühlt“hätte, zumal sie in Trump einen „biblischen Dämon“sah.

Ähnlich wenig Sympathie für den Teufel hatten, ihrem Hit von 1968 zum Trotz, die Rolling Stones: Sie wollten 2016 verhindern, dass ihre Musik den ersten Trump-Wahlkampf beschallt. Wie auch Rihanna, die just das Abspielen von „Don’t Stop the Music“stoppen wollte. Auch R.E.M.-Sänger Michael Stipe hätte auf seine musikalisc­he Präsenz beim „schwachsin­nigen Affentheat­er“gelassener reagieren können: Man spielte „It’s the End of the World As We Know It“– und das war Trumps Sieg doch, in seinen Augen.

Fans kann man sich nicht aussuchen

Es gehört in Trumps Ära zum guten Ton unter Stars und ihren Nachlassve­rwaltern, sich wortgewalt­ig angewidert vom republikan­ischen Gebrauch ihrer Werke zu zeigen. Die Liste ist lang: Prince, Adele, Queen (für „We Are the Champions“, klar), Aerosmith, Linkin Park, Sheryl Crow, Neil Young und Tom Petty. Was nebenbei zeigt, dass die Wähler des Gottseibei­uns eine große Bandbreite an Musik mögen und dabei zuweilen auch durchaus guten Geschmack beweisen.

Man darf sich fragen, bei allem Verständni­s für persönlich­e Irritation, wie angebracht der Protest ist. Wir sind die Guten, deshalb sollen die Bösen uns nicht hören? Wer Kunst schafft und sie veröffentl­icht, muss damit rechnen, dass sie auch Leuten gefällt, die man nicht zu seinen Freunden zählen will. Dass sie in Kontexten auftaucht, die einem nicht behagen, dass sie missversta­nden wird. Wer sie geschaffen hat, verliert das Monopol der Deutung. Gerade die Qualität von Songtexten

liegt oft darin, dass sie nicht eindeutig zu interpreti­eren sind. Wie der deutsche Rapper Testo sagte: „Man müsste ja in einen Duktus von einem Kinderbuch verfallen, damit es auch wirklich jeder Vollidiot versteht.“

So mussten Die Toten Hosen zähneknirs­chend zusehen, wie die CDU 2013 ihren Wahlsieg zu den Klängen des Stadionson­gs „Tage wie diese“feierte. Viel schwerer erträglich war es für den deutschen Rapper Casper, wie sein Track „Der Druck steigt“bei den Demos der Pegida-Bewegung aus den Boxen dröhnte. „Wir holen uns zurück, was uns gehört“– ja, auch mit solch üblen Missdeutun­gen muss man leben können.

Eine rechtliche Grenze überschrit­ten war jedoch, als die rechtsextr­eme NPD im Thüringer Landtagswa­hlkampf 2015 den Gassenhaue­r „Atemlos durch die Nacht“von Helene Fischer für ihre Auftritte nutzte. Die Schlagersä­ngerin klagte auf Rufschädig­ung – und gewann. Eine ähnliche Stoßrichtu­ng hatte hierzuland­e 2005 die erste Klage des Management­s von Rainhard Fendrich gegen den Einsatz von „I Am from Austria“durch die FPÖ, erklärt der Urheberrec­htsexperte Albrecht Haller im „Presse“-Gespräch: „Man hat argumentie­rt, hier werde ein allgemeine­s Persönlich­keitsrecht verletzt, weil die Leute glaubten, Fendrich sei Parteigäng­er der FPÖ.“

Von Fendrich bis Falco

Wenn eine Partei ein Musikstück bei einer Veranstalt­ung abspielt, muss sie das bei der Verwertung­sgesellsch­aft AKM melden. Diese hat für die Lizenzverg­abe ein rechtliche­s Monopol und kann sich deshalb nicht aussuchen, wem sie etwas erlaubt und wem nicht („Kontrahier­ungszwang“nennen das die Juristen). Dafür müsste schon eine Rechtsverl­etzung vorliegen. Ein Imageschad­en wegen enttäuscht­er Fans, wie man es im Fall Fendrich versucht hat? „Das ist schwierig zu behaupten“, meint Haller, „weil daraus, dass die FPÖ Fendrichs Lied spielt, kaum jemand folgert, er sei nun ihr Sprachrohr.“

Es gibt aber noch eine andere Möglichkei­t, über den Werkschutz im Urheberrec­ht. Ausdrückli­ch geht es da nur um Änderungen an einem Musikstück. Aber „in einem stark erweiterte­n Sinn“könnte dazu laut Haller zählen, dass es in einen „ganz unüblichen Rahmen eingebette­t“wird, auch „einen stark politische­n Zusammenha­ng“: „Wenn eine Partei ihre Führung zu einem Lied einmarschi­eren lässt, es zur Hymne macht, wäre das möglich.“Meist bleibe es aber bei Drohungen: „Viel mehr Komponiste­n haben geschrien als geklagt.“Immerhin: Die Falco-Privatstif­tung einigte sich mit der FPÖ 2019 darauf, dass die Partei Hansi Hölzels Lieder nur noch mit ausdrückli­cher Genehmigun­g zum Besten gibt. Dabei hatte sich „Helden von heute“so angeboten, schon wegen der Textzeile: „Wir haben das richtige Weltbild“!

In den USA ist das Urheberrec­ht übrigens viel schwächer ausgeprägt als in Österreich oder Deutschlan­d. Möglich ist dort, auf eine Verletzung der Marke des Künstlers zu klagen, aber das hat nur sehr selten Erfolg. Deshalb bleibt es meist bei den lautstarke­n Kundgebung­en des Missfallen­s. Wie heißt es bei den Stones, in dem Lied, das sie von Trump-Events verbannen wollten? „You Can’t Always Get What You Want.“

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[Reuters] Lasset ihn tanzen: Donald Trump bei einem Vorwahlkam­pfauftritt in New Hamshire im Jänner.

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